24- Anhänger

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Black Streets
24- Anhänger

Die Nacht färbt die schon schwarze Straße noch viel dunkler. Einige Straßenlaternen erhellen die Sicht einigermaßen. Es ist kühl, eine angenehme Brise weht und verschafft eine schöne Atmosphäre, würde nicht das Herzklopfen vor Angst meine Adern zum beben bringen.

Ich erkenne sein Auto und nach einigen zügigen Schritten Deniz am Fahrersitz. Kaum einige Schritte weiter bemerkt er mich und steigt aus dem Wagen.
»Mir geht es gut«, wiederhole ich meine Nachricht und statt etwas zu erwidern, umschließt er mich in eine lange Umarmung. Die Aktion verwundert mich. Ich weiß nicht, was ich tun soll und die Idee, die Umarmung zu erwidern, kommt erst, als er sich von mir löst. Er lächelt erleichtert. »Mach mir nie wieder solche Angst.«
»Ich habe fünf Minuten nicht geantwortet.«
»Das waren zwanzig«, korrigiert er und legt die rechte Hand an mein Gesicht. Ich habe nie jemandem erlaubt, mir so nah zu treten.

»Du hast nicht einmal geantwortet«, kontere ich und gehe einen Schritt zurück.
»Ich war gerade damit beschäftigt, zu überlegen, ob ich zur Polizei oder direkt ins Haus stürmen soll.«
»Und dann?«, frage ich und kann mein Lachen nicht zurückstellen.
»Dann nehme ich dich und wir fahren in irgendeine Richtung. Irgendwo, wo uns die Sonne anlacht. Irgendwo, wo wir frei sein können- frei und glücklich.«

Es lässt mein Herz schneller schlagen und ich weiß nicht, ob das gesund ist. Schließlich war es davor schon auf Hochtouren. Diese Welt, die er mit seinen Worten aufgebaut hat, widerspiegelt meine Sehnsucht und sie scheint so greifbar, obwohl sie es nicht ist. »Du brauchst kein Mitleid mit mir zu haben.«
  »Mitleid mit dir? Ich habe Mitleid mit mir. Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun soll.«
  »Deniz, du kennst mich nicht einmal so lange«, entgegne ich, doch irgendetwas in mir will ihm glauben.
  »Izem. Bevor ich wusste, wie wenig ich in Dämmerlicht sehe, habe ich das auch nicht vermisst. Aber nachdem ich gemerkt habe, dass andere mehr sehen, habe ich erst gespürt, dass etwas fehlt. Ich habe die Leere erst gemerkt, als ich dich gefunden habe.«

Deniz kramt in der Hosentasche und nimmt dann meine Hand, sodass die Handfläche nach oben zeigt. Er lässt einen Anhänger auf ihr fallen. Es fühlt sich schön sanft an, wie es auf meiner Handfläche ihrem Platz findet. Ich ziehe die Brauen zusammen und sehe mir den Anhänger genau an. »Wofür ist er?«
Es ist ein Schlüsselanhänger mit mehreren kleinen mehrzackigen Sternen.
   »Weil du mit mir die Sterne angesehen hast«, antwortet er. Ich sehe ihm in die Augen, die so blau sind, dass ich mich in ihnen verlieren könnte.

So viel Zeit habe ich aber nicht. Die Haustür öffnet sich einen Spalt und ich drehe mich reflexartig um. »Oh mein Gott«, nuschele ich. Die Tür wird wieder leise geschlossen und ich drehe meinen Kopf zu Deniz. »Ich muss gehen.«
  »Ruf mich an.«
  »Ich werde dir schreiben.«

Ich schließe rasch die Tür auf und mein Herz rutscht mir dabei beinahe in die Hose. Meine Tat war unvernünftig, aber nicht zu gehen und Deniz handeln zu lassen, wäre unvernünftiger. Er ist unberechenbar.

Ich betrete das Haus, schließe die Tür hinter mir leise. Wer war das? Der stolze Stiefvater gewiss nicht. Der hätte sich nicht halten können. Wenn überhaupt würde Elias so etwas tun. Mich ins Haus locken, um mich ungestört bestrafen zu können, ist zu hoch für den Stiefvater.
Aber keiner ist hier.

Ich schleiche leise den Flur hinauf und öffne die Wohnzimmertür einen Spalt. Er schläft dort noch. Buke?
Der Gedanke sorgt dafür, dass ich hochsprinte.

Sie ist wach und liegt auf dem Bett.
»Warst du gerade unten?«, frage ich sie und setze mich auf mein Bett.
»Wer ist dieser Typ, Izem?«, fragt Buke und richtet sich auf. »Wer ist dieser Typ?«
Damit hat sie meine Frage schon beantwortet. Ihre Augen sind glasig.
»Nur der Typ, bei dem ich arbeite.«
Ihr kullert eine Träne die Wange hinunter. Ich weiß nicht, wieso sie jetzt so emotional ist.

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