35. Vier Zufälle?

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Genau als wir die Trennung meiner Eltern fertig besprochen hatten und Lona mich beruhigt hatte, sprach uns ein dunkelblondes Mädchen an.
"Seid ihr Lona und Malia?", frage sie etwas unsicher und schaute von mir zu Lona und zurück.
Lona nickte eifrig und sprang auf. "Hey, toll, dass du gekommen bist!", grüsste sie und strahlte das Mädchen an.
Ich erhob mich etwas weniger überschwänglich und begrüsste sie höflich.
Bevor wir aber verifizieren konnten, wie wer hiess und ob sie wirklich diejenige war, dir wir erwarteten, kam ein viertes Mädchen auf uns zu. Sie war sportlich gekleidet und hatte einen Pferdeschwanz. Mit einem munteren Lächeln fragte sie: "Seid ihr Malia und Lona und...?" Sie stoppte und schaute die Blonde an.
"Also das ist Lona, ich bin Malia und ihr heisst...?", versuchte ich, die Situation aufzuklären.
"Lily", meinte die mit den zusammengebundenen Haaren.
"Ich bin Elena", verkündete die Blonde und nachdem wir richtiggestellt hatten, dass wir uns mit den Richtigen trafen, setzten wir uns zu viert auf die Bank. Es war etwas mühsam, so übereinander zu reden, aber irgendwie gelang uns die Unterhaltung.
"Also, ihr seid alle auch in dieser Bar gewesen", kam Lona gleich zum Punkt und verlieh ihrer Aussage einen leicht fragenden Unterton.
Die beiden nickten. "Aber zum ersten Mal", fügte Elena hinzu.
"Okay, aber du gehst häufiger, Lily?", wandte ich mich an das andere Mädchen. Es wäre interessant zu wissen, wie gut sie sich mit den Getränken auskannten.
Lily nickte. "Ich kenne die Bar ganz gut, eigentlich."
Ja, das glaubte ich auch mal. Aber nun begann ich zu denken, dass ich die Bar überhaupt nicht kannte und keine Ahnung hatte, was da abging.
"Also, wir beide haben auch unsere schlechten Erfahrungen gemacht." Ich deutete auf Lona und mich. "Auf verschiedene Art. Wie war das bei euch?"
"Ich hätte schwören können, dass ich nur wenig Bier hatte", erklärte Elena und schaute mich an. "Aber ich war völlig betrunken."
Das tönte so sehr nach meiner Geschichte! Neugierig beugte ich mich vor. "Bei mir war es genau gleich", ereiferte ich mich zu sagen. "Wie viel hast du ganz genau getrunken?"
"Drei Bier."
"Und wer hat dich bedient?", wollte ich wissen und wurde ganz aufgeregt angesichts den Fortschritten in unserer 'Mission'.
"Der Besitzer der Bar." Sie runzelte die Stirn. "Der mit den Tattoos."
Ich nickte heftig. "Mich auch!"
"Und du bist ganz sicher, dass du nichts anderes hattest?", fügte Lona hinzu.
Elena nickte und wirkte fast schon gekränkt. "Ja! Ich hatte eine wichtige Prüfung am nächsten Tag, ich wollte mich auf keinen Fall betrinken."
"Okay." Ich nickte beschwichtigend. "Und du hast keinen Unterschied im Bier gemerkt im Vergleich zu sonst?"
Elena schüttelte den Kopf. "Es hat geschmeckt wie sonst auch immer." Sie schaute zu mir. "Und bei dir?"
Ich nickte. "Es war haargenau gleich wie bei dir."
"Du hattest aber nur zwei Bier", berichtigte mich Lona und ich warf ihr einen belustigten Blick zu. "Ja, okay, ich hatte ein Bier weniger. Aber sonst war es gleich."
"Lily, du hast gesagt, es sei dir wie mir ergangen, oder?", wandte sich Lona an das andere Mädchen.
Dieses nickte. "Ja, also ich hatte einen Cocktail, den ich immer nehme", begann sie und ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich realisierte, dass sich unsere Geschichten wiederholten. "Nach der Hälfte wurde mir schlecht und anschliessend wurde ich ganz schläfrig." Sie fuhr sich mit der Hand durch den Pferdeschwanz und kniff die Augen zusammen. "Ich glaube, meine Freunde haben mich dann nach Hause gebracht, aber ich konnte kaum stehen. Es war, als hätte ich irgendwelche Schlafmittel gehabt. Ich bin dann noch auf der Strasse ohnmächtig geworden."
Ich schaute erschrocken zu Lona, die ganz blass geworden war. Lily musterte uns und hob einen Mundwinkel. "Dann war es bei dir gleich, Lona?", bemerkte sie trocken.
Lona nickte. "Ich bin dann zu Hause einfach eingeschlafen", korrigierte sie ihre Variante der Geschichte. "Aber es war auch in einem Cocktail."
"Dann..." Elena stockte und schaute von mir zu Lona und zu Lily, sie wirkte ziemlich verwirrt. "Denkt ihr, der Barkeeper mischt etwas in die Getränke?" Sie machte eine Pause. "Je nach dem, ob es ein Cocktail oder Bier ist?"
Ich nickte langsam. "Ja...", sagte ich gedehnt. "Es muss fast so sein. Hast du einen Unterschied gerochen, Lily? Im Cocktail?"
Lily überlegte kurz und nickte dann zögerlich. "Es war etwas bitterer... Aber das kann ja einfach ein Mischfehler sein vom Barkeeper aus."
Ich hob die Schultern. Klar konnte das sein, aber ich glaubte eben nicht an Zufälle. "Oder eben auch nicht", meinte ich. Wir hatten nun genug Stories über die Bar, dass wir dies behaupten konnten, fand ich.
Elena drehte sich zu Lily um, es war das erste Mal, dass die beiden sich richtig ansahen. "Hat dir nicht jemand aus dem Umkreis was reingeschüttet? Das passiert ja oft..."
Lily runzelte die Stirn. "Ich hatte das Glas immer im Blick. Ich schau immer pingelig darauf", widersprach sie bestimmt.
"Ich finde, wenn wir jetzt schon zu viert sind, wären das schon viele Zufälle an einem Ort...", bemerkte ich meine Gedanken. "Und da haben wir die ganzen Posts und Randbemerkungen nicht mitgerechnet, die Lona und ich mitbekommen hatten."
"Posts und Randbemerkungen?", fragte Lily nach und rutschte näher.
Ich lachte verlegen. "Ja also wir haben Recherche betrieben..."
Elena grinste. "Ihr habt spioniert?"
"Nein, wir haben uns bloss ungesehen!", berichtigte Lona. Und das stimmte ja, wir hatten niemanden ausspioniert!
"Wir haben auf Facebook einige Posts gesehen", erklärte ich und hoffte, dass und sie beiden Mädchen nun nicht für kranke Stalker hielten. "Und haben zufälligerweise mitbekommen, wie sich ein paar Jungs hinter uns darüber unterhalten hatten."
"Ach ja, zufälligerweise." Elena lachte.
"Ja wirklich!" Lona wollte auch kein Image als Spionin haben. "Ich kann nichts dafür, wenn sie so laut reden." Damit brachte sie Elena noch mehr zum Lachen, aber da sie es mit Humor nahm, beliess ich es dabei.
"Ich finde das echt komisch", meinte Lily da, die schon länger nichts mehr gesagt hatte.
"Da muss ich dir Recht geben." Ich wischte mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Und deshalb wollten wir ja mit euch reden. Aber ich denke, jemand hinter der Bar treibt da ein Spiel mit den Gästen." Es gefiel mir nicht, dass bei diesen Worten das Gesicht des Besitzers vor meinen Augen auftauchte, denn eigentlich mochte ich den. Aber dennoch wiesen die Erzählungen auf ihn hin... Und er hatte sich beim letzten Mal sehr gründlich umgesehen gehabt, fiel mir da wieder ein. "Und wir wollen herausfinden, wer."
Lily machte eine unwirsche Bewegung. "Moment mal. Ich sage gerne aus, aber ich kann auf ein Detektivspiel verzichten! Ich geh einfach nicht mehr in die Bar und das war's."
Ungläubig schaute ich sie an. Wie konnte sie das so locker nehmen? Ich brannte darauf, endlich herauszufinden, wer Lona und mir einen Streich gespielt hatte. Und Lily, die auf der Strasse ohnmächtig wurde, wollte es einfach so belassen? "Echt jetzt?", fragte ich erstaunt nach.
Lily nickte. "Sorry Leute."
"Schon okay", meinte ich automatisch. "Danke für die Hilfe."
"Bitte." Lily grinste. "Ich finde es aber trotzdem cool, dass ihr das macht." Sie erhob sich. "Viel Erfolg!"
Ich lächelte auch und nahm die Hand, die sie mir hinhielt. "Danke."
"Ich muss gehen, hab noch einen Termin", erklärte sie entschuldigend und deutete auf ihre Armbanduhr.
"Kein Problem." Lona verabschiedete sich ebenfalls. "Danke für's Kommen."
Lily nickte ihr zu und verabschiedete sich dann von Elena, dann ging sie eilig davon.
Ich schaute ihr noch nach, wie sie aus dem Park ging. Irgendwie konnte ich auch verstehen, dass sie darauf verzichten konnte, dem nachzugehen. Aber für mich war nun genug geschehen, als dass ich das vergessen könnte. Auch wenn ich ein geduldiger Mensch war, war ich neugierig.
"Willst du helfen oder nicht?", fragte Lona geradeheraus zu Elena.
Diese zögerte. "Ich weiss nicht..." Sie klang nicht überzeugt, aber vielleicht wusste sie nicht, wie sie Nein sagen könnte, nachdem Lily schon gegangen war.
"Du musst nicht", sagte ich also.
"Ja also wie wär's, wenn ich mich einfach umhöre und euch es dann mitteile, wenn ich etwas Wichtiges erfahren habe? Aber ohne da gross zu Recherchieren oder Spionieren?" Elena schaute uns fast schon bittend an, als bräuchte sie unsere Unterschrift für etwas.
Ich nickte eilig. "Klar, das ist toll!" Besser als gar nichts. Anscheinend war es nicht für alle so klar, dass man solchen Fällen nachgehen könnte. Oder gar der Polizei melden...

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Was würdet ihr machen?

Küsse im 2/4-TaktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt