Wieder war ein Jahr vergangen. Zwölf Monate voller Aufregung, Neuerungen, Freude, Tränen und Erfolg waren vorüber, doch mit dem aufkeimenden Erfolg der Acapella-Gruppe war auch mehr und mehr Stress verbunden gewesen. Songs für neue Cover aussuchen, selbst welche schreiben, Stimmen entwerfen, diese aufnehmen, immer aufwendigere Videos produzieren und die Tournee im vergangenen Sommer. Wenn er daran zurückdachte, wie sie alle vor einigen Jahren angefangen hatten... Es hatte sich einiges getan. Natürlich freute es den Braunhaarigen, dass ihre Mühen mit Erfolg und Beliebtheit belohnt wurden und doch spürte er, wie ihm alles langsam zuviel wurde. Nach gerade einmal drei Jahren... Aber selbst wenn er wollte, er konnte hier nicht einfach weg. Die anderen Vier brauchten ihn, brauchten seine Stimme. Kein guter Song funktionierte ohne Bass. Und wie lange dachte er, könnte er sich eine Auszeit nehmen? Einige Tage würden da sicher nicht genügen...
Während ihm all diese Gedanken durch den Kopf wirbelten, saß Avriel in dem schwarzen Ledersessel und schaute auf das nächtliche LA hinab. Lichter funkelten überall, Autos eilten auf den Straßen in alle Richtungen an der Wohnung vorbei und ließen ihn in ein tiefes Müdigkeitsgefühl sinken. Der Tag war anstrengend gewesen, wie jeder Tag zuvor und auch wie alle folgenden. Das neue Jahr hatte schon seinen Lauf genommen, denn mittlerweile war es Ende Februar. Bald stand auch schon sein Geburtstag an. 25 Jahre... Er war müde, doch diese Erschöpftheit war nicht von der Art, die man mit einem erholsamen Schlaf wieder hätte ausgleichen können. Nein, so einfach war es diesmal nicht.
"Alles in Ordnung?", fragte plötzlich eine besorgte Frauenstimme hinter ihm. Es war Kirstie.
Gemächlich drehte er seinen Kopf in ihre Richtung und schenkte der hübschen Frau ein müdes Lächeln.
"Es ist alles okay.", beruhigte sie der Basssänger sie, "Ich bin bloß erschöpft von der heutigen Probe."
Sanft lächelte die Blonde zurück.
"Ja, es war ein anstrengender Tag heute, aber ich finde, dass wir gut mit der Aufnahme vorangekommen sind."
Leicht nickte er und und wandte sich wieder der glänzenden Stadt zu.
Für einen Moment herrschte Stille. Lange hielt diese aber nicht an, denn kurz darauf eröffnete ihm die schlanke Sängerin: "Ich werde dann auch mal ins Bett gehen und das solltest du auch tun, Avi."
Er hörte noch ihre bedächtigen Schritte auf dem hölzernen Boden, dann war sie verschwunden. Wieder war er allein. Ruhig schloss Avriel seine Augen. Nur das Knistern des ausbrennenden Feuers im Kamin in seinen Ohren, driftete er langsam in einen leichten Schlaf ab.Geschirrgeklapper, Stimmen, Gelächter und das Blubbern des Kaffeeautomaten weckten ihn. Müde blinzelte er dem zu hellen Sonnenlicht entgegen, streckte sich und schaute sich verwirrt um. Für einen Augenblick hatte der Braunhaarige tatsächlich geglaubt, Pentatonix wäre nur ein Traum gewesen...
"Haben wir dich geweckt?", ertönte da die sanfte Stimme der Frau.
Wieder drehte sich der Basssänger um, dieses Mal aber in die andere Richtung, um einen Blick auf die offene Wohnküche werfen zu können. Er musste wohl ziemlich verschlafen ausgesehen haben, denn Scott und Mitchell begannen sofort zu lachen.
"Guten Morgen, Schlafmütze!", kicherte Mitchell.
"Tut mir leid.", sagte Kirstie.
"Schon gut.", lächelte Avi müde, "Ich hätte doch sowieso bald aufstehen müssen."
Noch einmal räkelte er sich, dann stand er auf und gesellte sich zu den anderen vier Sängern.
Während des gesamten Frühstücks sagte er kein Wort. Es gab nichts, was er zu bereden nötig fand, außer dieser einen Sache, die ihm schon mehrere Tage, wenn nicht sogar Wochen durch den Kopf ging, doch es war nicht die richtige Zeit, darüber zu sprechen.
So schwieg er, bis Scott ihn ansprach: "Was ist heute eigentlich mit dir los, Avi? Du bist doch sonst nicht so schweigsam, auch morgens nicht."
Träge hob der Sänger seinen Kopf, sodass er den Blondhaarigen ansehen konnte.
"Es ist nichts.", murmelte er, "Ich hab bloß nicht so gut geschlafen, das ist alles."
Er spürte den misstrauischen Blick seiner Mitbewohner, insbesondere den von Scott, auf sich ruhen. Es war dem schlanken Mann beinahe unerträglich so auszuharren, bis Kirstie endlich sagte: "Er wird schon noch wach."
Damit war die Sache glücklicherweise abgeschlossen."Ich freu mich ja so für dich!", rief ihre große Schwester aus, "Endlich kannst du dir deinen Traum erfüllen!"
Sina musste kichern. Sie konnte das Strahlen ihrer Schwester auch durch das Handy durch hören.
"Ja, ich freue mich auch, allerdings steht noch einiges an Renovierungsarbeit an, bis ich mein Café eröffnen kann. Das Haus ist ganz schön alt und war lange nicht in Gebrauch."
"Ich verstehe.", antwortete Tanja, "Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid und ich nehme mir frei."
"Danke.", antwortete die Frau mit den rotblonden Haaren lächelnd, "Ich melde mich."
"Na dann, kleine Schwester. Du wirst sicher die beste Cafébesitzerin in ganz Warnemünde!", beendete Tanja das Gespräch, "Bis bald!"
"Ja, bis bald.", sagte Sina noch und legte auf.
Innerlich musste sie grinsen, freute sich die junge Frau doch selbst über die schönen Neuigkeiten. Sie war gerade einmal fünfundzwanzig und schon hatte sie das erreicht, was sie sich seit ihrem achten Geburtstag wünschte. Nie hatte sie gedacht, so schnell eine Gelegenheit zu bekommen, ihr eigenes Geschäft zu eröffnen. Die schlanke Frau wusste auch schon, wie sie es nennen würde: Café Seerose."Warum hast du uns das nicht schon heute Morgen gesagt?", wollte Mitchell in einem leicht vorwurfsvollen Tonfall von dem Braunhaarigen wissen.
Dieser blickte ihm einfach nur starr in die Augen, so wie die anderen ihm.
"Ich fand den Zeitpunkt nicht angemessen.", erwiderte Avriel ehrlich.
"Du kannst uns doch immer alles erzählen.", erklärte ihm die Blonde und brachte ihn damit leicht zum Lächeln.
"Das weiß ich.", gab er schlicht zurück.
"Du sagst also, du brauchst eine Pause?", hakte nun Scott nach.
Avi nickte stumm.
Die vier Sänger schauten sich eine Weile gegenseitig an, sprachen sich mit ihren Augen ab und Kevin teilte dem bärtigen Mann, nach einem kurzen Nicken der anderen, schließlich mit: "Gut. Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Dann machen wir in der Zeit wohl auch Urlaub. Ich wollte eh schon lange einmal wieder bei meinen Eltern vorbeisehen."
"Und wir machen uns einfach eine angenehme Zeit, stimmt's Jungs?", stimmte Kirstie mit ein.
Die anderen beiden nickten grinsend.
"Danke", konnte Avi Kaplan nur sagen, denn mehr kam ihm in dem Moment nicht über die Lippen.
"Nichts zu danken. Wir verstehen dich ja. Für uns war es die letzten Monate auch nicht leicht. Eine kleine Auszeit tut uns wohl allen gut.", lächelte Kirstie erneut und erhielt dafür ein zustimmendes Nicken der anderen Sänger.
Wieder einmal wurde dem Mann mit der Bassstimme vor Augen geführt, warum Pentatonix so gut funktionierte. Sie waren nicht nur eine Band, sie waren Freunde und das bedeutete ihm unglaublich viel.
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Basstone
FanfictionEine kurze Auszeit von all dem Rummel sollte es werden. Avi brauchte einmal Zeit für sich. Ohne Fans, ohne Pentatonix, ohne YouTube. Sein Ziel war Deutschland. Hier, so hoffte er, würde er in Ruhe abschalten können, doch dort geschah etwas, das sein...