XLVII Wir

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Mit jedem einzelnen Tag, der verstreicht, lerne ich kennen, wie schön es ist, wieder jemanden im Leben zu haben, bei dem man bereit ist, alles zu geben.

Anton und ich, wir führen eine stinknormale Beziehung. Wenn ich gewusst hätte, dass das überhaupt geht, hätte ich Anton wahrscheinlich nicht ständig versucht, wegzustoßen. Unter der Woche lernen wir häufig zusammen und gehen gemeinsam Mittagessen. Ich bin überrascht und erstaunt zugleich, wie viel Anton für die Schule tut und vor allem: Wie intelligent er ist! Natürlich habe ich ihn vorher nie als dumm eingeschätzt, sondern eher als ... gelassen. Gelassen, was die Schule angeht.

An manchen Wochenenden gammeln wir bei ihm zu Hause rum, schauen Fern oder knutschen auf dem Sofa. Oder beides zusammen. Bei mir ist das Risiko, dabei erwischt zu werden, relativ hoch, da meine Eltern im Hause sind. Bei ihm nicht, da sein Vater entweder den ganzen Tag im Büro ist oder, wenn er zu Hause sein sollte, sich in sein Arbeitszimmer verkriecht. Seine Mutter und Isabel sind ja beide in Cambridge.

An manchen Wochenenden sehen wir uns auch gar nicht. Wir haben uns nämlich abgesprochen, dass wir einander genug Freiraum geben wollen, um Freunde zu treffen, oder einfach nur um mal allein zu sein, falls man gerade genug von dem anderen hat und Abstand braucht. Das klingt jetzt nach einer perfekten Beziehung. Doch anders betrachtet ist diese Beziehung zerbrechlich. Sie befindet sich am Anfangsstatus. Anton und ich, wir sind beide unserer ersten großen Liebe begegnet. Er hat sie leidenschaftlich geliebt. Ich habe ihn leidenschaftlich geliebt. Jeder hatte wunderschöne Visionen für die Zukunft. Jedoch wurde diese brutal zerstört, sodass wir ebenfalls in den Abgrund gerissen wurden.

Wir rafften uns auf, und kämpften, um aus der Tiefe herauszukommen. Raus aus der deprimierenden Finsternis in das strahlende, hoffnungsvolle Licht. Als wir glaubten, es selbst geschafft zu haben, lernten wir jeweils den anderen kennen. Ich dachte, es sei das größte Pech meines Lebens, Anton begegnet zu sein. Aber ich weiß nun, dass erst durch ihn das letzte Fleckchen Finsternis in meinem Herzen beseitigt wird. Es wird erneut mit Licht und Hoffnung gefüllt.

Anton gibt mir den Mut, wieder lieben zu können. Ich will darum kämpfen, dass unsere Beziehung sich stabilisiert. Dass wir uns blind vertrauen.

Und dass ich seine unvergessliche zweite Liebe werde.


ENDE.


Wie wir uns nicht ausstehen konntenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt