Black Streets
41- zu spät»Was machst du im Regen?«, fragt er mich als sei es das elementarste, das es gibt. In seinen Augen sind Tränen oder es sind Regentropfen. Man weiß es nicht.
»Was machst du in der Türkei?«, stelle ich ihm eine berechtigte Gegenfrage. Was machst du in dieser Stadt, auf dieser Straße?
Er wischt sich mit dem nassen Ärmel im Gesicht, was nichts gerade besser macht. »Urlaub.«
»Pah!«»Du wirst krank, Izem«, bringt er hervor und kann mich gar nicht ansehen.
»Du verdammter Bastard, das ist mir egal«, zische ich. »Du hattest einen Deal. Wie kannst du dich nicht daran halten?«
Es hört nicht auf. Es hört einfach nicht auf, das wird es nie. Irgendjemand aus meiner Vergangenheit greift immer nach meinem Arm, erst Deniz, dann Berna und jetzt Emir.»Ich«, er stottert, atmet tief ein und wieder aus. »Ich wollte dich ja nie wieder sehen, aber die Dinge haben sich anders entwickelt.«
»Eine bessere Ausrede hast du nicht gefunden?«, frage ich spöttisch. »Willst du mir eine Zigarette anbieten?«
Er schüttelt den Kopf.
»Willst du mir erzählen, dass ich zu viel in meinem Inneren leben lasse und es mich umbringen wird?«
Er schüttelt wieder den Kopf.
»Gut. Mein Inneres ist nämlich tot und da gibt es nichts mehr, dass man am Leben lasse oder töten kann.«Er schweigt, sieht zur Seite, während es immer mehr regnet. Die Straße ist nun leer, da jeder mit einem annähernd funktionstüchtigen Verstand sich in Sicherheit vor dem Regen gebracht hat.
»Lass uns in ein Café oder so«, schlage ich vor. »Wir werden hier ganz nass.«
Er nickt langsam, weiß nicht ganz, wie er reagieren soll. Diese Unsichere Art wirkt eigentlich nicht passend für sein Äußeres. Man könnte ihn für gefährlich halten, er ist nicht nur groß, sondern auch gebaut und an Stärke scheint es ihm nicht zu fehlen. Dennoch sind seine Gesichtszüge weich, vor allem, wenn er mit mir redet. Als hätte er Angst, ich könne zerbrechen.»Wieso bist du hier?«, frage ich ihn ein weiteres Mal, nachdem wir uns ein warmes Getränk bestellt haben. Das Café ist voll und wahrscheinlich dankbar dafür, dass es regnet. Wir finden trotzdem einen kleinen Tisch für zwei in der Ecke.
»Hast du mich denn gar nicht vermisst?«, versucht er die angespannte Stimmung zu lockern, räuspert sich dann aber und wird mit einem Mal sehr ernst. »Ich weiß, du wirst uns nie vergeben. Glaub mir, wir können es auch nicht.«
Ich lehne mich zurück und betrachte den grauen Himmel. Dicke Wolken haben die letzten schüchternen Sonnenstrahlen verdrängt. »In meinem ganzen Leben war ich nachtragend. Ich war meiner Mutter nachtragend, obwohl sie schon lange tot war. Ich war Buke nachtagend, weil sie gegangen ist, ohne mich einzuweihen, obwohl ihre Lasten so viel größer sind. Ich war Elias nachtragend, obwohl er und bis hierher gebracht hat. Ich war Cansel und Berna nachtragend, weil sie ohne nachzudenken geredet haben und ich war euch nachtragend.«
Das Blau des Himmels hat etwas beruhigendes. Das habe ich vorher nie gemerkt. Nun, wo es so grau ist, vermisse ich es. »Aber jetzt, wo Ümit tot ist, scheint alles keinen Sinn zu machen. Selbst der Hass, der Groll, die Wut. Ich habe losgelassen und mir nie vorstellen können, wie befreiend dieses Gefühl einfach ist.«Ich sehe wieder zu ihm und lächle leicht. »Du kannst aufhören, Schuldgefühle zu haben und anfangen zu leben. Du verdienst es.«
Emir sieht mich lange verblüfft an. »Denkst du das wirklich?«
»Emir, es ist in Ordnung. Meine Straße war schon kaputt, da wart ihr nicht in meinem Leben. An diese Nacht konnte ich mich nie erinnern. Ja, der Gedanke, so weit gegangen zu sein, dass ich mir das Leben nehmen wollte, hat mir wirklich zugesetzt. Aber das war es. Ihr habt es doch geradegebogen.«
Dass ich danach noch öfter den Drang hatte, aufzugeben und mich umzubringen, muss ich ihm wohl nich sagen. Schließlich war es nicht wegen den beiden. Es war wegen dem Stiefvater.
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Black Streets
Teen FictionIzems Welt liegt in Trümmern auf einer dieser schwarzen Straßen, auf denen kalter Wind weht. Ihre Hoffnung verlässt sie, eingepackt in dem Koffer, den ihre Schwester hektisch dem Fahrer reicht. Aber wieso verlässt sie sie? Wieso geht sie allein, ob...