Black Streets
39- die Packung Tabletten»Sie können sich so viel Zeit lassen, wie sie wollen«, spricht Fatih, der blonde Polizist, der Buke befragen soll. Als ob es nicht schwer ist, ein Kind zu verlieren, soll sie darüber reden. »Sie haben alle Zeit der Welt. Es muss nicht heute sein.«
Ich sitze auf einem Stuhl, der nicht wirklich bequem ist, betrachte Buke, wie sie im Bett liegt und auf die weiße Decke starrt, die sie knetet. Sie presst die Lippen zusammen. Ihre Augen sind keine Köpfe mehr, sondern zwei schwarze Löcher und ihr Gesicht ist so blass, dass man es weiß nennen könnte. Das Haar steht in alle Richtungen ab, trotz dass es nach hinten gebunden ist. Die Lippen sind bleich und zu einem Strich gezogen.
»Ich denke, Sie sollten sich erst ausruhen«, meint der Polizist dann und steht auf. »Ich habe Ihnen meine Nummer aufgeschrieben. Falls Sie soweit sind, würde ich Sie bitten anzurufen.«
Ich habe mir vorgenommen, stark für Buke zu sein, aber das schaffe ich nicht. Jedes Mal, wenn ich etwas tun oder sagen will, werden meine Augen glasig und meine Stimme lässt nach. Selbst das Atmen ist eine einzige Qual.
Sie ist vollgepumpt mit Beruhigungsmittel. Es nimmt den Schmerz nicht, es lähmt nur den Körper. Aber die Seele- die Seele kann es nicht lähmen.
Elias betritt den Raum, sieht erst zu mir und dann zu Buke. Er ist selbst ratlos. »Du solltest etwas trinken«, versucht er ihr wieder ein Glas Wasser anzudrehen, nachdem er sich zu ihr gesetzt hat. Sie spricht nicht, sieht ihn auch nicht an.
Elias seufzt, seine Finger zittern, während er aus einer Tasche Orangensaft und dann ein kleines Buch herausholt. »Erinnerst du dich daran?«, fragt er. »Deine Mutter hatte uns daraus immer vorgelesen.«
Sie schweigt noch immer. Die schwarzen Löcher nehmen sie immer mehr ein.Elias beginnt im Buch zu blättern und seine Stimme erlaubt ihm nur, langsam zu lesen. Ich kann Buke so nicht mehr länger ansehen und renne aus dem Raum. Nachdem ich die Tür zuknalle, lehne ich mich daran und beiße so fest auf die Lippe, dass ich Blut schmecke.
»Du bist Izem, stimmt's?«, fragt jemand. Es ist der Stiefonkel.
»Wie kann es sein, dass Sie Polizist sind, wenn man Ihnen einfach die Waffe abnehmen kann?«, frage ich beschuldigend. Ich schlucke, ein riesiges Kloß hat sich in meinem Hals gebildet. »Wie?«
»Er ist mein Bruder«, antwortet er reuevoll. »Ich habe es nicht erwartet.«
Pah!, will ich sagen, aber ich bringe es nicht heraus. Stattdessen schluchze ich wieder. Er ist in meinen Armen aufgewachsen, wie es Buke wollte. Nicht in fremden Armen, sondern in meinen.»Ich weiß, dass eine Entschuldigung nichts gut macht«, fährt er fort und kann mir dabei nicht in die Augen sehen. »Aber keine Entschuldigung wäre noch schlimmer. Das bin ich schuldig.«
Ständig Leute um mich herum, die zerbrechen und entschuldigen. Ich habe es satt.»Das bringt ihn auch nicht zurück«, wirbele ich meinen Kopf hin und her. Ich lasse mich dann fallen, lege meinen Kopf auf die Knie und ziehe die Beine an meine Brust. Bevor ich einen Zusammenbruch bekomme, verabreichen sie mir auch Beruhigungsmittel und ich darf in einem hässlichen Bett liegen. Es wäre beinahe alles gut geworden. Wir hatten Ümit und wir hätten abhauen können. Wir hätten glücklich werden können.
»Ich habe Kopfschmerzen«, maule ich. Elias weiß auch nicht mehr, was er tut, pendelt immer wieder von mir zu und Buke und zurück.
»Hier, die tun gut«, reicht er mir eine Packung Tabletten. »Ich gehe wieder zu Buke.«
Er hat Angst, sie allein zu lassen.
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Black Streets
Teen FictionIzems Welt liegt in Trümmern auf einer dieser schwarzen Straßen, auf denen kalter Wind weht. Ihre Hoffnung verlässt sie, eingepackt in dem Koffer, den ihre Schwester hektisch dem Fahrer reicht. Aber wieso verlässt sie sie? Wieso geht sie allein, ob...