Kapitel 30

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"Geschafft!", seufzte die junge Frau und betrachtete zufrieden die gerade erst angebrachte Tapete.
Avriel, der noch immer oben auf der metallenen Leiter stand, beobachtete sie schmunzelnd dabei. Mit einem strahlenden Lächeln schaute sie zu ihm hoch, was auch dem Braunhaarigen erneut schmunzeln ließ. Sie war so atemberaubend schön und es freute ihn, ihre Augen so leuchten zu sehen.
"Wir sind für heute fertig.", meinte sie.
"Hast du dann vielleicht", fragte Avi Kaplan, während er die Leiterstufen hinunterstieg, "Lust noch etwas mit mir zu unternehmen? So spät ist es ja noch nicht."
"Gern.", lächelte die Rothaarige. "Aber so kann ich mich nirgendwo blicken lassen... Und du auch nicht." Sina deutete auf ihre beklecksten Klamotten und dann auf Avi.
"Ach, sehe ich so schlimm aus?"
Er zog gespielt zweifelnd eine Augenbraue hoch. Natürlich wusste er, dass er nach der Aktion von vorhin aussehen musste, als wäre er in einen Farbtopf gefallen. Ebenso sah die junge Frau aus, was ihrer Schönheit aber in keinster Weise schadete.
Lachend erwiderte sie: "Na wenn du dich unbedingt so irgendwo hinbegeben willst, kannst du das gern tun. Ich geh jedenfalls erstmal nach Hause und mach mich etwas frisch.
Avriel nickte.
"Dann werde ich das wohl auch tun. Soll ich dich später abholen?"

Sina beeilte sich wie noch nie. Avriel würde sicher bald da sein und sie wollte ihn nicht warten lassen. Eilig kramte sie in ihrem Kleiderschrank nach passenden Klamotten, fand ihre Lieblingsjeans und ein hellblaues, mit indianischen Mustern versehenes T-Shirt und zog beides an. Jetzt musste sie nur noch ihre, noch immer triefend nassen Haare, föhnen, kämmen und in Form bringen.
Doch bevor sich die schlanke Frau überhaupt in ihr kleines Bad begaben konnte, klingelte es an der Tür.
Bitte lass das noch nicht Avriel sein!, dachte die Rothaarige bei sich, während sie noch immer mit dem blauen Handtuch um ihr Haare zur Tür ging.
Als sie diese öffnete, erblickte sie einen in Hemd und Jeans gekleideten Avriel, der sie freundlich anlächelte. Eigentlich hatte sie ihm so nicht unter die Augen treten wollen, aber jetzt war es dafür eh zu spät.
"Komm doch rein.", sagte sie daher und machte dem Braunhaarigen platz, damit er eintreten konnte.
Als er dies schließlich auch getan hatte und begann, sich mit seinen wunderschönen, grünen Augen neugierig umzusehen, entschuldigte sich Sina und verschwand wieder in ihrem Badezimmer. Eilig kämmte und föhnte sie ihre fuchsroten, langen Haare, trug noch ein wenig Wimperntusche auf und trat dann wieder hinaus in den Flur. Avriel konnte sie hier nicht erspähen. Er musste wohl in eines der anderen Zimmer gegangen sein.
Schon beim Eintreten ins Wohnzimmer sah sie, dass der schlanke Mann mit dem Rücken zu ihr auf der hellgrünen Couch platz genommen hatte, aber irgendwie wirkte er seltsam.
Vorsichtig ging Sina um das Sofa herum und musste sich ein Lachen bei dem Anblick verkneifen, der sich ihr nun bot. Avriel saß mit dem Kopf nach vorn geknickt und geschlossenen Augen da und atmete gleichmäßig. Er war eingeschlafen.

Verschlafen blinzelte er. Wo war er hier? Avriel konnte sich nicht mehr so wirklich daran erinnern, wie er hierher gekommen war. Ächzend setzte er sich auf und streifte dabei die braune Wolldecke, die über ihm gelegen hatte, von seinen Beinen. Er streckte sich gähnend und schaute sich um, um vielleicht auf diesem Weg ausfindig zu machen, wo er sich gerade befand.
In diesem Moment hörte er das leise Klappern von Geschirr und zarte Schritte auf dem hellen Holzboden. Kurz darauf trat die junge Frau mit den fuchsroten Haaren in sein Blickfeld und lächelte ihn sanft an.
"Guten Morgen, Schlafmütze."
Sina stellte das Tablett mit köstlich duftendem Kaffee und ein paar goldgelben Brötchen auf dem hölzernen Couchtisch vor ihm ab und gesellte sich zu ihm. Belustigt schaute sie ihn von der Seite an. Sofort fragte er sich, was wohl so amüsant an ihm war, dass die schöne Frau ihn so ansah.
"Danke für den Kaffee.", lächelte er sie an.
"Ich dachte mir, dass du vielleicht eine Tasse gebrauchen könntest.", meinte sie. "Das gestern war wohl doch etwas anstrengender für dich, als gedacht."
Überrascht zog Avi Kaplan eine Augenbraue hoch.
"Wie kommst du darauf?", wollte er wissen.
"Wer im Sitzen auf meinem Sofa einschläft und das innerhalb weniger Minuten, muss ganz schön müde sein.", grinste Sina.
Auf diese Aussage hin weiteten sich seine Augen.
"Mist! Das... Das tut mir schrecklich leid! Wir wollten doch was zusammen unternehmen..."
"Nicht so schlimm.", lächelte die Rothaarige. "Das holen wir schon noch nach."
Innerlich war Avriel froh, dass sie ihm seine Erschöpfung nicht übel nahm. Es war ja nicht die Arbeit des gestrigen Tages gewesen, die ihn so müde gemacht hatte. Vielleicht hatte sie ihm den Rest gegeben, aber der eigentliche Grund für seine Müdigkeit war sicher sein Schlafmangel der letzten Tage gewesen, den sein Körper nun mit aller Macht ausgeglichen hatte.
"Das wäre schön", gähnte der Basssänger und griff nach einer der Tassen.
Erneut schenkte die junge Rothaarige ihm ein bezauberndes Lächeln.
"Werd erstmal richtig wach, dann fällt uns schon was ein.", meinte sie nur und nippte an ihrem Kaffee.

Die nächsten Tage vergingen für Sina wie im Flug. Beinahe jeden Morgen besuchte Avriel sie in ihrem unfertigen Café, brachte meist ein kleines Frühstück mit, welches sie dann gemeinsam zu sich nahmen und half ihr beim Voranbringen der Renovierungsarbeiten. Jeden dieser Tage ließen sie mit einem gemeinsamen Strandspaziergang ausklingen.
Sina genoss die Zeit mit ihm. Jede Minute, die er bei ihr war, war sie glücklich. Was um sie herum geschah, kümmerte sie nicht mehr, wenn er ihre Hand nahm oder sie seine Arme um sich spürte. Der schlanke Mann mit den braunen Haaren nahm ihr Wesen voll und ganz ein, doch das störte sie in keinster Weise.
Bald schon war die Caféküche vollständig eingerichtet, nur noch ein paar Kleinigkeiten fehlten. Nun galt es, den Kundenbereich des Cafés sowie die Gästetoiletten fertig zu bekommen. Auch hierfür hatte ihr der junge Mann seine vollste Unterstützung zugesichert.
Mit jedem Tag, den sie so verbrachten, wurde Avriel wichtiger für sie, sodass sie sich ihn bald schon nicht mehr aus ihrem Leben wegdenken konnte. Sie fühlte sich geborgen bei ihm, doch der Kuss von damals wiederholte sich nie.

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