Kräftige Schritte näherten sich ihr. Für gewöhnlich ignorierten sie die Menschen hier am Strand, zu sehr waren sie mit sich selbst beschäftigt, doch diese schien mit ihr reden zu wollen. Warum wusste Sina zwar nicht, aber das würde sie sicher bald herausfinden.
Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gedacht, fiel schon ein Schatten, der wohl zu dieser Person gehören musste, auf ihr Buch und aus dem Augenwinkel konnte die junge Frau zwei Beine sehen, die in einer schwarzen Jeans steckten.
Noch bevor Sina ihren Kopf von den abgedruckten Zeilen des Romans heben konnte, hörte sie bereits die tiefe Stimme des Mannes reden.
"Hallo. Ich hoffe, ich störe nicht.", richtete er freundlich das Wort an sie.
Nun richtete sie ihre Augen nach oben und erblickte ihre Bekanntschaft aus der Bar. Ein Lächeln zog sich über die Lippen der jungen Frau, als sie seines sah.
"Nein, du störst nicht. Setz dich doch.", antwortete Sina und deutete mit ihrer rechten Hand auf ein freies Stück Decke neben sich.
Der Braunhaarige nickte schweigend, was seine Locken, die unter der Mütze hervorschauten, zum Wippen brachte und ließ sich neben ihr nieder.
Währenddessen kramte die Frau mit den rotblonden Haaren in ihrer Tasche nach etwas, das sie als Lesezeichen verwenden konnte, aber irgendwie schien sich nichts dafür zu eignen. Nach gefühlten Stunden gab sie es auf und klappte das Buch einfach zu. Sie würde die Stelle, an der sie aufgehört hatte zu lesen, schon wiederfinden.
Als sich Sina nun ihrem Besucher zuwandte, erschrak sie, als sie direkt in seine tiefgrünen Augen, die von leichtem Braun durchzogen waren, sah. Sie hatte nicht gemerkt, dass er sie die ganze Zeit über gemustert hatte.
Avriel schien sich wohl ertappt zu fühlen, denn kaum hatten sich ihre Blicke gekreuzt, schaute er verlegen zu Boden.
So wie er nun da saß, konnte sich die junge Frau ein Grinsen nicht verkneifen.
"T-tut mir leid.", murmelte er vor sich hin.
"Was denn?", fragte Sina, obwohl sie genau wusste, was er damit gemeint hatte.
"Ich... Ich wollte nicht..."
"Schon okay.", unterbrach sie den Mann neben sich, während er mit den Worten kämpfte. "Du kannst ruhig weiter gucken. Ich hab nichts dagegen."
Nun grinste sie ihn noch breiter an. Sina wusste nicht warum, aber es machte ihr Spaß, ihn ein wenig aufzuziehen.
Verlegen senkte Avriel seinen Kopf noch weiter und fuhr mit seiner rechten Hand durch den Sand vor ihm, nur im Moment darauf zu beobachten, wie ihm dieser durch die Finger rann.
So blieb es einige Zeit still, bis sich der Mann neben ihr doch dazu entschied, diese Stille zu durchbrechen. Sie schien ihm immer unangenehmer zu werden.
"Was liest du da eigentlich?", wollte er mit Blick auf das Buch, das Sina noch immer auf ihrem Schoß liegen hatte, wissen.
Ein kurzes Lächeln zog sich über ihr Gesicht, dann gab sie ihm die Antwort auf seine Frage: "Seelengleich."Viele Minuten schwieg er und hörte nur ihrer melodischen Stimme dabei zu, wie sie ihm in alle Facetten beschrieb, welchen Inhalt das hellgraue Buch in ihren Händen hatte. Er selbst interessierte sich nicht wirklich fürs Lesen, doch Sina schien diese Aktivität vollkommen zu erfüllen. Wie sie strahlte, wenn sie über das Lesen sprach...
Gedankenverloren beobachtete Avriel sie dabei, hörte ihr kaum noch zu.
"Hast du ein Lieblingsbuch?", riss ihn die schöne Frau aus seiner Trance.
"Hm?", konnte der Basssänger zuerst nur antworten. Noch hatte er nicht vollkommen realisiert, dass sie etwas von ihm hatte wissen wollen.
Es dauerte noch einen Augenblick länger, in dem Sina ihn leicht grinsend ansah, bis Avi ihr schließlich erklärte: " Ich... Ähm... Ich lese ehrlich gesagt nicht so oft. Es ist lange her, dass ich dazu Zeit hatte."
Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Schon wieder hatte er sie angestarrt. Das war ihm so unangenehm...
Nun zog sich Erstaunen auf das Gesicht der Rothaarigen.
"Nicht? Oh... Das ist schade. Ich finde, beim Lesen kann man sich immer so herrlich entspannen. Naja ich zumindest. Aber was hat dich denn davon abgehalten, die Nase in Bücher zu stecken?"
Bei dieser Frage zuckte Avriel innerlich zusammen, hoffte aber, dass sie ihm das nicht ansah. Natürlich war es seine Arbeit gewesen, die ihn voll und ganz gefordert hatte, doch das konnte er ihr nicht erzählen. Oder vielleicht doch? Er müsste ja nicht erwähnen, woraus seine Arbeit bestand. Aber was wäre, wenn sie nachfragen würde? Was sollte er ihr dann sagen? Nein, seine Arbeit wollte er lieber garnicht erst ansprechen. Sollte er ihr überhaupt von seiner Musik erzählen? Irgendetwas in ihm drängte ihn dazu, doch war das wirklich klug?
Bevor er noch weiter darüber nachdenken konnte, hörte Avi Kaplan sich schon sagen: "Ich verbringe meine wenige Freizeit lieber mit meiner Gitarre."
Geschockt über sich selbst sagte er nichts weiter. Innerlich zitternd wartete der amerikanische Sänger auf eine Reaktion der schönen Frau.
Diese ließ auch nicht lange auf sich warten.
"Du spielst Gitarre?"
Avriel nickte lediglich.
Sina schmunzelte, als sie meinte: "Das wollte ich auch immer lernen..."
"Warum hast du es dann nicht?"
"Ach, ich weiß auch nicht.", seufzte Sina, "Es hat sich irgendwie nie ergeben."Lange noch saß sie neben ihm auf der Decke am Strand und unterhielt sich mit ihm. Sie wusste nicht warum, aber alles was er ihr erzählte, klang für sie so unglaublich interessant. Er war ein besonderer Mensch, das hatte sie schon zuvor gewusst, doch nun war es ihr auf irgendeine sonderbare Weise noch klarer geworden. Obwohl er alles hätte machen können, was seine Umgebung ihm anbot, saß er hier mit ihr auf der kleinen, gepunkteten Decke und tauschte sich mit ihr über die verschiedensten Themen aus.
Als Sina schließlich nach langer Zeit ihren Blick wieder von ihm abwandte, war es schon längst dunkel geworden. Sie hatte nicht bemerkt, dass es bereits so spät geworden war.
Langsam stand sie auf und erklärte Avriel, dass sie nun nach Hause musste.
Der Mann mit den dunkelbraunen Haaren, denen der Mond einen silbernen Glanz verlieh, nickte höflich, stand ebenfalls von ihrer Decke auf und half ihr dabei, das Stück Stoff so gut wie eben möglich vom Sand zu befreien.
Als die beiden damit fertig waren, reichte Sina ihm zum Abschied die Hand und drehte sich dann zum Gehen um. Sie spürte seinen Blick auf ihrem Rücken ruhen und schmunzelte, drehte sich aber nicht noch einmal in seine Richtung.
Schritt für Schritt entfernte sie sich von dem Platz, an dem sie zusammen den Tag verbracht hatten.
DU LIEST GERADE
Basstone
FanfictionEine kurze Auszeit von all dem Rummel sollte es werden. Avi brauchte einmal Zeit für sich. Ohne Fans, ohne Pentatonix, ohne YouTube. Sein Ziel war Deutschland. Hier, so hoffte er, würde er in Ruhe abschalten können, doch dort geschah etwas, das sein...