Black Streets
12- Schach-MattDer nächste Schultag würde völlig ereignislos vergehen, wäre da nicht Berna, die gleich in der ersten Pause in der großen Halle vor allen Augen Deniz eine scheuert. Das muss wehgetan haben. Der laute Schlag beansprucht die Aufmerksamkeit aller.
Deniz spannt seinen Kiefer, während Berna ihm einen letzten wütenden Blick zuwirft und rausläuft, dicht gefolgt von Lamia und Cansel.
Einige laufen den dreien hinterher, einige fragen Deniz, was los sei und andere tuscheln. Auf die Idee, mich zu fragen, kommt sowieso keiner. Etwas, was ich mir durch jahrelanges Nichts-Verraten erarbeitet habe.
Ich begegne kurz seinem Blick und er läuft an mir vorbei. Seitdem laufen wieder kuriose Gerüchte über ihn. Berna steht sowieso beinahe immer im Mittelpunkt des Geschehens. Sie ist das gewohnt und normalerweise genießt sie es, aber dieses Mal stört es sie, wenn man ihren und Denizs Namen in einem Satz nennt. Wieso sie dann in aller Öffentlichkeit so handeln musste, bleibt mir ein Rätsel.
Er hat ihr wohl gesagt, dass er es niemals ernst mit ihr meinen würde.Eigentlich dringt sich der Satz "Ich habe dir gesagt, du sollst dich fern von ihm halten!" in mir, aber ich verkneife es mir und höre mir an, was für ein Arschloch er sei.
Mit einem Kopf voll mit Beschimpfungen über Deniz, verlasse ich die Schule. Berna konnte sich den ganzen Tag nicht beruhigen. Im Bus öffne ich wieder mein Notizbuch und schreibe, bis ich am Anwesen bin. Es wird zu einer Art Routine in meinem Leben.
Meral öffnet mir die Tür. »Wie geht es dir?«
Sie schließt mich in eine lange Umarmung. Seit wann kann sie mich so gut leiden? »Nurgül und Ümit sind im Wohnzimmer.«Langsam nicke ich und wende mich von ihr ab. Ich kann körperliche Nähe nicht leiden, wenn sie nicht gerade von Buke kommt oder ich Ümit in den Armen halte.
»Er hört nicht auf. Wieso hört er nicht auf? Er wurde gerade noch gestillt, seine Windeln sind sauber. Was ist los? Was will er?«, fragt Nurgül verzweifelt und versucht Ümit zu beruhigen, der leise Wimmert. »Sonst ist er doch auch so ruhig.«
Als ihr Blick meinen begegnet, bewegt sie sich in meine Richtung und legt mir Ümit in die Arme. Mir fällt auf, dass Nurgül manchmal wie ein Kind ist. Sie kann nicht mit Verantwortung umgehen und verliert schnell die Lust.Ich sollte dankbar dafür sein. Ansonsten würde ich nicht hier stehen und dieses kleine Wunder vor meiner Brust halten. Sein Herz an mein Herz.
»Sie kann gut mit ihm umgehen, nicht?«, fragt Nurgül. Deniz hat das Wohnzimmer betreten. Er sieht genervt von mir zu seiner Mutter. »Ja, sie sind sich ähnlich, was meinst du?«
Mein Herz rutscht mir in die Hose. Ich drücke Ümit fester an mich, als würde seine Unschuld mich beschützen. Ob Nurgül auch zu dem Schluss kommt, dass ich und Ümit verwandt sind?
Nurgül freut sich darüber, dass ihr Sohn Interesse zeigt. »Sie haben dieselbe Aura, das hab ich gleich erkannt!«
»Nicht nur das«, erwidert Deniz. Was versucht er zu erreichen? Wollte er mich nicht endlich in Ruhe lassen? Er ist eigenartig und das sogar zu seiner eigenen Mutter. Er gehört einfach nicht ins Bild dieser Familie. Es ist zwar so, dass alle anderen auch etwas Komisches an sich haben. Er aber ähnelt eher einem Psychopathen.»Weil sie sich so sehr um ihn kümmert, hat er sich sehr an sie gebunden. Wenn du ihm auch deine Zeit widmest, wird er sich sicher auch an dich gewöhnen«, sagt Nurgül mit einer kindlichen Freude. Sie versucht Begeisterung in ihm zu entfachen, vergebens.
Deniz verlässt den Raum, ohne noch etwas dazu zu sagen und Nurgül läuft ihm nach.
Ich wiege Ümit in meinem Arm, bis er in den Schlaf fällt. Ich bete dafür, dass sein Schlaf so sanft ist, dass es sich so anfühlt, als fliege er. Ich bete, dass ihn schöne Träume begleiten. Ich bete dafür, dass wenn er aufwächst, er ein schönes Leben hat.
DU LIEST GERADE
Black Streets
Teen FictionIzems Welt liegt in Trümmern auf einer dieser schwarzen Straßen, auf denen kalter Wind weht. Ihre Hoffnung verlässt sie, eingepackt in dem Koffer, den ihre Schwester hektisch dem Fahrer reicht. Aber wieso verlässt sie sie? Wieso geht sie allein, ob...