Black Streets
25- das Meer»Beweise?«
Ich drehe mich um und sehe sie mit gerunzelter Stirn an. »Wovon Beweise?«
»Da bekommst du Angst, nicht wahr?«, genießt sie den Augenblick. Ich verdrehe die Augen. »Komm das nächste Mal mit wahren Sachen an. Du bist pure Zeitverschwendung.«Bevor ich den Raum endgültig verlasse, schüttele ich noch den Kopf über ihre Aktion.
Jetzt kann ich schlecht in den Filmraum. Das wäre viel zu auffällig. Lamia steht gegen die Wand gelehnt. Sie stoßt sich mit einem Ruck ab und läuft auf mich zu, als sie mich sieht. »Ist alles in Ordnung? Ich wollte euch allein lassen, damit ihr reden könnt, aber in den Kurs konnte ich auch nicht.«
»Alles bestens«, behaupte ich und seufze.
»Und das mit Deniz?«
»Da ist nichts«, zische ich, bin genervt von diesem Thema. Ich will doch nur Freiheit. Ich will einen Ort mit Buke und Ümit. Ist dort Platz für Deniz? In meinen Vorstellungen waren die Personenanzahl nur auf Buke und mich beschränkt, dann kam Ümit dazu und jetzt- jetzt kommt es mir beinahe so vor, als könne noch jemand seinen Platz dort bekommen.»Der ist übrigens auf dem Hof und diskutiert mit einem anderen Typen«, fügt Lamia hinzu, wohlwissend, dass es mich interessieren würde.
»Mit wem?«, will ich wissen, die Augen weit aufgerissen, die Gedanken bei der gestrigen Nacht.
Sie zuckt mir der Schulter. »Kenne ich nicht.«Sie deutet auf das Fenster, wir sind im dritten Stock und von hier aus hat man einen guten Blick auf den Hinterhof.
Ich sehe ihn dort stehen, vor ihm Emir. Zuerst reden sie nur, was kann man von dieser Entfernung schlecht sagen, aber sie sind beide angespannt. Dann stürzt Emir auf Deniz und die Prügelei beginnt damit. Und als ich das sehe, da weiß ich, dass ich nicht stehenbleiben kann.
Als ich mit voller Geschwindigkeit und pulsierendem Herzen renne, frage ich mich, wieso ich solche Angst habe.
Ich frage mich, wieso ich nicht stehenbleibe. Wieso ich mich einmische. Ich frage mich, was mich dazu verleitet, verrückt zu spielen.
Aber bevor ich den Hof erreiche, verliere ich beinahe das Gleichgewicht. Ich halte mich an dem Treppengelände und atme tief durch. Eine Szene spielt sich in meinem Kopf ab. Eines Tages auf einer dieser schwarzen Straßen, da waren zwei Typen, die sich schlugen.
»Wenn ich dich noch einmal hier sehe, bringe ich dich um«, hatte der eine gesagt. Es war Deniz. Und der andere? Wer kann der andere sein, wenn nicht Emir?Zwei Atemzüge später renne ich wieder runter. Der Direktor steht dort mit einer weiteren Lehrkraft. Ich kenne ihn nicht, muss ein Neuer sein. Meine Finger kribbeln, ich will zu den beiden, da sieht mich Deniz. Seine blauen Augen weiten sich und er deutet gleich darauf mit dem Kopf, dass ich gehen soll. Emir soll mich nicht sehen. Geht es darum?
»Wenn ich dich noch einmal hier sehe, bringe ich dich um.«
Wieso? Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich auch eine Rolle spiele.Weil ich nicht so schnell hochkönnte, ohne dass sie mich sehen würden, renne ich zur Mädchentoilette, die gleich zehn Meter abseits steht. Ich sehe in den Spiegel, stütze mich mit den Armen am Waschbecken ab. Vor meinen Augen flimmert das Licht. Mein Kreislauf ist dahin. Ich drücke die Lider fest zusammen und öffne die Augen wieder. Wer ist dieses Mädchen im Spiegel? Wieso starrt mich eine Fremde an? Wer ist sie- wer?
Eine schwarze Katze.»Hier zu warten, wird dir nichts bringen«, meint Lamia. Wir haben uns auf die kleine Bank vor dem Sekretariat gesetzt. Ich stoße die Knie immer wieder gegeneinander, als würde ich mich mit dem Schmerz selbst bestrafen- es gibt nichts, was ich tun kann. Lamia legt eine Hand auf mein Bein. »Hör auf.«
Ich stöhne laut auf.
»Er bedeutet dir also doch etwas!«
Sie scheint überrascht von dieser Erkenntnis, will unbedingt eine Bestätigung.
»Ich habe nie abgestritten, dass er es tut«, antworte ich ihr knapp, lehne den Kopf gegen die Wand. Das Nichts-tun-können macht mich nahezu wahnsinnig. »Ich habe nur gesagt, dass wir nicht zusammen sind.«
»Ich mache mir Sorgen, Izem. Seit wann ist das so?«
»Lamia, ich habe nicht einmal eine Ahnung, ob er mir überhaupt etwas bedeutet. Dieses Seit-wann kann ich dir da erst recht nicht beantworten.«
DU LIEST GERADE
Black Streets
Teen FictionIzems Welt liegt in Trümmern auf einer dieser schwarzen Straßen, auf denen kalter Wind weht. Ihre Hoffnung verlässt sie, eingepackt in dem Koffer, den ihre Schwester hektisch dem Fahrer reicht. Aber wieso verlässt sie sie? Wieso geht sie allein, ob...