Kapitel 18

135 16 14
                                    

Seit sie sich auf den Balkon begeben hatte, hatte sie keinen Laut mehr von ihrem Gast vernommen. Sina hatte sich ausschließlich ihren Gedanken und durcheinanderfließenden Gefühlen gewidmet und Avriel dabei vollkommen vergessen. Wer weiß, was er nun von ihr dachte...
Um nicht gänzlich unhöflich zu erscheinen, hatte Sina beschlossen, sich wieder ins Innere des Hauses zu begeben und erneut zu versuchen ein Gespräch mit ihm anzufangen, auch wenn ihr das wohl schwerer fallen würde, als bei ihren vergangenen Treffen. Sie konnte nur hoffen, dass sie sich von seiner Stimme und seinem Lächeln nicht wieder so aufwühlen ließ, wie gerade eben noch...
Ruckartig drehte sich die junge Frau von dem Blick auf die Sterne weg und wollte schnellen Schrittes die Balkontür durchqueren, doch so weit kam sie nicht. Irgendetwas hatte ihr im Weg gestanden und sie war dagegengelaufen. Hatte sie vielleicht vergessen, dass sie die Tür hinter sich zugeschoben hatte? Nein, das konnte es nicht sein. Das, wogegen sie geprallt war, hatte keine Kälte an sich, so wie es die glatte Glasscheibe gehabt hätte. Es war warm und irgendwie... weich.
Noch immer mit Erstaunen in ihrem Gesicht hob Sina langsam ihren Blick, um endlich erkennen zu können, was ihr im Weg gestanden hatte.
Im schimmernden Mondlicht konnte sie den glatten, dunkelblauen Stoff und die kleinen Knöpfe erkennen, die sie schon einige Zeit zuvor an dem Hemd des braunhaarigen Mannes bemerkt hatte. Doch nun konnte sie sogar die feinen Punkte an ihren Rändern sehen, so nah war sie ihm.
Kaum realisierte die junge Frau, dass sie gerade direkt vor Avriel stand, begann ihr Magen wieder verrückt zu spielen.
Langsam hob sie ihren Kopf weiter. Ihre Augen trafen seine. Sinas, kurz zuvor noch vorhandene, Konzentration war mit einem Mal wieder verschwunden. Sein frischer Duft umhüllte sie und raubte ihr den Verstand. Mit seinen glänzend grünen Augen musterte er sie ohne jegliche Regungen und erzeugte damit ein starkes Kribbeln in ihrem Bauch. Dort, wo sie gegen ihn gelaufen war, lagen noch immer ihre Hände auf seinem Brustkorb. Sie schienen in Flammen zu stehen, so glühten sie, doch die junge Frau konnte sich keinen Zentimeter bewegen. Zum zweiten Mal am heutigen Tage hatte sie die Kontrolle über ihren Körper verloren. Sie spürte ihn zwar, konnte sich aber nicht rühren. Wie angewurzelt blieb die Rothaarige vor ihm stehen und betrachtete sein Gesicht. Avriel war ihr so nah, dass sie sogar seinen warmen Atem auf ihren Wangen spüren konnte. Seine Nähe ließ Sina keinen klaren Gedanken mehr fassen und sie vernahm das immer schneller werdende Pochen ihres Herzens in ihren Ohren. Alles in der jungen Frau spielte verrückt, doch sie konnte nichts dagegen tun, nur ihm in die Augen schauen, seinen Atem fühlen...
Wie in Trance huschten ihre Blicke immer und immer wieder über Avriels Gesicht, das mittlerweile so unglaublich viel Wärme ausstrahlte, wie sie es bei ihm noch nie gesehen hatte. Sonst war sein Blick immer kühl, zu Beginn sogar abweisend, gewesen, doch jetzt in diesem Moment... Sina spürte, wie sich die Hände des Mannes auf ihren Rücken legten und sie noch näher zu ihm heranzogen. Sein Atem wurde, ebenso wie ihr eigener, immer schneller und Sinas Blick vertiefte sich immer häufiger in die, im Mondlicht funkelnden, grünen Augen, die sie soviel Nähe und Geborgenheit spüren ließen...

Alles in ihm drehte sich nur noch um die atemberaubende Schönheit in seinen Armen. Avi Kaplan spürte ihre zarten Hände auf seiner Brust, ihren Atem auf seinen Lippen und ihren erstaunten und doch sanften Blick, der über sein gesamtes Gesicht wandelte. Auch wenn ihm sein Verstand sagte, er solle seinem Verlangen nicht nachgeben und einen Schritt zurücktreten, konnte er das nicht. Es war dem Basssänger unmöglich, ihre blaugrünen Augen auch nur eine Sekunde aus seinen Blicken zu befreien. Sinas Nähe zog ihn vollkommen in den Bann, hypnotisierte ihn und ließ alle Vernunft verschwinden. Er fühlte sich, als würde etwas in ihm an ihm ziehen, hin zu den zarten Lippen der bezaubernden Frau vor ihm.
Langsam näherte er sich ihrem Gesicht. Avi spürte ihren warmen Atem, roch ihren süßen Duft und fühlte ihre Fingerkuppen, wie sie sich auf seine Wangen legten. Innerlich lächelte er, während der braunhaarige Mann den zarten, rosafarbenen Lippen immer näher kam. Er war so glücklich in diesem Moment.
Wieder und wieder huschte Kirsties Stimme durch seinen Kopf, die ihn warnte und zur Vorsicht bat, doch Avriel ignorierte sie. Er konnte nicht auf sie hören, er wollte es nicht. Dieser Moment gehörte nur ihnen, kein Platz für Zweifel und Ängste.
Sina war eine einzigartige Frau, das wusste er. Noch nie hatte es jemand geschafft, ihn dermaßen zu fesseln, solche starken Gefühle in ihm auszulösen, dass er ihnen nicht mehr mächtig war. Er konnte sie einfach nicht mehr kontrollieren. Nur die junge Rothaarige vor ihm konnte dieses intensive Kribbeln in ihm auslösen.

Der weiche Bart unter ihren Fingerkuppen ließ die Wärme der darunterliegenden Haut ihren ganzen Körper durchströmen. Es war ein wohliges und doch unfassbares Gefühl für sie, ihm gerade in diesem Moment so nahe zu sein. Ihr ganzer Körper kribbelte, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und wollte sich wohl nie wieder beruhigen. Für Sina fühlte es sich so an, als wäre das der Augenblick gewesen, auf den sie seit ihrer ersten Begegnung mit Avriel gewartet hatte. Deswegen war er ihr aufgefallen, deswegen hatte sie ihn aufmuntern und in ein Gespräch verwickeln wollen und deswegen, so schien es, interessierte sie sich so für diesen Mann, der vor ihr noch immer so viele Geheimnisse barg...
Die runden Augen der Frau mit den rotblonden Haaren huschten immer schneller, immer aufgewühlter zwischen seinen tiefen, hypnotisierenden Augen und den, mittlerweile sehr nahen, Lippen hin und her. Avriels Atem legte sich bereits gänzlich auf ihre weichen Lippen und bereitete ihr eine wohlige Gänsehaut.
Näher und näher kam er ihr. Bald trennten sie nur noch wenige Zentimeter und Sina wusste, dass es das war, was sie in diesem Moment wollte.
Gerade als Avriel seine Lippen auf ihre legen wollte, hörte Sina ein lautes Scheppern aus dem unteren Teil ihres Hauses. Augenblicklich zuckte sie zusammen und entfernte sich von ihm. Was war das für ein Geräusch gewesen?

BasstoneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt