XII Etwas

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„Willst du noch was trinken oder essen?", fragt mich Anton, der sich grad mit Pringles vollstopft. Wir sitzen nun seit einer halben Stunde im Wohnzimmer und warten auf Isabel.

„Nein, danke", entgegne ich knapp. Mann wo bleibt sie denn? Sie hat doch nicht etwa unser Treffen vergessen?

Die Stimmung zwischen mir und Anton ist ein wenig angespannt. Er hat mir nichts zu sagen und ich ihm auch nicht. Echt komisch, normalerweise plaudere ich gerne. Aber mit Anton ist das Ganze irgendwie kompliziert ...

Nach einer Weile schlägt er vor: „Wollen wir einen Film gucken?"

Oh ja, das ist eine gute Idee. Eine SEHR GUTE sogar.

„Ja gerne", stimme ich erleichtert zu. Endlich keine peinliche Stille mehr.

„Such dir was aus", sagt er und zeigt auf eine Schublade voller DVDs. Das ist echt cool, ich liebe DVD-Sammlungen. Ich durchwühle die Schublade und pikse schließlich zwei Filme raus. „Was meinst du? ‚Pretty Woman" oder ‚Das Schweigen der Lämmer'?" Romantisch oder gruselig?

Er schaut mich mit einem ist-das-nicht-offensichtlich Blick an. „Soll ich ehrlich sein?"

„Ja bitte!", sage ich entschlossen, obwohl mir sowieso klar ist, für welchen er stimmt. Welcher Junge würde sich bitteschön freiwillig für einen Liebesfilm entscheiden?!

„ ‚Das Schweigen der Lämmer' ", meint er zögerlich und fügt noch hinzu, „Nur wenn es wirklich okay für dich ist. Ich kann es verstehen, wenn ihr Mädchen vor sowas Angst- "

„Ist okay", unterbreche ich ihn. Meine Güte, kann er nicht einfach die Klappe halten und sich freuen?

Es stimmt zwar, dass ich Liebesfilme bevorzuge, aber ab und zu ziehe ich mir auch mal einen Horrorfilm oder Thriller rein.

Uaaahhh! Ich greife mir ein Kissen und vergrabe mein Gesicht darin, denn eine blutige Leiche wird grad aufgeschnitten und die einzelne Organe ... Bäähhh, mein Appetit auf das heutige Abendessen ist definitiv vergangen.

Ich schaue wieder auf, puh, die Szene ist vorbei, jetzt läuft der Killer durch eine dunkle Gasse.

„Ella, alles okay?", fragt die Person neben mir. Er klingt ein amüsiert.

„Jaja."

Als der Film zu Ende ist, seufze ich unwillkürlich. „Oh Gott, endlich zu Ende."

Anton schaut mich ein wenig belustigt an und fragt mich wieder, ob ich was essen will.

„Danke, aber ich krieg heute Abend nichts mehr runter."

Einen Moment lang starren wir in die Luft, bis mir einfällt, dass Isabel ja immer noch nicht da ist.

Langsam bekomme ich das Gefühl, dass Anton mich verarscht hat.

Ruckartig stehe ich auf und sage ein wenig angepisst: „Anton, ich geh jetzt."

Er hält mich am Handgelenk fest. „Warte doch!"

„Scheiße Anton! Isabel weißt überhaupt nichts von diesem Treffen oder? Jetzt spuck's raus, was soll das Ganze und was willst du von mir?"

Mein Misstrauen ist wieder da, obwohl er den ganzen Nachmittag nett war. Was ist nur los mit mir? Wozu diese ganze Aufregung? Vielleicht hat Isabel das Treffen einfach nur vergessen und Anton war so nett und hat mir Gesellschaft geleistet.

Manchmal möchte ich mich selbst dafür ohrfeigen, dass ich meinen Mitmenschen so wenig vertraue.

Ich hole tief Luft um mich zu beruhigen. „Es tut-" mir leid, wollte ich sagen, doch Anton unterbricht mich. Er steht auf und tritt mir gegenüber.

„Du hast Recht. Isabel weißt nichts von diesem Treffen und ... ich will tatsächlich etwas von dir."

Wie wir uns nicht ausstehen konntenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt