Kapitel 12

200 17 10
                                    

Der Tag am Strand war unglaublich schön gewesen. Das leise rauschende Meer und die helle Sonne hatten ihn einmal mehr alles um ihn herum vergessen lassen. Gegen Abend, als die Sonne sich allmählich auf den rot glühenden Horizont zubewegt hatte, war er schließlich zu seiner Wohnung zurückgekehrt.
Nun saß er hier in einem der Ledersessel und schaute durch die bodentiefen Fenster hinaus in den dämmrigen Kurpark. Zwei Wochen seiner Auszeit waren bereits um... Avriel hatte garnicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Er hatte einfach so in den Tag hineingelebt und nur das getan, was ihm Freude bereitet hatte. Bis auf die Nachrichten zu Beginn seines Urlaubs hatte er sich nicht mehr mit seinen Bandkollegen und Freunden in Verbindung gesetzt. Vielleicht machten sie sich bereits Sorgen, denn eigentlich hatten sie sich gegenseitig versprochen, regelmäßig miteinander zu schreiben, aber Avriel war einfach mit seinen Gedanken immer woanders gewesen. Erst war es die Einsamkeit gewesen, die seinen ganzen Kopf ausgefüllt hatte, dann die rothaarige Frau... Der Basssänger wusste selbst, dass er sich nicht zu sehr an diese Gedanken heften sollte, doch sie wollten ihn einfach nicht loslassen...
Avriel beschloss, um wieder von den Gedanken an Sina loszukommen, sich endlich wieder mit seinen Freunden in Verbindung zu setzen. Er holte sein Handy vom Küchentresen und begann sofort mit der Nachricht für Kevin.
Hey Kevin :)
Wie geht es dir und deinen Eltern? Ich hoffe, es geht euch gut. Mir geht es hier jedenfalls blendend. Richte ihnen schöne Grüße von mir aus!
Avi.
Nachdem er die wenigen Zeilen abgeschickt hatte, widmete er sich den Nachrichten für Mitchell und Scott.
Hallo Scott,
Ich habe gedacht, ich melde mich mal bei dir. Ich hoffe, ihr werdet von Kirstie nicht zu sehr herumgescheucht ;) Genießt die Ruhe, wenn ihr überhaupt mal in Ruhe gelassen werdet.
Liebe Grüße
Avi.
Mit seinem rechten Zeigefinger bestätigte er das Absenden der kurzen Nachricht und machte sofort daran, die nächste zu schreiben. Da Avriel schon damit rechnete, dass Kirstie und Scott sowieso alles mitlesen würden, entschloss er sich, diese SMS etwas länger ausfallen zu lassen.
Na Mitch :)
Wie geht's dir? Mir geht es jedenfalls gut. Ich genieße die Ruhe des Meeres und schlafe mal so richtig aus. Es ist einfach mal schön, nicht mit Auftritten, Interviews und Fanpost belagert zu werden. ;) Das Wetter hier wird von Tag zu Tag schöner und es ist auch nicht mehr so kalt wie vor zwei Wochen.
Ich will dir, und den anderen natürlich auch, noch einmal für dein Verständnis danken. Was wäre ich nur ohne euch?
Ihr seid die Besten!
Avi.
Jetzt war nur noch Kirstie übrig. Ihr wollte er aber nicht schreiben, zuviel gab es zu erzählen. Nein, mit ihr wollte er direkt sprechen.
Avriel wählte sofort die Nummer seiner besten Freundin, lauschte dem Tuten seines Handys und wartete geduldig, doch niemand hob ab. Dabei hätte er doch so gern wieder ihre Stimme vernommen...
Kirstie, bitte ruf zurück., sendete er ihr noch und legte dann sein Smartphone beiseite.
Der Basssänger beschloss duschen zu gehen. Vielleicht konnte er sich dabei ja schon einmal überlegen, was er Kirstie eigentlich alles erzählen wollte.
Doch dazu kam es nicht. Kaum hatte Avriel die Klinke der Badtür mit seinen Fingern umschlossen, vernahm er auch schon die Melodie von 'Ain't no sunshine', die von der Mitte des Wohnbereiches ausging. Schnellen Schrittes bewegte er sich zum Wohnzimmertisch hin, wo das schwarze Smartphone schon Kirstie's bezauberndes Lächeln auf dem großen Display abbildete. Mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen bestätigte er die Annahme des Telefonats.
"Hey Kirstie!"
"Hallo Avi! Was gibt's?", begann seine beste Freundin das Gespräch.

"Bitte sei vorsichtig. Du weißt nicht, ob sie dich nicht doch kennt.", richtete die Frau auf der anderen Seite der Telefonleitung ihre Worte an ihn.
"Kirstie. Ich weiß, dass ich mich vorsehen muss, aber Sina geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf... Ich weiß nicht warum."
"Denk daran, du hast sie nur einmal getroffen.", wies ihn die Blondhaarige erneut auf ihre Bedenken hin.
"Und genau deswegen wundert es mich ja, dass ich so oft an sie denke... Du kennst mich gut genug um zu wissen, dass ich eigentlich nicht so schnell neue Sympathien für fremde Personen entwickle. Doch bei Sina...", erwiderte Avriel und fuhr sich nachdenklich durch die Haare.
"Vielleicht ist sie so, wie du sie dir vorstellst, vielleicht spielt sie dir aber auch nur etwas vor. Du bist berühmt, bitte vergiss das nicht. Und du bist in Deutschland, um deine Ruhe zu haben, nicht um dich zu verlieben. Bitte sei vorsichtig, Avi.", redete die junge Sängerin weiter.
"Schon gut. Du hast ja Recht.", lenkte Avi Kaplan ein. "Danke."
"Wofür?"
"Dafür, dass du dir die Zeit genommen hast mir zuzuhören."
"Das ist doch selbstverständlich.", hörte er Kirstie lächeln, "Es war schön, wieder einmal mit dir zu reden."
"Ja, mit dir auch. Ich melde mich bald wieder bei dir und den Jungs.", antwortete er mit tiefer Stimme in den Hörer.
"Bis bald, Avi.", verabschiedete sich seine beste Freundin und legte auf.

Ein letztes Mal ließ Sina ihren Blick über die kleine Halle, in der sie viele der letzten Jahre verbracht hatte, schweifen. Irgendwie würde sie das schon alles vermissen, auch wenn der Abschied hieß, sich endlich den größten Traum der eigenen Kindheit zu erfüllen.
Mit glatt gezogener, eng anliegender Arbeitskleidung, dem grauen Mantel und ihrer Handtasche über dem linken Arm stand sie neben der Tür. Sie war bereit zu gehen, musste aber noch auf Josua warten, der sie von ihrem Dienst ablösen sollte, so wie er es schon so viele Male zuvor getan hatte.
Ein leiser Seufzer hallte von den glatten Wänden des Raumes wider. Sina musste zugeben, dass ihr die Arbeit hier doch mehr Freude bereitet hatte, als sie zu Beginn geglaubt hatte. Außerdem war so die enge Freundschaft zu dem blonden Mann entstanden, der gerade grinsend um die Ecke kam.
"Na?", fragte er Sina in einem gut gelaunten Ton, "Bereit, dich in deine neue Arbeit zu stürzen?"
Seine gute Laune war so ansteckend, dass sie nicht anders konnte, als mit einem Lächeln auf den Lippen zu erwidern: "Naja. Bis ich meine Arbeit wirklich aufnehmen kann, steht noch einiges bevor. Aber ja, ich freue mich. Trotzdem werde ich alles hier vermissen..."
Josua nickte verständnisvoll.
"Die letzten Jahre waren wirklich schön. Mir wird hier etwas fehlen, aber wir sehen uns ja trotzdem noch."
Sina musste einmal schwer schlucken. Obwohl das hier kein Abschied für immer war, fühlte es sich dennoch so an. Die Zusammenarbeit mit ihrem besten Freund war sie nie richtige Arbeit gewesen. Nein, für die rothaarige Frau war es mehr Freude als Last gewesen.

BasstoneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt