IV Respektlos

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"Guten Morgen, alle zusammen. Ich freue mich, dass ihr den MSA (Mittelschulabschluss) bestanden habt und nun in der Oberstufe seid. Ihr wisst, obwohl das Schuljahr jetzt erst anfängt, das Abitur ist nicht mehr weit. Also gebt nochmal alles in den letzten zwei Jahren, schließlich entscheidet ihr über eure Zukunft", sagt Frau Christ, "Aber bevor wir gemeinsam losstarten, drehen sich bitte die erste und dritte Reihe nach hinten um, sodass Vierergruppen entstehen. Dann tauscht euch einfach aus und lernt euch kennen!" Der Enthusiasmus von Frau Christ ist bewundernswert.

Ich dagegen kann nur verbittert reagieren. Eingebildete Menschen gehören definitiv nicht auf meine Freundesliste.

"Ella?! Dreh dich um!", ruft Lena. Ich war wiedermal in Gedanken versunken...

Widerwillig wende ich mich der Gruppe zu. Anton spielt mit seinem iPhone und Stella betrachtet ihre rot manikürten Fingernägel. Na, das ist ja wunderbar. Keiner hat Bock.

„Also", fängt Stella an zu plappern, „Ich bin Stella, 17, hab'nen Bruder. Gehe gerne auf Partys um mich vollzusaufen."

Lena und ich versuchen krampfhaft nicht loszulachen. Anton dagegen zeigt sich immer noch desinteressiert.

Lena räuspert sich kurz und macht weiter. "Mein Name ist Lena, ich bin ebenfalls 17. In der Freizeit spiele ich Handball."

Langsam brodelt es in mir. Das Verhalten von Anton ist sehr ignorant, finde ich. Es ist mir egal, ob er Stella beachtet oder nicht. Aber nicht Lena, meine beste Freundin! Sie ist so eine liebenswerte Person. Er kann ja wenigstens so tun, als ob er interessiert ist.

Ich schnappe mir kurzerhand einfach sein iPhone und lasse es in meine Tasche fallen.

"Hey, was soll das?! Das ist mein Handy! Gib es sofort her!" Endlich schaut er auf.

"Keine Sorge, ich will dein dreckiges Handy nicht. Erst sagst du mir, was die Person neben mir eben erzählt hat. Dann bekommst du dein Handy wieder", fordere ich.

Er schaut verdutzt und bricht dann in schallendes Gelächter aus: "O Mann, wie alt bist du denn? 10? Sind wir im Kindergarten oder was?"

Jetzt bin ich WIRKLICH sauer. Zum Glück läutet in diesem Moment die Schulglocke, sonst wäre ich ausgerastet. Ich stehe ruckartig auf und knalle sein Handy auf dem Tisch. Doch bevor ich aus dem Raum gehe, blicke ich ihn in die Augen und sage kühl: "Das nennt man übrigens Respekt gegenüber anderer Person, falls du das noch nicht wusstest, Dummkopf."

So ein Dreckskerl! Nicht wir sind im Kindergarten, sondern ER!

Plötzlich hält mich jemand am Handgelenk fest und zieht mich in einen leeren Raum. "Hey, was soll das?!", rufe ich aufgebracht. Dann sehe ich das Gesicht von Anton.

"Was willst du?", stoße ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Statt einer Antwort zu geben hebt er mich hoch, setzt mich auf dem Tisch und stellt sich zwischen meinen baumelnden Beinen. Seine Hände sind links und rechts neben meiner Hüfte abgestürzt.

"Es tut mir leid, dass ich Lena nicht zugehört habe. War nicht mit Absicht", sagt er mit einem kleinen Lächeln.

Meine Atmung beschleunigt sich ein wenig und ich spüre Hitze in mir aufsteigen. Diese Nähe macht mich zu schaffen. Ella, bleib ruhig. Seine Entschuldigung ist süß ... Aber leider bei der falschen Person angegeben. Ich mache den Mund auf, um ihn eine super schlagfertige Antwort ins Gesicht zu schleudern. Doch er kommt mir zuvor. „Rache ist süß, Baby. Du hast mich gerade in eine ziemlich peinliche Situation gebracht... Hoffentlich weißt du, dass wir Männer es nicht mögen, von Frauen fertig gemacht zu werden. Dafür wirst du büßen. Und zwar SEHR", seine Stimme klingt hart und ein seltsam amüsierter Ausdruck liegt in seinen Augen.

Ach. Du. Kacke.

Wie wir uns nicht ausstehen konntenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt