18- Gedankenschlinge

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Black Streets
18- Gedankenschlinge

»Wo ist Ümit?«
Der Rest ist mir egal.
Deniz lacht bitter auf und das verschafft mir Gänsehaut auf den Armen. Tausend Vorstellungen auf einmal betreten mein Gehirn. Ich atme hörbar aus. »Was hast du mit ihm gemacht?«
Meine Stimme bebt und die Angst verschnürt mir die Kehle.
»Deniz, was-«, ich stoppe, stattdessen wird mein Kopf gefüllt mit viel zu vielen Vorstellungen.

Ich laufe in den Flur, nehme mehrere Stufen gleichzeitig, als ich zu Ümits Zimmer renne. Sein Bett ist leer. Ein Knoten bildet sich in meinem Hals.

»Er ist in meinem Zimmer«, sagt Deniz, der plötzlich hinter mir auftaucht. Ich laufe an ihm vorbei, stoße dabei mit der Schulter an seine und drücke hastig die Türklinke runter. Selig schläft Ümit auf dem Bett von Deniz. Er sieht so klein aus.
»Ich glaube, es war im anderen Raum einfach zu kalt«, meint Deniz, der die Arme verschränkt und sich am Türrahmen anlehnt. »Was dachtest du, habe ich mit ihm gemacht?«

Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Normalerweise hätte er es mir nicht durchgehen lassen, wie ich mich verhalten habe. Normalerweise hätte ich mich auch nicht so verhalten. Das hätte ich nie riskiert, aber heute kann ich nicht klar sehen. »Zumindest nicht, dass du ihn in dein Zimmer bringst.«

Er lacht darüber. Was ist mit ihm los? Die Welt steht heute auf dem Kopf und die Knoten in mir lösen sich. In mir ist immer noch das Bild von Buke, wie sie wie tot daliegt, Elias, der mich zurückhält, der stolze Stiefvater, der herumschlägt.

»Er schläft, wir sollten ihn nicht wecken«, meint er und fasst mich am Arm. Es ist nicht grob und nicht fest. Es fühlt sich komisch an. Ich nicke schwach und lasse ihn mich aus dem Zimmer ziehen.

Ich schließe die Tür hinter mir leise zu, während Deniz mich im Treppenhaus beobachtet.
»Du hast Gewalt in deinen Augen«, spricht er betonend aus. Seine tiefe Stimme lässt mich aufsehen. Wie meint er das?

Er hebt die Hand und deutet auf meine Augen. »Da ist etwas zersplittert.«
  Ich lehne mich gegen die Wand hinter mir. »Ich bin kaputt.«
  »Es ist schön, die Art und Weise, wie du zerbrochen bist«, entgegnet er. »Es ist wie Kunst.«
  »Du spinnst doch«, flüstere ich. Ich habe keine Kraft mehr. Erschöpfung macht sich lähmend in meinem Körper breit. Schon zu lange kämpfe ich.
  »Sie funkeln jetzt sogar noch mehr«, sagt er und ich will weinen.

»Du weißt gar nichts«, bringe ich über die Lippen und schüttele den gesenkten Kopf.
Ist er heute deshalb so zu mir, weil er sieht, dass ich kaputt bin?
  »Du tust so, als könntest du allein zurecht kommen.«
Seine Augen fixieren mich. Er sieht mich nicht mehr sanft, sondern verurteilend an. »So ist es doch?«
  »Ich bin nicht allein.«
»Ich schon«, sagt er und das sorgt dafür, dass ich ihn ansehen muss. Das Blau in seinen Augen ist nicht mehr wie Eis. Es schwankt wie Wasser und ich wette er würde weinen, wenn er fähig dazu wäre.

Irgendetwas in mir gibt mir ein Signal, das ich gehen muss. Vielleicht ist es der Gedanke, dass der Stiefvater das Haus leer auffinden könnte. Ich bewege mich ungeduldig auf meinem Platz.
  »Du kannst das Licht ausschalten«, schlägt er vor, was mich verwirrt. »Dann hast du die Gewissheit gehen zu können, wann du willst. Ich würde dich nicht sehen, ich würde nichts wissen, außer du machst zu viel Krach
  Seine Worte versetzen mich in die Nacht, an der Buke verschwunden ist. Es war dunkel und ich hätte sie nicht sehen können, hätte sie keine Geräusche gemacht.

Mein Herz wird schwer.

»War es wegen dem Brand, nachfolgende Schäden?«, fragt er mich und seine Stimme bekommt etwas Unsicheres. Mit einem leisen Klick löscht er das Licht und Dunkelheit herrscht.
  Er glaubt, ich sei so wegen meiner Mutter. Das ist in Ordnung. Ich bin sogar erleichtert. Ich hatte Angst, er hätte mehr erfahren. »Es war eine Woche vorher. Eines Morgens hat einfach ihr Herz aufgehört zu schlagen. Es war wohl zu viel für sie.«

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