Black Streets
01-Die Schwarze Straße»Was tust du da?«, frage ich meine Schwester, die gerade vor der Haustür steht und mich mit einem entsetzten Blick anstarrt. Die Augen weit aufgerissen wird ihr Griff um den Koffergriff fester.
Ich bin noch verschlafen. Hätte sie nicht so viel Krach gemacht, wäre ich nicht aufgestanden, aber sie kann einfach nie leise sein. Egal, wie sehr sie es versucht.
Sie will gehen. Erst jetzt realisiere ich das richtig und das verwirrt mich vollkommen. »Du kannst nicht gehen.«Sie beißt sich auf die Lippe bevor sie antwortet. »Ich muss.«
»Was soll das heißen?«
Die Verwirrung verschwindet nicht, wird aber von Wut übermannt. Sie hat tatsächlich ihre Sachen gepackt und ist gerade dabei von hier zu verschwinden. Mich lässt sie tatsächlich mit diesem Pack allein.
»Bitte, es ist schwer genug. Ich muss gehen.«
Ihre Stimme ist total instabil. Hecktisch greift sie zur Türklinke.»Lass mich mit dir mitkommen«, sage ich. Sie verharrt in der Position, als sie die Türklinke runterdrückt.
»Ich hol nur kurz mein Zeug«, füge ich hinzu. Viel brauche ich nicht. Allein der Gedanke, frei von diesem Haus zu sein, entspannt meine Glieder.Doch sie schüttelt den Kopf. »Ich gehe allein.«
»Was heißt, du gehst allein? Willst du mich völlig verarschen?«
Ich werde immer lauter, weil die Panik immer mehr die Oberhand gewinnt. Allein, in diesem Haus, mit diesem Dreckskerl von Alkoholiker. »Was geht denn bei dir ab, dass du mich hier allein lässt? Was bist du für eine Schwester? Was bist du für ein Mensch!«
»Izem.«
Sie flüstert meinen Namen. Ihre Stirn ist vor Trauer gerunzelt- aber diese Show kann sie jetzt sein lassen.»Was Izem? Was ist plötzlich los mit dir? Ich hätte nie gedacht, dass du mich loslässt, Schwesterherz.«
Ich betone das letzte so sarkastisch, dass sie daran ersticken müsste. Vielleicht tut sie das auch beinahe, denn sie stürmt ohne weiteres aus dem Haus und atmet tief ein.Ich renne ihr barfuß nach und versuche sie am Arm zu packen. Sie reißt sich sofort los und schmeißt mich auf den Bürgersteig. Das hab ich nicht erwartet.
»Meine heutige Schläge hab ich schon abbekommen. Brauchst nicht noch nachhelfen«, zische ich, während ich aufstehe. Sie hat mich bis heute nie verletzt und dieser plötzliche Wandel ist mir völlig fremd.»Dann zwing mich nicht dazu.«
Sie reicht dem Taxifahrer, der schon da stand, als sie das Haus verließ, ihren Koffer. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Deshalb fasse ich sie erneut am Arm. »Geh nicht.«
Einen Schlag platziert sie auf meine linke Wange und ich kämpfe gegen die Tränen an. Zähne zusammen beißen, in die Arme kneifen, aber ja nicht weinen.Nicht, dass ich mich nicht lange an den Schmerz gewöhnt hatte. Aber mit dem Schlag verlor ich meine Schwester, meinen letzten Halt im Leben, nachdem meine Mutter gestorben war. Sie war zwar auch nie eine Hilfe gewesen, hatte nur in der Ecke darüber geweint, wie erbärmlich ihr Leben war, aber ihre Existenz war besser gewesen als ihr Tod.
»Ich bin deine ältere Schwester! Lerne mal etwas mehr Respekt.«
Den Text kenne ich.Sie steigt in das Taxi und der Fahrer startet den Motor. Ich will noch ein letztes Mal gegen die Scheibe klopfen, vielleicht ändert sie ihre Meinung. Aber ich tue es nicht. Bin zu sehr damit beschäftigt benebelt auf ihr Gesicht zu starren und mir in den Arm zu kneifen.
Sie sieht mich nicht einmal an. Die kakaobraunen Augen blicken starr nach vorne. Die rosanen dünnen Lippen drückt sie fest aneinander. Ich sehe sie mir genau an, weil ich befürchte, das nie wieder tun zu können. Ihr Haar ist blond und geht glatt bis zu ihrer Brust. Sie hatte es erst letztens mich schneiden lassen. Ich war dagegen gewesen. Die Nase ist schön gerade, die Haut wie aus Porzellan. Sie hat einige Sommersprossen im Gesicht.
Ich versuche mir so viel von ihr wie möglich einzuprägen, bis das Taxi davon düst und mich stehenlässt auf der schwarzen Straße, dem jede Farbe entwichen ist.
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Das nächste Kapitel ist in maximal einer Stunde da!
Würde mich freuen auf euren ersten Eindruck.
-hayaleyna
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Black Streets
Teen FictionIzems Welt liegt in Trümmern auf einer dieser schwarzen Straßen, auf denen kalter Wind weht. Ihre Hoffnung verlässt sie, eingepackt in dem Koffer, den ihre Schwester hektisch dem Fahrer reicht. Aber wieso verlässt sie sie? Wieso geht sie allein, ob...