Black Streets
36- unsichtbare HandschellenDeniz nimmt meine Hand und läuft los. Wir rennen, bis wir den Wagen, den er gemietet hat, erreichen. Mein Herz schlägt so schnell, als ich mich auf den Ledersitz fallen lasse und die Tür fest zuknalle. Deniz startet den Wagen und ich schließe die Augen, als ich merke, dass wir es geschafft haben. Diese Aktion würde ich nie abziehen, wenn es nicht um Buke ginge.
»Wie hast du mich gefunden?«, frage ich dann und presse die Lippen zusammen.
»Ich bin deinem Stiefvater gefolgt. Nach dem Krankenhausbesuch ist er sofort los.«
»Du hast ihn bewusstlos geschlagen?«Er schweigt, was nichts als eine Bestätigung sein kann.
Ich frage mich, wie der Stiefvater uns eigentlich gefunden hat und da klingelt mein Handy. Elias schreibt, dass bei ihnen alles in Ordnung ist und wir hierbleiben sollen. Vielleicht hat er uns dadurch gefunden. Durch die Handys. Sein Bruder ist doch Polizist.
»Wir sollten das Teil hier lassen«, flüstert Deniz, als könne er meine Gedanken lesen. Noch nie hat es mich so sehr gestört wie heute. Ich nicke dennoch, schreibe Elias Nummer auf, reiche ihm das Handy und er wirft es aus dem Fenster. Buke hat auch seit langem kein Handy. Das werde ich wohl überleben.
Deniz gibt mir sein Handy und ich speichere die Nummer ab. "Vielleicht hat er uns durch das Handy gefunden. Das hier ist Denizs. Du kannst mich hier erreichen. Izem."
»Ich dachte, ich sehe dich nie wieder«, sage ich monoton und schaue aus dem Fenster. Es regnet wieder in Strömen. Dass ich hier sitze ist paradox. Ich muss. Ich habe unsichtbare Handschellen, die mich an ihn binden.
»Es tut mir leid.«
»Hör auf damit«, zische ich.
»Es tut mir aber leid«, erwidert er verkrampft.
»Ich dachte, ich hätte die Wahrheit verdient«, sage ich ihm bissig die eigenen Worte nach und sehe ihm ins Gesicht.
»Ich wollte es dir sagen.«
»Pah!«Er sieht mich intensiv an, statt auf die Straße zu schauen. Vielleicht wird das unser Untergang. Er wird mein Untergang. »Du hast mir vertraut- und ich habe dieses Vertrauen gebraucht, um dich in Sicherheit zu bringen. Danach-«
»Danach hättest du mir alles erzählt, oder was?«, unterbreche ich ihn und merke, dass er sich nicht einmal ein bisschen auf die Straße konzentriert. »Schau nach vorne, Deniz.«Er tut es widerwillig, beißt sich auf die Lippe. »Ich hätte dich gefragt, ob du mich bei dir haben willst, trotz allem- und wenn nicht, dann wäre ich gegangen.«
»Wieso glaube ich dir wohl nicht mehr?«, frage ich und schnaube auf. Wieso will ich schon wieder weinen? Merkt er es schon? Wie ich es hasse. Wie ich es hasse, dass seine Augen zu viel sehen, viel zu viel. »Wieso hast du mir überhaupt geholfen? Aus Schuldgefühlen?«
»Aus Liebe.«
»Du kannst nicht lieben, Deniz.«Wir schauen beide auf die Straße, sind komplett still. Es ist bedrückend.
»Du kannst mich hier rauslassen«, sage ich leise. Ich kann seine Nähe nicht mehr ertragen. »Elias Nummer habe ich sowieso. Ich kann ja zu einer Telefonzelle. Er holt mich, wenn die Luft rein ist.«
»Nein, das geht nicht«, wendet er sofort ein. »Seit wann vertraust du ihm? War er nicht einer der bösen?«
»Deniz, du bist einer der bösen. Hör auf, Fragen zu stellen, okay? Lass mich einfach aussteigen.«Er schüttelt den Kopf und verkrampft noch mehr. Noch schneller fahrend schaltet er die Kindersicherung ein. »Du musst in Sicherheit sein. Dann lasse ich dich gehen, ich verspreche es dir.«
»Deniz, lass mich raus!«, rufe ich, weil ich Panik bekomme. Ich kenne ihn doch gar nicht.
»Izem, ich werde aus deinem Leben verschwinden. Nur lass mich dir jetzt helfen.«
»Verdammt, ich will deine Hilfe doch überhaupt nicht!«
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Black Streets
Teen FictionIzems Welt liegt in Trümmern auf einer dieser schwarzen Straßen, auf denen kalter Wind weht. Ihre Hoffnung verlässt sie, eingepackt in dem Koffer, den ihre Schwester hektisch dem Fahrer reicht. Aber wieso verlässt sie sie? Wieso geht sie allein, ob...