Black Streets
19- Rot ist so viel schöner als grauIch habe die Kapuze über meinen Kopf geworfen und kicke die Steine unter meinen Füßen hin und her. Der Regen färbt die Straßen noch dunkler und sorgt für eine angespannte Stimmung. Ich fühle mich verloren in einem ewigen Kreislauf. Zuerst ist alles still, man beginnt Hoffnung zu hegen, man kämpft, dann wird man enttäuscht und fällt, sodass man wieder zur altbekannten Stille greift.
Die Tränen haben Spuren auf meinem Gesicht hinterlassen. Es dauert noch zehn Minuten, bis der eine Bus ankommt und ich bin mir immer noch unsicher, wohin ich hinsoll. Der stolze Stiefvater wird noch bei der Arbeit sein. Ich könnte diesen also ignorieren und den in siebzehn Minuten nehmen, der zur alten Behindertenwerkstatt führt.
Meine Sicht ist verschwommen und meine Augen fixieren erst einen Punkt, als mir jemand eine Zigarette hinhält.
»Nimm sie schon«, sagt dieser Emir mit seiner rauen Stimme. »Ich teile normalerweise nicht gerne.«
»Ich kann nicht rauchen«, antworte ich ihm. »Das tut mir nicht gut.«
Er ähnelt wieder Deniz. Beide können ihren Deal nicht halten. »Willst du damit sagen, du bist unfähig zu rauchen?«Der Regen rinnt über die dunkelblaue Kapuze und tropft auf sein Haar. Er scheint es nicht zu bemerken, zündet die Zigarette an, die er mir angeboten hatte und zieht an ihr. Es sieht leicht aus. »Wenn du zu viel in dir leben lässt, wird dieses zu viele in dir dich nicht leben lassen.«
»Du verletzt dich selbst und meinst, du würdest dich beschützen.«
Er denkt darüber nach. Es sieht schön aus, wie er den Rauch ausatmet. »Kann sein, dass du recht hast. Ich versuche zu beschützen, aber ich verletze.«
Das ist jetzt nicht mehr auf sich selbst bezogen. Auf jemand anderes, aber auf wen nur?»Mein Bus ist da«, nuschele ich.
»Beten wir, dass wir uns nicht wiedersehen«, sagt er mit der selben Absicht sie das letzte Mal. »Denn wenn ich dich sehe, kann ich nicht garantieren, dich nicht anzusprechen.«Dadurch, dass ich mit Emir gesprochen habe, hat er mir meine Wahl genommen. Ich sitze jetzt im Bus und fahre nach Hause und irgendwie bin ich diesem pessimistischen Poeten dankbar, dass er mich für die paar Minuten abgelenkt hat.
Ab ein paar Minuten sind nicht genug. Meine Gedanken sind wieder bei Buke und bei der Stimme des stolzen Stiefvaters, der sie anbrüllt. Ich spüre schon die Schläge auf meiner Haut, die ich noch nicht kassiert habe.
Ich versuche Elias noch immer zu erreichen, während ich die Tür aufschließe. Eine Alkoholfahne begrüßt mich am Eingang. Ich rümpfe angeekelt die Nase und kurz danach erscheint auch schon die Ausgeburt der Hölle am Türrahmen des Wohnzimmers und betrachtet mich abwegig. »Wo warst du gestern?«
Das heißt dann wohl, dass er nicht arbeiten gegangen ist.»Im Haus.«
Schlechte Lüge. Ich binde meine Schuhe auf und ziehe sie mir mit Gewalt von den Füßen. Ich muss mich beeilen, mit jeder Sekunde wird er normalerweise aggressiver.
»Willst du mich verarschen?«, fragt er und ich kann schlecht mit Ja antworten.
»Ich bin dir aus dem Weg gegangen«, erkläre ich. »Konnte die Nacht sowieso nicht schlafen.«Er kratzt sich am Kopf und ist sich nicht sicher, ob er mir glauben soll. In diesen Fällen entscheidet er sich meist dagegen. »Wenn so etwas noch einmal geschieht, erlebst du dein schwarzes Wunder.«
»Wo ist Buke?«
Er stöhnt. »Da, wo sie sein muss.«
»Wo?«, wiederhole ich stark betonend. Wieso kann er auch nicht wie jeder normale Mensch antworten?
»Wenn sie nicht so arbeiten will, dann muss sie auf eine andere Weise Geld anschaffen.«
Er grinst schelmisch. »Mit der anderen Version kennt sie sich ja bestens aus.«
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Black Streets
Teen FictionIzems Welt liegt in Trümmern auf einer dieser schwarzen Straßen, auf denen kalter Wind weht. Ihre Hoffnung verlässt sie, eingepackt in dem Koffer, den ihre Schwester hektisch dem Fahrer reicht. Aber wieso verlässt sie sie? Wieso geht sie allein, ob...