03- Stolzer Stiefvater

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Black Streets
03- stolzer Stiefvater

»Wo ist Buke?«
Wie erwartet ist das die erste Frage, als ich an dem Ort, dass ich zu Hause nenne, ankomme. Heute ist mein arbeitsfreier Tag und ich wünsche mir, ich könnte Extraschichten übernehmen, statt mir das hier anzutun.
  »Ich hab dir eine Frage gestellt.«
  »Ich weiß nicht.« Und das ist die Wahrheit.

Wir sind in der Küche. Ich stehe und massakriere den Saum meines Oberteiles, während er sitzt und mich intensiv ansieht. Er trägt ein rotes Polohemd, dasselbe wie gestern. Die dunklen Haare stehen wild umher, er hat sich lange nicht rasiert. Die braunen Augen gleiten auf den Tisch. Dort stehen Alkoholflaschen. Die sind noch voll, also wird er sie nicht nach mir werfen.

»Wo war sie gestern?«, forscht er weiter nach.
  »Ich hab keine Ahnung.«
  »War sie heute morgen in ihrem Bett?«
Er steht ruckartig auf, als ich zögere, und mit einem Mal drückt er mit der Hand mein Gesicht zusammen, sodass es weh tut.

  »Nein«, antworte ich, weshalb er mir eine scheuert und sich dann wütend durch die Haare fährt. Das macht das Haar nicht ordentlicher, ihn aber umso wütender. »Wo ist diese Hure!?«
Er beginnt wild um sich herum zu gestikulieren und dabei das, was ihm in die Hand kommt, entweder gegen die Wand oder auf den Boden zu schleudern. Am Ende darf ich das sauber machen.

Ich schlucke. Ich weiß, in solchen Momenten ist es besser zu schweigen, denn dann kassiert man am wenigsten Schläge. Man muss weniger blauer grüner roter manchmal brauner Flecken, er ist sehr bunt bei dem Thema, abdecken. Das bedeutet, dass weniger Sorgen bestehen, dass irgendetwas gesehen wird und irgendwer nachfragt. Wäre es nicht einfacher, wenn es rauskommt?

Ich weiß nicht, wie man diesen Mann heiraten kann. Meine Mutter war finanziell von ihm abhängig. Ihr gehörte dieses Haus. Wir hätten es verkaufen können und uns eine kleine Wohnung suchen können. Eigentlich hätten wir nicht einmal das machen müssen, wenn Buke und ich wie heute arbeiten würden, aber das wollte meine Mutter nicht. Sie wollte, dass wir uns auf unsere Bildung konzentrieren, weil sie es nie gekonnt hatte. Hat wohl nicht geklappt.

»Diese verdammte Hure! Ich hätte sie verkaufen sollen«, ruft er immer noch. Die Pläne meiner Mutter waren gescheitert. Nach ihrem Tod sollten Buke und ich arbeiten, wenn wir nicht im Heim landen wollen oder im Puff. Er droht mit allem möglichen, vor allem aber mit dem Tod. Dieses Haus aber gehört uns. Mir und meiner Schwester. Bringt aber leider auch nichts.

»Was machst du eigentlich? Mach dich Mal nützlich! Stehst nur hier rum, statt Geld anzuschaffen! Wieso stehst du hier rum? Das nennt man Faulheit!«, schreit er herum und wedelt mit einem Teller. Er hat noch nicht einmal getrunken und ist schon so drauf.
  »Nein, das nennt man Jugendschutzgesetz.«

  Der Teller kollidiert mit meiner Wange und meine Knie geben einen Moment mach, weshalb ich auf dem Boden falle.
  »Lern Respekt!«, brüllt er wie ein furchtbar unauthentisches Tier und wirft dann mit dem Teller nach mir. Er muss schon total durchgedreht sein, denn er trifft mich nicht. »Als ich so alt war wie du, hab ich meinen Arsch abgearbeitet.« Mit den anderen Körperteilen kennst du dich ja nicht aus.

Er greift zur Flasche. »Meine Fingerkuppen waren voller Dreck! Mein Gesicht voller Narben.« Das kriegst du bei mir ja schon hin, ohne dass ich arbeiten muss.
  »Ich sollte dich verkaufen, bevor du auch abhaust. Aber ich bringe diese Schlampe wieder her und dann sieht sie ihr schwarzes Wunder.« Wie gesagt, er ist kreativ mit den Farben.
  »Und du auch.«
  »Und dann gehst du unter, weil du keinen Alkohol mehr bezahlen kannst.«

Er ist wirklich wütend, denn er wirft die halb volle Flasche nach mir. Sie zerspringt zum Glück nicht dabei. Dafür aber geht sie auf und die Flüssigkeit darin macht sich auf dem Fußboden breit.
  Irgendetwas nuschelt er noch, während er hochgeht.

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