„Danke, Mama!" Ich lächelte breit. „Sonst wäre sie ganz alleine gewesen." Ich konnte ruhig noch ein wenig auf Lonas einsame Situation aufmerksam machen.
Meine Mutter nickte knapp, ich sah ihr an, dass sie nicht ganz so erfreut war wie ich, aber immerhin hatte sie nichts dagegen. Sie wandte sich schon zum Gehen, als sie noch einen Kommentar abliess, der meine Stimmung auf einen Schlag wieder verschlechterte: „Wenn ihre Eltern nicht ein bisschen besser auf das Kind aufpassen können...!"
Meine Mutter war bereits aus der Türe und sah mich nicht mehr, aber in dem Moment hätte ich schreien und toben können. Ich wollte ihr an die Gurgel gehen und ihr einen stundenlangen Vortrag darüber halten, dass sie kein Recht hatte, so über meine beste Freundin zu reden – oder über ihre Eltern. Die Wut brachte mich innerlich zum Kochen und wollte aus-brechen, aber ich musste mich zurückhalten, ich durfte jetzt keinen Fehler machen. Schnau-bend schloss ich die Tür zu meinem Zimmer wieder, die meine Mutter wie immer offen gelassen hatte, riss mir das Tuch vom Leib und knallte es auf mein Bett. Auch wenn es gedämpfter aufschlug, als ich erhofft hatte, machte ich meiner Wut somit ein wenig Luft. Dann schlüpfte ich in eine enge schwarze Hose, die ich manchmal sogar in den Gottesdienst trug, wenn meine Eltern mich dazu zwangen, und zog eine hübsche, blaue Bluse mit V-Ausschnitt aus dem Schrank - die Farbe betonte meine Augen, hatte Lona mal in einem netten Moment gesagt. Dann schminkte ich mich ganz leicht, sodass meine Eltern es nicht gleich auf den ersten Blick sehen würden, und brachte meine Haare in Ordnung, die nun in langen Wellen über meine Schultern fielen.
Als ich mich dann pünktlich auf den Weg machte – meine Eltern hatten glücklicherweise nicht lauernd unter der Treppe gestanden - und dabei noch kurz mein Handy checkte, sah ich eine Nachricht von Lona und Jonas. Jonas hatte sich darüber gefreut, dass Till Interesse zeigte und Lona hatte mich ermahnt, ihm den Brief nur im Notfall zu geben und anschliessend einige Herzen geschickt, als Zeichen, dass auch sie sich für mich freute. Mit gebesserter Laune kam ich also bei der Mexico Bar an und sah schon, wie Till auf mich wartete. Er stand vor dem Eingang und fiel mir erst einmal durch seine Grösse auf. Als ich ihn neben den Rauchern geküsst habe, ist mir gar nicht aufgefallen, wie gross er war, doch nun stach er eindeutig hervor. Er trug eine verwaschene Jeans – zweifellos so gedacht – und ein dunkelblaues Hemd, zwar war es schlichte Kleidung, aber es stand ihm. Als ich mich der Bar näherte, sah ich, dass sie beinahe leer war. Ich kannte die Mexico Bar zwar, aber eher vom Mittag oder späten Abend - um diese Zeit war ich noch nie da gewesen. Es sassen zwei Paare drinnen, die sich unterhielten und anscheinend auch zu Abend assen. Sobald ich bei Till war, lächelte ich ihn an und grüsste, ich merkte, wie ich abrupt wieder nervös wurde.
„Hallo Malia." Er lächelte mich herzlich an und nahm mich bei der Hand, um mich ins Lokal zu führen. Ein wenig überrascht folgte ich ihm, seine Hand war um einiges wärmer als meine.
„Kennst du das hier?", fragte er mich und steuerte auf einen Tisch zu.
Ich nickte. „Ja, ich komme hier auch manchmal mittags oder spätabends hin", erklärte ich und nickte wieder, als er mich fragend ansah, ob ich mit dem Tisch einverstanden war. Während wir uns setzten, sagte er: „Gut, dann kennst du das essen ja schon."
„Ich liebe mexikanisches Essen!", bestätigte ich mit einem blöden Grinsen. Das Lokal war gemütlich gestaltet, es standen Holztische herum und die Wände waren auch aus Holz – jedenfalls sah es so aus. Über der Türe hing eine riesige Speisekarte, sodass man nicht extra darum bitten muss und es lief leise Musik im Hintergrund. Selbst wenn mehr Leute da gewesen wären, wäre unser Tisch eher im Verborgenen hinter all den anderen gewesen.
Till und ich unterhielten uns locker über das Lokal und Mexico, bis dann die Bedienung kam und die Bestellung aufnehmen wollte. Zu Zwecken des guten Ambientes trug der Mann Mitte vierzig einen Sombrero und lächelte uns offen an.
„Was wünschen die jungen Gäste?", fragte er und musterte uns.
Ich bestellte, wie ich es häufig tat, Tacos con pollo und Till schloss sich mir überrascht an. Nachdem der Kellner uns schmunzelnd versprach, das Essen würde gleich kommen und er würde noch Wasser bringen, erklärte mit Till grinsend, dass das sein Lieblingsessen hier war. Zwar wusste ich nicht recht, ob ich ihm das glauben sollte, aber lustig war es trotzdem – auch wenn sich der Kellner am meisten amüsiert hatte. Kurz darauf kam dieser wieder, diesmal mit Tortilla Chips und Guacamole in der Hand und stellte uns dies auf den Tisch, der unter dieser wenn auch leichter Erschütterung wackelte.
Eigentlich verlief das Date ganz gut, am Anfang jedenfalls. Wir machten Witze, redeten über belangloses Zeug und vertieften ein paar Themen. Wie ich erwartet hatte, war auch das Essen gut und erst als die Tacos kamen, fiel mir ein, wie lange es schon her war, dass ich hier gegessen hatte. Meine Eltern würden nie hierherkommen und mit Lona versuchten wir immer wieder andere Lokale aus. Während dem Gespräch mit Till sah ich aus den Augenwinkeln, dass die anderen Gäste gingen und binnen den nächsten fünf Minuten waren Till und ich allein. Der Gedanke machte mich ein wenig unruhig, ich rutschte auf meinem Stuhl her-um und sah, dass auch der Kellner nicht zu sehen war. Es war komisch, so völlig alleine in einem Restaurant zu sitzen. Auf einmal fiel mein Blick auf meine Tasche, die ich unter den Tisch gelegt hatte und ich erinnerte mich an den Brief und somit auch an den Kuss. Bis jetzt jedoch ging die Verabredung so gut voran, dass ich ganz bestimmt nicht den Brief zücken würde und die ganze Stimmung verderben, aber ich wollte den Brief auch nicht vergessen.
Till, der anscheinend auch bemerkt hatte, dass wir nun allein waren, sagte lächelnd: „Aha, jetzt sind alle vor uns geflohen."
„Wieso denn geflohen?", lachte ich, schliesslich haben wir gar nichts Verbotenes oder Abstossendes gemacht.
Till zuckte bloss mit den Schultern und legte wie beiläufig seine Hand auf meine, die mitten auf dem Tisch ruhte. Ich zuckte leicht zusammen, sagte aber nichts, sondern sah, hoffend, dass ich nicht errötete, zu ihm auf. Seine Augen waren so dunkel wie die Nacht, passend zu seinen Haaren. Jetzt, wo er sass, war er nicht mehr so viel grösser als ich und ich konnte praktisch geradeaus sehen, um sein Gesicht anzuschauen. Till hob die Mundwinkel und blickte wieder auf seine Tacos – mit den Restlichen machten wir uns nun einen Spass daraus, sie mit einer Hand zu essen, da unsere zweite jeweils auf dem Tisch lag. Mit der Zeit spürte ich gar nicht mehr bewusst, dass es seine Hand war, sondern ich nahm bloss die Wärme auf meiner Haut war, als läge ein Kissen darauf.
„Warst du in dieser Bar am letzten Sonntag?", wollte Till mit neugierigem Blick wissen und machte eine weitläufige Handbewegung in die Mexico Bar.
Ich schüttelte den Kopf und merkte, dass ich rot wurde. Ich war nicht darauf vorbereitet, dass er auf diesen Abend zu sprechen kann. „Nein, das war weiter unten." Aus irgendeinem Grund wollte ich den Namen nicht nennen. „Ich... also normalerweise, äh, trinke ich nicht so viel", stammelte ich verlegen und lachte.
Till schüttelte den Kopf. „Das meinte ich gar nicht", beteuerte er. „Ich kenne in dem Fall den Barkeeper dort", fügte er hinzu und ich schaute erstaunt auf. Das war interessant. „Cool, ist er nett? Bekommst du die Drinks dann gratis?"
Er lachte. „Nein, die Drinks kosten immer noch. Aber ich muss zugeben, ich hab auch schon mal einen geschenkt bekommen."
„Na eben." Ich grinste, fragte mich aber, warum er auf meine erste Frage nicht geantwortet hatte. Doch dann ging unser Gespräch wieder in eine unverfängliche Richtung und das Thema war bald vergessen.
* * *
So, was sagt ihr bis jetzt über das Date? :) bin gespannt hihi^^ Das verlinkte Video zeigt verschiedene Gesellschaftstänze, nur einer davon ist Tango ;).
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Küsse im 2/4-Takt
Romance••• Der Titel wurde von "Mein erster Fehler - Nur eine Nacht" zu "Küsse im 2/4-Takt" geändert! ••• Eigentlich tanzt Malia in ihrer Freizeit leidenschaftlich Tango, und ruiniert sich nicht mit Erfolg ihr Leben. Aber eines nachts macht sie unter dem E...