55. Aussprache

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Es war endlich soweit. Einerseits freute ich mich, andererseits kribbelte es in meiner Magengegend vor Aufregung, dass etwas schiefgehen könnte. Es war drei Uhr nachmittags und wir versammelten uns heute bei mir zu Hause, das hiess, auch mein Vater würde kurz nach Hause kommen. Theo, Kyle, Lona, Jonas, mein Vater und ich sassen im Wohnzimmer, meine Mutter war einkaufen gegangen und würde erst in einer Stunde wieder kommen – was auch immer sie eine Stunde lang im Einkaufszentrum machte. Aber ich hatte ihr erklärt, dass ich mit ihr reden will und gesagt, es würde mir um vier Uhr passen. Nun spielte ich nervös mit meinen Haaren herum und liess meinen Blick unruhig durch den Raum gleiten. Ich wusste nicht, ob ich meinen Vater oder meine Freunde anschauen sollte oder vielleicht auch Kyle.

Dieser sass neben mir, aber wir trauten uns nicht, uns irgendwie zu berühren; seine Hände lagen auf seinen Beinen und ich knetete meine gerade wie auf glühenden Kohlen.

„Ähm, Dad, vielleicht kannst du dir schon denken, um was es geht...", begann ich. Zuvor hatte ich Kyle beim Namen vorgestellt, wenn er also nicht völlig vergesslich geworden ist, wusste er noch, wer Kyle war. 

Mein Vater hob die Augenbrauen. „Naja", machte er. „Sag du es mir."

Klar, ich musste nun zur Sache kommen. Schliesslich ging es um mich und meine engsten Freunde waren extra deswegen gekommen. „Also, ich – und auch Theo – teilen bekanntlich eure Meinung zum Thema Freund nicht", begann ich sorgfältig und meine Hände begannen zu schwitzen. Ich legte sie ebenfalls auf meine Jeans, dann schaute ich zu meinem Vater, der schon leicht ahnend aussah. „Und ich möchte das nicht länger so einhalten müssen und wollte dich und meine Mutter bitten, naja, uns da Freiraum zu geben."

Mein Vater seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, um Zeit zu schinden. „Ja", sagte er, aber es tönte danach, als habe er noch mehr zu sagen. Gerade hob er an, seine Antwort genauer zu erläutern, als die Türe aufging. Frauenschuhe betraten das Haus und mich überkam eine kalte Vorahnung, wer das war. Meine Mutter kam herein, mehrere Einkaufstaschen in der Hand.

„Mama", stiess ich schockiert aus. Mein Herz raste. „Du bist schon zurück?" Meine Stimme war dünn.

„Ja, ich dachte, ich kann ja hier-" Meine Mutter hielt inne und ihre Augen weiteten sich, als sie meine Besucher und ihren Exmann sah. „Oh, hallo."

Ich kniff die Lippen zusammen. Genau. Diese Situation wollte ich vermeiden. „Lona und Jonas kennst du ja", sagte ich steif, während meine Mutter ihre Taschen abstellte. „Das hier ist Kyle." Der einzige Vorteil an der überraschten Rückkehr meiner Mutter war, dass ich das Ganze nur einmal zu erzählen brauchte. Meine Mutter war nicht minder schockiert, als ich Kyles Namen sagte, aber immerhin warf sie ihn nicht gleich raus, sondern kam langsam zu uns.

„Okay, Mama, dann setz dich und wir besprechen alles zusammen", bat ich sie und fuhr mir verzweifelt mit der Hand durch die Haare. Wie sollte ich das zustande bringen? Ihre Reaktion machte mir jetzt schon Angst. Doch sie nahm brav auf dem Sofa Platz, wenn auch mit einem Sicherheitsabstand von etwa zwei Meter zu meinem Vater.

„Also...", begann ich und räusperte mich. „Ich hab vorhin meinem Vater gesagt, dass ihr ja wisst, dass wir in gewissen Bereichen eine liberalere Haltung haben als ihr oder speziell du, Mama." Ich schaute meine Erzeugerin an. „Aber ich möchte das nicht mehr so leben und bitte darum, dass ihr uns beiden mehr Freiraum in der Sache lässt." Zitternd hielt ich inne und schaute meine Mutter an, als sei sie ein auszubrechender Vulkan. Ihr Blick jedoch war ruhig und unentwegt auf mich gerichtet. Also fuhr ich fort. „Und ich finde, es ist in meiner Hand, mit welchem Alter ich jemanden küsse", nannte ich endlich die Sache genauer. „Die Sicht von der Bibel ist längst überholt und nicht einmal in der heiligen Schrift steht, dass man sich nicht küssen darf. Ich möchte eine normale Beziehung führen können, ohne dass ihr es mir so erschwert." Abschliessend faltete ich die Hände zusammen und schwieg, auf eine Reaktion wartend.

Mein Vater regte sich als erstes. Er rutschte ein wenig nach vorn und suchte meinen Blickkontakt. „Ich kann dich irgendwie verstehen, Malia", sagte er und mir fiel ein Stein vom Herzen. „Für mich ist es okay. Ich hoffe, ich kann darauf vertrauen, dass du das Richtige tust. Und ich möchte deine Freunde kennenlernen."

Ich lachte gerührt auf und schaute kurz zu Kyle, der ebenfalls lächelte. „Danke, Papa!", stiess ich unendlich erleichtert aus, sprang auf und fiel ihm um den Hals. Ich hatte ihn schon lange nicht mehr umarmt und es tat gut, ihn zu spüren und den vertrauten Geruch einzuatmen. Mein Vater tätschelte meinen Rücken und ich hörte ihn leise lachen.

Doch als ich mich wieder setzte, wurde mir bewusst, dass da immer noch die Hürde meiner Mutter war.

„Ich möchte doch nur das Beste für dich, mein Schatz", meldete sie sich nun leise zu Wort, mit fast schon sanftem Tonfall.

Ich verdrehte die Augen. „Aber in meiner Sicht ist das nicht das Beste, Mama", widersprach ich ihr zum gefühlten – und wahrscheinlich auch tatsächlichen - hunderten Mal.

Meine Mutter schaute hilfesuchend zu ihrem Exmann, aber da er die Seite nun gewechselt hatte, konnte er nicht mehr viel zu ihren Gunsten beitragen. Also packte ich den Joker aus.

„Mama, theoretisch gesehen wart ihr beide nie verheiratet", warf ich ihr ins Gesicht. Sie schaute mich erschrocken an. „Und selbst wenn ihr in der Kirche geheiratet hättet, dürftet ihr euch nach deinen Gesetzen nicht trennen. Egal wie du es drehst, etwas daran ist falsch."

Eine Weile lang war es still im Raum und meine eigene Stimme hallte mir nach. Meine Mut-ter war sprachlos und die anderen hielten die Luft an.

„Du sollst aber nicht denselben Fehler machen." Das hatte ich ja schon erwartet.

„Das ist aber kein Fehler", sagte da Jonas. „Und selbst wenn, aus Fehlern lernt man. Glauben Sie nicht, ihre Tochter kann die Erfahrung selbst machen? Und Theo auch?" Das Siezen war ein super Schachzug von ihm, dafür musste ich ihn später loben. Das würde meiner Mutter das Gefühl geben, dass er sie und ihre Entscheidungen respektierte. Wobei das bei ersterem wahrscheinlich auch der Fall war.

Meine Mutter zog die Augenbrauen zusammen, ich sah ihr an, dass ihr die Diskussion nicht gefiel. Das hatte ich auch nicht anders erwartet. Aber meine Mutter mochte vernünftige Gespräche und das hier war bis jetzt noch sehr adäquat. Und es war schon einmal positiv, dass sie nicht herumschrie oder meine Besucher rauschmiss – das wäre alles andere als adäquat!

„Ihr wollt...", sie stockte und schaute zu mir, dann zu Kyle, der neben mir sass. „Wie steht ihr denn zueinander?", stellte sie eine Frage, die ich von niemandem hören wollte, erst recht nicht von ihr. Wie soll man das bitte erklären? Ohne Kyle dabei zu sehr in den Besitztum zu nehmen oder gar zu sehr von sich wegstossen? Ich räusperte mich und schaute Kyle an.

* * *

OMG die Story ist bald zu Ende :o
Schaffen wir noch 7k bis dann? *~* packt es in eure Leselisten, damit es mehr Leute sehen🙈❤

Was denkt ihr, wie die Unterhaltung enden wird?

Meint ihr, die Mutter wird einverstanden sein?

Und wie gefällt euch die Entscheidung von ihrem Vater?

Küsse im 2/4-TaktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt