„Schön dich zu sehen", sagte er so leise, dass nur ich es hören konnte.
„Gleichfalls", erwiderte ich und lächelte ihn an. Dann drehten wir uns zu Theo, Jonas und Lona um, die uns neugierig musterten und ich sah Lona an, dass sie sich ganz viel Mühe gab, weder zu lachen noch einen Kommentar abzugeben.
„Hey, ich bin Theo, Malias Bruder", stellte mein grosser Bruder sich vor und die beiden Männer klopften sich auf den Rücken, als wären sie schon seit einer Ewigkeit Kumpels.
„Freut mich", meinte Kyle höflich, reichte dann Lona die Hand und begrüsste zuletzt Jonas, der ganz rechts sass. Dann konnten wir endlich zur Sache gehen. „Also, wir finden jetzt irgendeinen Weg, eure Eltern davon zu überzeugen, dass die Bibel schon sehr sehr alt ist und man auch vor der Ehe mit Jungs ausgehen kann, hab ich das richtig verstanden?", begann Kyle mit einem zweideutigen Unterton und ich musste schmunzeln.
„Gut zusammengefasst", kommentierte ich grinsend. „Vor allem unsere Mutter."
„Das ist der Punkt", wandte Jonas ein und beugte sich vor. Er trug ein rosa Hemd und verrissene Jeans. „Wir sollten zuerst mit deinem Vater sprechen. Er wird nicht so heikel sein."
Ich überlegte kurz, liess das Geschehene Revue passieren. Bei dem Streit in der Wohnung meines Vaters, fiel mir gerade auf, hatte mein Vater viel darüber geschimpft, dass er nichts davon wusste aber nicht darüber, dass ich bei einem Typen Kaffee getrunken hatte. Mal ganz von seinem Sinneswandel vom letzten Streit abgesehen. „Mein Vater könnte einfach werden", bestätigte ich. „Mir fällt grad auf, dass er sich in letzter Zeit mehr darüber ärgert, dass er nicht eingeweiht ist, als darüber, dass ich mit Kyle ausgehe." Ich warf besagtem Kyle einen verlegenen Blick zu. „Ausserdem hat er letztens erschreckend normale Fragen über, äh... Kyle gestellt, die jeder Elternteil fragen könnte." Es war mir peinlich, vor Kyle so über ihn zu reden, als sei er ständig Gesprächsthema bei uns zu Hause.
„Dann sagen wir deinem Dad, dass du gerne eine Beziehung leben möchtest und das deine Entscheidung ist und er doch eigentlich weiss, dass das völlig normal ist", schlug Lona kurz gebunden vor. Sie hatte Recht – eigentlich kam es auf das heraus.
„Genau", sagte ich dankbar in ihre Richtung. Dann schaute ich meinen älteren Bruder an. „Wie war das eigentlich bei dir genau? Mit Amanda?"
Theo schaute auf. „Wir haben ja mit ihnen geredet. Dass ich volljährig sei und sie mir nicht die Beziehung versauen sollten, nur weil es ihnen nicht passt. Ich hatte Glück, dass sie Amanda einigermassen okay fanden. Und du hast gesagt, dass ich sowieso Freundinnen haben würde, auch wenn sie es mir nicht erlauben." Er lachte kurz.
Stimmt, bei Amanda war das nicht ganz unähnlich verlaufen. Obwohl man sich immer noch mehr Freiheit wünschen könnte... Vielleicht war das nun möglich, da mein Vater seine Meinung ändern könnte. Entweder war die Trennung ein Pluspunkt für ins, oder aber unsere Mutter hat so noch mehr Wirkung auf uns. „Okay, das können wir ja etwa so machen bei mir", meinte ich zögernd. „Und dann haben wir noch den Joker, dass sie ja eigentlich gar nicht christlich verheiratet sind!" Bei meinen Worten schaute Theo erstaunt auf und langsam breitete sich Unglauben in seinem Gesicht aus.
„Wow, du hast Recht, Malia! Sie dürften gar keine Beziehung führen."
Ich strahlte. „Und wenn sie in der Kirche geheiratet hätten, dürften sie sich nicht trennen! Also egal wie man es wendet, sie sind auch Sünder."
Kyle und Theo bedachten mich beide mit einem überraschten und faszinierten Blick. „Das könnte doch ausschlaggebend sein!", rief Kyle erfreut aus. „Wenn du ihnen das sagst, können sie ja nicht viel einwenden!"
„Ausser, dass du nicht denselben ‚Fehler' begehen sollest", widersprach Jonas und verlieh Kyles und Theos Enthusiasmus einen Dämpfer.
„Hm", machte ich missmutig. „Na wie Lona gesagt hat: Es ist meine Entscheidung. Ich habe noch nie an die Bibel geglaubt und ich möchte nicht unter ihrem Einfluss stehen."
Theo nickte heftig. „Ja, das sollte schon gehen", meinte er zuversichtlich. Er warf Kyle einen Blick zu. „Unser Vater wird dich mögen. Was machst du schulisch oder so?"
Kyle grinste. „Ich hoffe es", meinte er. „Ich studiere Kunst."
Als er nichts hinzufügte, sagte ich: „Er zeichnet extrem gut."
Theo nickte anerkennend, als wüsste er das nicht schon lange von mir. „Gut, du zeichnest aber nicht modern?"
Kyle schüttelte den Kopf. „Nein! Wahrheitsgetreue Dinge, grösstenteils."
Theo grinste erleichtert. „Das wird ihnen gefallen", wiederholte er und Kyle fuhr sich unruhig durch die offenen Haare. Unsere Eltern mochten tatsächlich Künstler, auch wenn ich nicht wusste, was sie zu Künstler als Freund sagten. Aber Kyle war nicht gross draufgängerisch, wenn man von den Haaren absah, rauchte nicht und machte einen soliden Eindruck. Warum also sollten sie ihn nicht... akzeptabel finden?
„Aber am besten sagt ihr nicht, wie ihr euch kennengelernt habt", meldete sich da Lona wieder zu Wort und schaute mich entschuldigend an.
Ich seufzte. „Hast Recht... Also Kyle, ähm, sagen wir einfach, dass wir uns in der Disco getroffen haben?" Ich wandte mich verlegen an Kyle. Ich sprach nicht gerne über diese Nacht, erst recht nicht mit ihm. Und ich wusste immer noch nicht genau, was er darüber dachte. Und am allerwenigsten gefiel es mir, dass ich ihn darum bitten musste, für mich zu lügen.
Doch er nickte sofort. „Ist okay. Aber Zeit und Datum bleibt?" Ich hätte ihn am liebsten für seine lockere Antwort geküsst. Erleichtert lächelte ich ihn an – schliesslich hätte er auch sa-gen können, er wolle nicht lügen oder so. „Ja, alles andere kann bleiben", bestätigte ich und drückte dankbar seine Hand. „Nur der... Kuss nicht. Und dass ich zu viel intus hatte."
Kyle nickte und ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Okay." Er schaute mich eine Sekunde lang stumm an, dann sagte er leise: „Meine Eltern wohnen eine Autostunde entfernt. Da warten wir noch ein bisschen, aber sie wären unkompliziert..."
Ich wurde schlagartig rot. „Tut mir leid", entschuldigte ich mich. Bestimmt war ich nicht die einfachste Freundin.
Kyle lachte ein wenig und seine Hand in meiner zuckte. „Kannst doch nichts dafür."
„Ach, übrigens", sagte da Theo an Kyle gewandt. Ich nahm an, sie hatten unseren kleinen Dialog nicht zugehört, auch wenn Lona mir ein Grinsen zuwarf. Kyle und ich drehten uns zu ihm um. „Kennst du den Barkeeper dort genauer? Oder Richard aus dem Tattoogeschäft?" Ich hatte ihn heute Morgen noch über die ganzen News bezüglich der Disco aufgeklärt und auch er hatte zugesagt, uns, wenn nötig, zu helfen.
Kyle runzelte nachdenklich die Stirn. „Den Barkeeper kenne ich nicht wirklich. Richard... auch nicht. Aber ich weiss, dass ein Typ namens Till häufig mit dem Barkeeper verkehrt."
Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich den Namen Till hörte. Von Till und Leo hatte ich noch nichts erzählt und es grauste mir davor, ihm von den beiden anderen Küssen zu berichten.
„Richard kennt ja Till?", bemerkte Theo fragend und rettete Jonas, Lona und mich davon, etwas Blödes über Till zu sagen. Ich nickte als Antwort.
„Wir wollten eh zu Richard, um ihn ein bisschen darüber auszufragen. Er weiss alles, was hier abgeht", fügte ich lachend hinzu.
„Und danach geht's ab zum Barkeeper direkt", erklärte Jonas. Auch er war noch von Lona aufgeklärt worden, was wir alles geplant und herausgefunden hatten.
Zu fünft sprachen wir eine Weile davon, wie wir den Barkeeper überführen konnten. Aber keiner von uns konnte sich ausdenken, wieso er so etwas inszenierte und wie ihm das im Geschäft zugutekommen könnte.
* * *
Manchmal hab ich so richtig keine Idee für irgendwelche Kapitelnamen auf Wattpad😂
Mir wäre das Ganze ehrlich gesagt ziemlich peinlich an Malias Stelle. Euch auch?
Was denkt ihr, wie die Eltern reagieren?
Und was haltet ihr von der Szene da? Bin mir nicht sicher, ob sie nicht langweilig ist...
Jedenfalls freue ich mich immer über Votes, Kommentare, Feedback und Leselisten-Adds (wie auch immer man das nennt xD).

DU LIEST GERADE
Küsse im 2/4-Takt
Romans••• Der Titel wurde von "Mein erster Fehler - Nur eine Nacht" zu "Küsse im 2/4-Takt" geändert! ••• Eigentlich tanzt Malia in ihrer Freizeit leidenschaftlich Tango, und ruiniert sich nicht mit Erfolg ihr Leben. Aber eines nachts macht sie unter dem E...