15- Eingehüllt in der Dunkelheit

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15- Eingehüllt in der Dunkelheit

Ich bewege mich eine Zeit nicht. Paralysiert schlage ich mir gegen die Brust. Wieso schlägst du so?, frage ich mein Herz. Hast du solche Angst? Ich atme angestrengt aus. Es klingt wie ein Wimmern.
Geh und leg dich schlafen, spreche ich zu mir selbst. Das ist, was du brauchst, du brauchst Schlaf. Denk nicht daran, was geschehen ist, schlaf einfach.

Die Matratze ist gemütlicher als mein Bett zu Hause und trotzdem kann ich nicht einschlafen. Ich kann nichts dagegen tun, dass meine Augen die ganze Zeit wahllos Gegenstände fixieren. Ich kann kaum etwas im Detail sehen, nur wage Umrisse, während er nichts in diesem Raum sieht.

Schlaf, Izem, schlaf jetzt ein. Das ist, was du brauchst, das ist, was du willst.
Bis ich mich überrede, einzuschlafen, vergeht eine lange Zeit. Deshalb bin ich am nächsten Morgen noch so müde. Ich wasche mein Gesicht und ziehe Kleidung von Meral an. Der blaue Fleck  über meiner Wange ist nicht mehr so auffällig. Die Bewohner dieses Hauses wissen vom Angriff und meinem Krankenhausaufenthalt und trotzdem ist es mir unangenehm.

Ich schrecke zurück, als ich das Bad verlasse, denn Deniz steht vor mir. Seine Hand landet in der nächsten Sekunde an meinem Gesicht. Er schmiert mir etwas übers Gesicht, über meine Wange, wo der blaue Fleck ist. Er streicht mit dem Daumen darüber und sieht dabei konzentriert aus. »Der Rest sieht in Ordnung aus.«
  »Was sollte das?«
  »Ich dachte, es stört dich«, sagt er und läuft die Treppen runter. »Ich muss los. Hülya ist genervt morgens.«
Als sei ich ein langjähriger Freund. Was ist falsch mit dem Typen?

Beim Gehen schleift er noch verschlafen mit dem Fuß auf dem Boden. Macht er das jeden Morgen?

Ich frühstücke mit Meral in er Küche. Man hört vom Wohnzimmer aus Klaviermusik.
  »Morgens ist Hülya angespannt. Sie sollte lieber allein sein«, erklärt Meral mir. »Früher hat Farah ihr an Klavier vorgespielt am Morgen. Sie hört sich die Spiele jetzt noch an. So kann sie nie darüber hinwegkommen, wenn du mich fragst.«
  Ich höre ihr nur zu.

»Und der Junge ist immer noch nicht da. Er wird sie verrückt machen«, schüttelt sie ihren Kopf. Ihre Welt besteht nur aus der von Hülya. Sie ist nicht größer als dieses Anwesen. »Nurgül geht gerne morgens mit Ümit spazieren. Der Junge würde es vermissen, wenn du es nicht tun würdest.«
  Ich nicke. »Mache ich gerne.«

Ümit ist satt, sauber und dick gepackt. Ich frage mich, ob das immer noch zu wenig ist, was er anhat. Es ist schließlich kalt draußen. Ich will aber auch nicht zu pingelig sein.

Es ist befreiend, als ich endlich draußen bin. Es ist nicht allzu kühl und windig ist es auch nicht. Es fühlt sich einen Augenblick so an, als seien wir frei. Als seien die unsichtbaren Ketten um unsere Hände und Beine nicht vorhanden. Du könntest theoretisch mit ihm weglaufen.

Ich könnte genauso einen anderen Tag Ümit rausbringen und ihn entführen. Wie sollten wir das mit Ümit eigentlich anstellen? Ein falscher Pass? Wie soll man an so etwas rankommen? Ich muss das alles noch mit Buke besprechen. Sie bricht so schnell zusammen, ich habe Angst, ihr wehzutun. Andererseits ist es unsere einzige Chance.

Als wir in einem kleineren Park ankommen, sehe ich mich um, ob jemand aus dem Anwesen hier ist. Es ist absurd, aber sie machen mich eben paranoid.
Das Handy in der Hand, der Kinderwagen in der anderen. »Buke, willst du dein Baby sehen?«

Buke ist rausgegangen mit der Ausrede einkaufen zu müssen. Der stolze Stiefvater ist betrunken und das schon um diese Uhrzeit. Es ist beinahe so, als könne ich ihren Herzschlag durch das Handy hören.

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