Jonas und ich sahen uns an, in den Augenwinkeln sah ich immer noch zu Lona und ich begegnete ihrem Blick. Ich kannte meine beste Freundin nun schon seit mehr als zehn Jahren und in dieser Zeit ist es ihr auch schon schlecht gegangen, wenn auch aus anderen Gründen. Und ich kannte diesen verzweifelten Blick in ihren dunklen Augen.Hastig nahm ich sie bei der Hand, zerrte sie aus dem Zimmer ins Badezimmer, das gerade nebenan war. Jonas stand immer noch überrumpelt in Lonas Schlafzimmer, als sie sich übergab.
Danach sah sie schon etwas besser aus, aber ihre Beine wollten ihr trotzdem nicht gehorchen. Sie sackte beinahe zusammen, als ich sie zum Bett bringen wollte und mit vereinter Kraft mit Jonas hievten wir sie in ihr Bett. Ohne viel mehr als die Jacke und die Schuhe auszuziehen, liessen wir sie schlafen. Ich wollte nun nicht an ihr herumzerren oder sie ausziehen und wieder anziehen, sondern sie einfach in Ruhe schlafen und sich ausruhen lassen.
„Schlaf gut, Lona", flüsterte ich noch, nachdem ich vergewissert hatte, dass wir nichts mehr tun konnten.
„Gute Nacht", meinte auch Jonas und deckte sie noch ganz zu. Gemeinsam mit ihm verliess ich gemächlich das Haus, darauf achtend, ob wir noch irgendetwas von Lona oder gar ihren Eltern hörten. Aber es blieb ruhig und als wir Lona hinter uns liessen, war diese schon eingeschlafen.
Auf dem Nachhauseweg sprachen Jonas und ich kaum. Wir wussten beide voneinander, dass wir herausfinden wollte, wer und was Lona da einen Streich gespielt hat. Ich musste wissen, wieso ihr auf einmal übel geworden ist und sie so schläfrig wurde. Und ich wollte unbedingt den Verantwortlichen finden. Auch ohne dass ich meine Gedanken mit Jonas teilte, war es klar, dass wir sobald es irgendwie möglich war, alles über Alkohol, schlafen und Übelkeit ermitteln werden. Nicht nur Jonas und ich, sondern bekanntlich auch Lona würden so etwas nie einfach auf sich ruhen lassen. Erst recht nicht, nachdem etwas Ähnliches – wenn auch weniger krass – mir passiert war. In derselben Bar.
„Ich sag dir", bemerkte Jonas, als wir uns bald trennen mussten, um nach Hause zu kommen. „Diese Bar ist echt abstrus. Erst du und jetzt Lona. Was geht da ab?"
Ich zog die Schultern hoch und liess sie dann erschöpft wieder hängen. „Ich weiss es nicht, ehrlich." Ich versuchte nachzudenken, aber meine Gedanken fuhren nur zu Lona und ... zu meinem Bett, das gemütlich auf mich wartete. Erst jetzt merkte ich, dass ich hundemüde war. „Können wir das morgen besprechen?", stöhnte ich. „Sonst musst du mich auch noch nach Hause tragen."
Jonas lächelte halb und nickte. „Okay. Gute Nacht, bis morgen." Wir verabschiedeten uns und ich beeilte mich, nach Hause zu kommen. Bevor ich aber endgültig ins Bett ging, lief ich auf dem Gang in Theo hinein, der anscheinend auch noch wach war.
„Malia, Schwesterherz", grüsste er und grinste mich an. „Weitere drei Typen geküsst?"
Ich runzelte die Stirn, es war zu spät für Witze und ich wollte nur noch ins Bett. Dennoch schüttelte ich den Kopf, damit das schon mal geklärt war. Und ich wusste nicht, weshalb ich nicht bis morgen wartete mit dieser Frage, aber ich sprach es aus, bevor ich darüber nachdenken konnte: „Wie kann man jemanden in Kombination mit Alkohol schläfrig machen? So, dass einem schlecht wird und so?"
Theo schaute mich verwirrt an. „Willst du wen abschleppen oder wie?" Diesmal war sein Tonfall ernst, es war gar nicht unbedingt als Witz gemeint, wenn nicht eher als Aufforderung, ihm die Frage genauer zu erläutern.
„Nein, wegen... Lona." Ich rieb mir die Stirn. „Ich erklär's dir morgen genauer, okay?"
„Okay", stimmte Theo zu, nun war seine Neugier geweckt. „Also, mit Beruhigungsmitteln oder Schlafmitteln, nehme ich an."
Ich schaute zu ihm auf. „Schmecken die bitter?"
Theo runzelte die Stirn. „Ja, je nach dem, was für welche du nimmst?"
Ich stöhnte. Einerseits wäre es eine Antwort, was mit Lona los war, wenn sie Medikamente in den Drink bekommen hätte – denn die Symptome deuten ja nicht auf K.O. Tropfen hin – aber andererseits gefiel mir die Vorstellung nicht, dass da jemand Medikamente in die Getränke mischte. Bekanntlich konnte eine zu grosse Menge lebensgefährlich werden.
„Okay, ähm, danke, das hilft mir glaube ich weiter", stammelte ich und fuhr mir fahrig mit der Hand übers Gesicht. Es kam mir unwirklich vor, dass ich vor etwa einer Stunde noch topfit auf der Tanzfläche gestanden hatte. „Naja, bis morgen, ich muss jetzt echt schlafen gehen."
Theo nickte und strich mir kurz übers Haar, als ich an ihm vorbei ging. Ich spürte seinen halb besorgten und halb irritierten Blick auf mir, als ich schlaftrunken in mein Zimmer schwankte.
Ich kam seltsam glücklich von der Schule nach Hause. Es war nicht so, dass die Schule heute besonders spannend oder aufregend gewesen war, aber ich war heilfroh, dass Lona gekommen war. Als ich sie am Morgen getroffen hatte, hatte sie ausgesehen wie immer, auch wenn sie auch schon bessere Tage gehabt hatte. Mehrere Male hatte sie betont, dass es ihr gut ginge und sie bloss hatte schlafen müssen. Zwar erkundigten Jonas und ich sie dennoch im Stundentakt, wie es ihr gehe, aber es war alles wie immer. Leider hatten meine beiden besten Freunde Theos Antwort mit den Medikamenten einleuchtend gefunden und nach einer weiteren Recherche auf dem Handy während dem Biounterricht hatten wir herausgefunden, dass es tatsächlich plausibel war. Manche Schlafmittel oder auch Beruhigungsmittel in Kombination mit Alkohol wiesen ebendiese Symptome auf, an denen Lona gelitten hatte. Jetzt aber wurden meine Grübeleien über die Bar und ihre Getränke unterbrochen, als ich, kaum war ich in meinem Zimmer, einen Anruf bekam.
Ich hatte die Nummer nicht eingespeichert, aber dennoch nahm ich ab. „Hallo?", fragte ich. Wenn ich schon nicht wusste, wer dran war, sollte sich der andere zuerst vorstellen.
„Hallo, Malia", sagte eine vertraute Männerstimme. „Hier ist Kyle."
Auf einmal erinnerte ich mich an mein Telefonat mit Till. „Ah, wie bist du denn an meine Nummer gekommen?" Wie schafften das die Jungs nur?
„Sie steht in der Kursliste des Tangostudios", erwiderte Kyle und ich hörte das Grinsen in seiner Stimme.
„Achso." Ich atmete erleichtert aus, denn ich wusste noch, dass ich ihm bei unserem Café-Date meine Nummer nicht gegeben hatte. „Und was verleitet dich dazu, mich auf der Liste zu stalken?", wollte ich wissen und lächelte, obwohl er das nicht sehen konnte. Kurz warf ich einen Blick zur Türe und vergewisserte mich, dass sie zu war, dann setzte ich mich gemütlich auf mein Bett.
* * *
Hiii 👋🏽 "stalkt" ihr auch Leute?
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Küsse im 2/4-Takt
Romans••• Der Titel wurde von "Mein erster Fehler - Nur eine Nacht" zu "Küsse im 2/4-Takt" geändert! ••• Eigentlich tanzt Malia in ihrer Freizeit leidenschaftlich Tango, und ruiniert sich nicht mit Erfolg ihr Leben. Aber eines nachts macht sie unter dem E...