16- Kämpfen wie ein Mädchen

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Black Streets
16- Kämpfen wie ein Mädchen

Die Angst verschnürt mir die Atemwege. Es ist, als liefe alles in Zeitlupe, wie der Stiefvater aus dem Auto steigt und die Tür zuwirft.
  Und dann ganz plötzlich geschieht alles in einem viel zu schnellen Tempo. Wie vom Blitz getroffen platze ich ins Wohnzimmer, wo mich alle verwirrt ansehen. »Kann ich schon nach Hause gehen?«

Ich muss sofort meine Sachen holen und aus dem Haus laufen, bevor der Stiefvater da ist.
  »Natürlich, ist denn etwas los?«, fragt Nurgül.
  Ich schüttele den Kopf, steige die Treppen hoch und schnappe mir meine Tasche. Das Blut in meinen Adern wird so schnell gepumpt, dass ich das Rauschen in meinen Ohren mitbekomme.

Ich öffne die Tür, da redet der stolze Stiefvater gerade mit dem Türsteher.
  »Meine Tochter ist dort«, sagt er betonend und als ich sehe, zeigt er auf mich. »Das ist sie!«

Ich laufe auf ihn zu. »Wir können nach Hause.«
Er lacht spöttisch und deutet auf den Wagen. »Setz du dich rein, ich werde mit deinem Arbeitgeber reden.«
»Wieso das?«, frage ich ihn und blicke ihn eindringlich an.
»Ich muss doch wissen, wo meine kleine süße Tochter sich rumtreibt, oder?«, antwortet er mit einem schäbigen Grinsen. »Finden Sie nicht?«
Der Türsteher nickt. »Aber sicher doch. Nurgül ist drinnen.«

»Nurgül, das gefällt mir schonmal«, sagt er so, dass nur ich es mitbekomme. Wahrscheinlich hat er die Vorstellung, dass ich hier prostituiere.
Ich will ihm folgen, da bleibt er genervt stehen. Sein Kiefer ist angespannt, der Bart ungepflegt. »Du bleibst im Wagen.«
»Aber-«
»Im Wagen, Izem.«

Sein Ton erlaubt kein Nein und deshalb setze ich mich, auf das Schlimmste gefasst, in den schäbigen Wagen. Was ist, wenn jetzt alles vorbei ist?

In mir keimen Katastrophenvorstellungen auf. Wenn es hart auf hart kommt, was mache ich dann? Ich schmiede Pläne, die alle keinen Sinn machen, weil ich nicht einfach in das Anwesen platzen, Ümit nehmen und verschwinden kann. Vor allem nicht, wenn der stolze Stiefvater noch dort ist.

Der stolze Stiefvater öffnet die Wagentür und lässt sich stöhnend auf den alten Sitz nieder. Ich verkrampfe augenblicklich und frage mich, wieso er nicht so wütend ist.
  Er startet den Motor, der ziemlich laut aufbrummt. »Noch einmal Glück gehabt. Keiner Männer im Haus, außer das Kind, auf das du aufpasst.«
Was hat Nurgül ihm erzählt und wieso hat sie ihm Deniz verschwiegen?

»Über die Bezahlung müssen wir später reden, weil sie ihre Unterlagen in der Firma hat. Gut gemacht, aber noch einmal so eine Aktion mit die Nacht außerhalb des Hauses verbringen und du erlebst dein schwarzes Wunder.«
Ich verdrehe die Augen und sehe aus dem Fenster. Die Scheibe trägt den Abdruck jahrelangen Schmutzes vermischt mit Regenwasser. Das Anwesen sieht dadurch grau und leblos aus, aber ich finde, das widerspiegele eher die Wahrheit als die bunte Aussicht. »Als du vom Geld gehört hast, war dir noch das Wasser im Mund zusammengelaufen.«

»Lern Respekt!«, brüllt er. »Noch so eine Aktion und du sieht, was mit Buke passiert.«
»Du drohst mir mit Buke?«
»Ich drohe dir mit Schläge, du ignorierst es, ich drohe dir mit deinem Leben, du ignorierst es, aber wenn es um Buke geht, kriegst du den Mund auf?«, lacht er. »Ich will dich ja nicht daran erinnern, Izem, aber dieses Mädel hatte ihre Sachen gepackt und war abgehauen.«

Der Wagen stoppt und er sieht mich belustigt an, drückt dabei mit seiner widerlichen Hand die Wangen zusammen. »Merk dir eins. Vor mir kann man nicht weglaufen. Noch so ein Fehler und ihr seid beide tot.«
  Ich presse die Zähne fest zusammen, versuche den Duck in meinem Bauch und das Gefühl erbrechen zu müssen zu ignorieren. »Du widerst mich an.«
  »Darüber reden wir zu Hause. Schieb den Wagen an«, zischt er und schlägt mit der Hand gegen das Lenkrad. Spätreaktion.

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