Kapitel 39

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Sina lehnte lächelnd an seiner Schulter. Sie saßen an ihrem Lieblingsplatz und sahen der blutroten Sonne dabei zu, wie sie allmählich in den blauen Fluten des Meeres versank. Avriel hatte seinen Arm um sie gelegt und seinen eigenen Kopf auf ihrem abgelegt. Ab und zu spürte die junge Frau, wie weiche Lippen sanft auf ihre Haare küssten, was ihr jedesmal ein weiteres Lächeln über ihr Gesicht huschen ließ.
Sina kuschelte sich noch näher an ihn heran und betrachtete dabei die letzten Sonnenstrahlen des Tages, wie sie noch etwas wärmend auf den weißen Sand und ihre beiden Körper fielen. Sie hätte sich jeden Abend wieder hierher setzen können und nie hätten ihre Augen das Gleiche erblickt. Kein Sonnenuntergang war je vergleichbar mit einem anderen gewesen und alle waren sie von atemberaubender Schönheit.
Dass der Braunhaarige nun neben ihr saß und mit ihr gemeinsam das Farbenspiel genoss, machte den Abend nur noch perfekter. Sie spürte die Wärme seiner Arme durch ihren ganzen Körper fahren und ein vertrautes Kribbeln in ihrer Magengrube verursachen.
Lächelnd blickte die junge Frau zu ihm auf. Das rote Sonnenlicht tauchte seine sonst so tiefbraunen Haare in einen rötlich-braunen Schimmer und die abendliche Meeresbrise ließ seine Locken, die es geschafft hatten unter seiner schwarzen Mütze hindurchzuschauen, fröhlich tanzen. Sein Gesicht zeigte, wie jedesmal wenn sie ihn betrachtete, keinen einzigen Makel und die sonst grün-braunen Augen leuchteten in einem lodernden Rot auf. Sie war ja so glücklich darüber, dass er bei ihr war...
Sina wandte ihren Blick wieder der majestätischen Natur vor ihnen zu und harrte so aus, bis auch der letzte Sonnenstrahl keinen Weg mehr zu ihnen fand und die, vor kurzem aufgezogenen, Wolken wieder ihre übliche weiß-graue Farbe annahmen.

Das Rauschen der sanften Wellen, die nun um seine Füße spülten, füllte beinahe seinen gesamten Kopf aus. Die junge Frau und er schlenderten schon einige Zeit Hand in Hand durch den nassen Sand, doch er nahm ihre Anwesenheit kaum noch wahr, zu durchdringend war das Gefühl, das er sich doch befohlen hatte in Gegenwart der wunderschönen Frau zu verdrängen. Unter keinen Umständen sollte sie bemerken, wie er sich gerade innerlich fühlte. Um mit ihr über seine Abreise zu reden, war er noch nicht bereit. Daher kam es ihm ganz gelegen, dass er aus der Ferne sanfte Klänge zu sich herüberdringen hörte.
Auch wenn ihm eigentlich gerade nicht danach war, schmunzelte er. Avi war so lange schon nicht mehr tanzen gewesen...
Ihre Füße trugen sie immer näher zu der Quelle der Musik. Er hoffte, ihr würde es gefallen, wenn sie ein wenig gemeinsam tanzten.
"Hörst du das?", raunte er der hübschen Rothaarigen zu.
"Hm.", bestätigte Sina. "Das kommt bestimmt von dem Pärchenabend, der einmal aller drei Monate hier stattfindet."
"Pärchenabend?"
Avi Kaplan grinste.
"Wie gut, dass wir zu zweit sind."
Leicht entgeistert schaute sie ihn an.
"D-Du willst doch da nicht etwa hin?"
"Wieso nicht?"
Weiter näherten sie sich den melodischen Klängen. Der Basssänger konnte bald auch schon die Fackeln sehen, die einen Teil des Strandes und ein mittelgroßes, weißes Zelt beleuchteten, vor dem einige Paare Arm in Arm tanzten.
"Avriel, ich kann nicht tanzen. Ich konnte es noch nie.", sagte Sina leise, doch laut genug, dass der Schlanke die unterschwellige Angst, die in ihrer Stimme lag, heraushören konnte.
"Du brauchst keine Angst zu haben.", lächelte er ihr sanft zu und streichelte ihr beruhigend über ihren Handrücken.
"Ich will uns nicht blamieren."
"Das wirst du nicht, keine Sorge.", lächelte er ihr aufmunternd zu. "Bitte."
Die Rothaarige seufzte.
"Also gut... Aber nur ein Lied lang."
"Ein Lied.", nickte er.

In sanften, leisen Tönen fadete die Ballade aus, doch die junge Frau hörte nicht auf, ihren Kopf an Avriels Brust anzulehnen und, mit den Händen um seinen Oberkörper gelegt, kleine Schritte im vergehenden Rhythmus des Liedes zu machen.
Als schließlich der letzte Ton verstummt war und viele der Paare zueinander blickten, einige davon sogar die Tanzfläche verließen, hörte Sina den schlanken Mann leise sagen: "Danke, dass du mit mir getanzt hast."
Sein ganzer Brustkorb vibrierte unter seiner tiefen Stimme. Noch eine Eigenschaft an ihm, die die junge Frau so liebte...
Gerade wollte er sich von ihr lösen und mit ihr, wie er es versprochen hatte, von diesem Ort verschwinden, da legte sie behutsam seine Hände dorthin zurück, wo sie vorher geruht hatten. Sina wollte noch nicht gehen, dafür war der vergangene Moment viel zu schön gewesen.
"Nein. Bitte, lass uns bleiben."
Avriel lächelte nur sanft und ließ sie ihren Kopf wieder an seinen Brustkorb legen. Das nächste Lied hatte bereits begonnen und die beiden Verliebten bewegten sich aneinander geschmiegt im Takt des ruhigen Songs.
Ton um Ton, Melodie um Melodie verbrachten sie so, bis irgendwann, es musste wohl gegen Mitternacht sein, das letzte Lied verspielt war. Lächelnd und ohne ein Wort zu wechseln verließen Sina und Avriel den Strand. Noch immer, als wäre es der Abend ihres ersten Kusses, hörte sie ihr Herz laut in ihrer Brust schlagen. Jede noch so kleine Berührung des Braunhaarigen elektrisierte sie noch stärker, als es die vorherigen getan hatten. Wenn sie doch nur in Worte fassen könnte, was sie wirklich für ihn empfand, wie tief sie sich mit ihm verbunden fühlte... Ein einfaches 'Ich liebe dich'? Ein viel zu schwacher Ausdruck für ihre Emotionen. Am besten konnte sie ihm ihre Empfindungen noch immer durch ihre Gesten ihm gegenüber zum Ausdruck bringen.

"Können wir heute hier schlafen? Ich bin zu müde, um noch weiterzulaufen.", hörte er Sina fragen, als sie kurz vor ihrem Haus stehenblieben.
"Wenn du das möchtest."
"Ja, bitte.", gähnte sie.
Die Rothaarige konnte kaum noch die Augen offen halten. Sie musste wohl wirklich schrecklich müde sein.
"Schließt du uns auf?"
"Was? Ähm... Ja, natürlich.", entgegnete sie schlaftrunken.
Leicht grinsend zog Avi Kaplan den Schlüsselbund der jungen Frau von der Tür ab, wo sie ihn einfach hatte stecken lassen und nun schon auf dem Weg zur Treppe war. Dabei lief sie mehrfach beinahe gegen irgendwelche Einrichtungsgegenstände und Kisten.
Der Braunhaarige musste schmunzeln. Sina war wirklich todmüde, so wie sie gerade durch ihr Café schlurfte...
"Warte!", sprach er ihr halblaut zu.
Augenblicklich blieb sie leicht wankend stehen.
Avi holte mit schnellen Schritten zu ihr auf und hob sie hoch. In dem Zustand, in dem sie nunmal gerade war, konnte sie unmöglich die Treppe hinaufsteigen. Sie würde sich noch verletzen.
"Halt dich fest.", flüsterte er ihr zu.
Müde seufzend verschränkte die Frau mit den fuchsroten Haaren ihre Arme in seinem Nacken, dann machte er sich auf den Weg ins Obergeschoss. Zum Glück hatte Sina darauf bestanden, neben einer Matratze auch zwei Kopfkissen, Decken und die dazu passenden Bezüge zu kaufen. So konnte Avriel sie einfach auf dem Bett ablegen, ihr liebevoll Schuhe und Jeans ausziehen und sich dann, nachdem er dasselbe bei sich getan hatte, neben sie legen.
Müde grummelnd rückte sie näher an ihn heran und kuschelte sich bei ihm ein.
Avi legte sanft seinen Arm um ihre Taille und schloss auch seine Augen.

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