Kapitel 29

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Ungeduldig wartete er, bis auf sein Klopfen eine Reaktion folgte.
Hoffentlich ist Sina schon da..., dachte er bei sich, während seine Aufregung immer stärker wurde.
Avriel fing wieder an seine Hände zu kneten. Eine dumme Angewohnheit, meinte Mitch immer, aber er konnte es einfach nicht abstellen. Noch einmal klopfte er an die Tür und wartete.
Kurz darauf vernahm er das Klicken des Schlosses und eine verschlafen aussehende Rothaarige öffnete ihm. Sofort schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Sie sah schon irgendwie süß aus, so müde und überrascht, wie sie dreinblickte.
"Guten Morgen."
"Avriel? G-Guten Morgen.", antwortete sie und versuchte dabei ein Gähnen zu unterdrücken. "Komm doch rein."
Schmunzelnd ging der Braunhaarige an Sina vorbei und schaute sich erneut um.
"Willst du vielleicht einen Kaffee?", hörte er die junge Frau hinter sich fragen, woraufhin er sich in ihre Blickrichtung drehte und erwiderte:
"Nein, danke. Ich glaube, du brauchst den dringender, als ich."
Er sah mit an, wie die junge Frau kurz zu Boden blickte und dann wieder zu ihm sah.

Sina wusste garnicht, was sie von der jetzigen Situation halten sollte. Gerade noch war Avriel Mittelpunkt ihrer Gedanken gewesen und nun stand er vor ihr. Sie hätte nicht erwartet ihn wiederzusehen, erst recht nicht so früh am Morgen. Sicher, sie freute sich über seine Anwesenheit und spürte auch wieder das vertraute Kribbeln in ihrem Bauch, aber mit dem Wissen von gestern fühlte sie sich irgendwie auch unbehaglich. Sie wollte sich heute voll und ganz den Renovierungsarbeiten im Café widmen und wieder war ihre Konzentration dahin.
um nicht einfach nutzlos in der Gegend herumzustehen, ging die Rothaarige schließlich zu ihrem Rucksack, nahm die silberne Thermoskanne heraus und goss sich eine weitere Tasse Kaffee ein.
"Hast du was dagegen, wenn ich dir heute hier ein bisschen helfe?", vernahm sie die tiefe, samtige Stimme des Braunhaarigen nah hinter sich fragen.
Erschrocken zuckte sie zusammen. Sina hatte garnicht bemerkt, dass er zu ihr herübergekommen war, hatte keine Schritte auf dem Fliesenboden gehört.
"Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken."
"Nein, nein. Schon okay. Ich freue mich immer über Hilfe.", beschwichtigte sie ihn. "Ich könnte heute sogar sehr gut ein paar helfende Hände gebrauchen, aber warum bietest du mir deine Hilfe an, wo du doch Urlaub hast?"
"Warum nicht? Ich helfe gern.", lächelte er.
Ohne ihren Kaffee, den sie schon geraume Zeit wieder abgestellt hatte, weiter zu beachten, lief sie an Avriel vorbei, hin zu den Eimern Farbe, um auch ihm eine Malerrolle vorzubereiten. Die junge Frau war froh, ihm dabei den Rücken zuwenden zu können, konnte sie ihm doch nicht in die wundervollen, grünen Augen sehen, ohne immer wieder an das gestrige Gespräch mit Josua denken zu müssen.
Du magst ihn doch, oder?, hörte sie ihren besten Freund erneut fragen.
Ja, sie mochte Avriel, da bestand nicht der geringste Zweifel. Sie fühlte dieses wunderschöne Kribbeln in seiner Gegenwart, diese Vertrautheit...
"Sina, ist alles in Ordnung?"
Diesmal war es die große, warme Hand auf ihrer Schulter, die sie zusammenzucken und ihr die Malerrolle aus den Händen gleiten ließ. Augenblicklich stand Sina auf, war aber nicht in der Lage, sich zu ihrem Gast umzudrehen. Sie spürte, wie sich seine Hände abermals auf ihre Oberarme legten und sie sanft zu sich umdrehten.
"Was ist los, Sina? Was hast du? Bitte sag es mir.", fragte sie der Braunhaarige mit einem besorgten Blick, der sein Gesicht überzog.
Die junge Frau überlegte, ob sie ihm wirklich anvertrauen sollte was sie wusste, oder nicht.
Warum eigentlich nicht? Er hat dir das doch eh schon erzählt...
"Sina?"
Nun blicke sie doch zu ihm auf.
"Ich... I-Ich... Es tut mit leid, dir nicht geglaubt zu haben. Du... Du bist wirklich berühmt, das weiß ich nun.", brachte sie mit aller Kraft heraus. Warum fiel es ihr so schwer, mit dem Braunhaarigen darüber zu reden?
Ihr Gegenüber schmunzelte.
"Du hast die Videos gesehen, stimmt's?"
Die Rothaarige nickte.
"Hattest du echt gedacht, dass ich mir sowas ausdenke?"
"I-Ich wollte dir glauben, aber es ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Es... Es fühlt sich einfach so komisch an, hier direkt vor dir zu stehen und zu wissen, dass hunderttausende von Menschen alles dafür tun würden, um dich einmal direkt vor sich stehen zu haben.", redete sie weiter, löste dabei keine Sekunde ihren Blick von seinen Augen.
"Ich bin froh, dass du mir jetzt glaubst.", meinte Avriel und legte eine seiner Hände auf ihre Wange. "Aber bitte denk nicht mehr darüber nach. Ich bin ein Mensch, wie jeder andere auch und ich stehe hier mit dir, der schönsten Frau, die ich kenne, nur weil ich das will. Mir war es wichtig, dass du es weißt, nicht weil ich dich damit beeindrucken wollte, sondern weil ich dir zeigen wollte, dass ich dich nie warten lassen oder vergessen würde.", raunte er weiter.
Sina stockte der Atem. Schön? Hatte Avriel sie gerade schön genannt? Sie wurde wieder rot.
"Danke... Denke ich.", konnte sie nur hauchen.
"Nichts zu danken. Ich habe nur das ausgesprochen, was ich denke.", schmunzelte der Mann mit der bassigen Stimme, strich ihm mit seiner linken Hand ein paar Strähnen ihres welligen, fuchsroten Haares hinters Ohr und schaute sie sanft an.

Avriel konnte es immer noch nicht in Worte fassen, wie gut es ihm damit ging, dass ihm die junge Frau endlich voll und ganz glaubte. Er spürte, wie ihr Kopf glücklich an seinem Brustkorb lehnte und ihre Arme ihn umfassten.
Er hingegen hatte seine eine Hand auf ihren Rücken gelegt und mit der anderen streichelte er über ihren Kopf. Der Braunhaarige liebte es, ihre Nähe spüren zu können, ohne dabei darauf achten zu müssen, dass ihn irgendwelche Fotografen oder Fans belauerten. Ja, er hatte der wunderschönen Frau in seinen Armen gesagt, dass er ein Mensch wie jeder andere war, was eigentlich auch stimmte, aber sin Beruf als Sänger einer bekannten Gruppe barg doch die ein oder andere Umstellung im Alltag. Doch das sollte sie nicht kümmern. Er wollte sie glücklich machen, so wie es jeder andere Mann auch hätte tun können, der nicht wie er bekannt war. Für diese zwei Monate, so hatte sich der Basssänger schon zu Beginn geschworen, wollte er kein Mitglied von Pentatonix sein, sondern ein ganz normaler Mann, der an diesem schönen Ort seinen Urlaub genoss.

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