10- Rosa Lungen

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Black Streets
10- Rosa Lungen

»Was denkst du dir eigentlich dabei, hier herumzuschleichen?«, fragt Hülya geschockt. Meral kommt da, angezogen von den Stimmen, die Treppen hoch und sieht abwechselnd von Hülya zu mir.
»Nurgül meinte-«
»Mir ist egal, was Nurgül meint. Dieses Zimmer ist tabu! Du kannst in Ümits Zimmer, ins Wohnzimmer und in die Küche. Der Rest ist außerhalb deiner Befugnis.«

»Ich dachte, es wäre Ümits Zimmer. Tut mir leid«, flüstere ich. Sie fasst sich am Kopf und läuft in das erste Zimmer links.
»Nimm das nicht allzu ernst«, flüstert Meral, bedacht, ja kein Wort zu laut auszusprechen. »Das ist Farahs Zimmer.«
Meral ist eine lange Frau, welche ihr kastanienbraunes Haar zu einem Dutt gebunden hat. Sie sieht zur Tür, hinter der Hülya verschwunden ist. »Nurgül ist mit Ümit im Krankenhaus.«
»Ist etwas passiert?«, frage ich sofort.
»Nein. Nurgül ist nur überfürsorglich. Deshalb wäre es besser, wenn jemand anderes sich um das Baby kümmert.«

Sie seufzt und schaut dann wieder zu mir. »Hast du Hunger?«
Ich schüttele den Kopf.
»Dann mache ich uns Tee. Setz dich schonmal in die Küche. Ich sehe nur kurz nach Hülya. Könnte sein, dass sie dich feuern will, falls sie sich nicht beruhigt.«
Ich nicke nur und laufe dann runter in die Küche. Während ich auf dem Stuhl sitze und warte, frage ich mich, in was für einer Familie Ümit gelandet ist. Aber wenn Hülya Ümit nicht will, könnten wir ihn nicht einfach zurückhaben?

Die Haustür wird plötzlich zugepoltert. Ümit!
Ich springe auf und will die Küche verlassen, als jemand den Raum betritt. Es ist weder Nurgül mit Ümit, noch Meral.

Deniz hebt den Kopf seitlich und mustert mich argwöhnisch, aber nicht überrascht. Seine Augen formen sich zu Schlitzen. »Was tust du hier?«
Nurgüls Sohn- Deniz? Kann das sein?
Seine Stimme ist abweisend und rau. Es erinnert mich daran, wie er zu diesem Typen in der Gasse gesprochen hat. Das kann nicht sein.

Ich mache einen Schritt zurück. »Ich arbeite hier.«
Er hebt beide Brauen und schnappt sich eine Wasserflasche vom Tresen, lehnt sich zugleich daran. »Und was willst du hier?«
»Ich- arbeite.«
Hab ich das nicht schon gesagt?

Er seufzt. »Hast du nirgendwo einen anderen Job gefunden, dass du hier anfangen musstest- oder gibt es einen besonderen Grund?«
Er versucht etwas anzudeuten, aber ich verstehe es nicht ganz. Er kann unmöglich von Ümit erfahren haben.
»Ich wurde nirgendwo angenommen«, antworte ich also und drücke die Zähne zusammen. Ich will zugleich an ihm vorbei, aber er macht die Geste, die ich hasse. Er hält mich am Arm zurück. Deniz zieht die Brauen zusammen. Der Schatten, der dabei entsteht, scheint seine Augen zu verschlingen.

Ich reiße mich von ihm los. »Was soll das denn!«
»Deine Augen«, spricht Deniz jedes Wort einzeln aus. »Die Augen dieses Kindes.«
Er scheint nachzudenken. »Ihr habt dieselben Augen.«

Ich reiße meine Augen auf. Mein Herz bleibt stehen. »Was?«, frage ich, um Zeit zu gewinnen und lache dann, wie erfolgreich ich dabei bin, kann ich kaum sagen.
»Wieso?«, fragt er mich. »Wieso habt ihr dieselben Augen?«
»Wie schön, dass dir aufgefallen sind, dass wir beide grüne Augen haben.«
»Es ist dieselbe Pigmentierung«, bringt er durch die zusammengepressten Zähne hervor. »Ich erkenne das doch.«

Wie erkennt er das? Ich würde es nie erkennen, wenn es nicht meine Augen wären. Vielleicht auch nicht, wenn es nicht Bukes Baby wäre. Wie also erkennt er das? Wie kann er sich so sicher sein, wenn ich selbst so geschockt war, dass ich in den Spiegel schauen wollte?

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