Wie wir uns nicht ausstehen konnten

IX Zu viel

Ich sitze in der Lateinstunde und übersetze einen Satz nach dem anderen. In diesem Kurs sind nur wenige aus meiner alten Klasse. Die meisten haben Latein abgewählt, weil ihnen das Ganze zu schwer wurde. Ich persönlich finde Latein überhaupt nicht schwer, es macht mir sogar sehr viel Spaß.

Was aber nicht so spaßig ist, ist, dass Frau Wellend grad eine Klausur für die nächste Woche angekündigt hat. O nein! Das ist schon die fünfte Klausurankündigung von heute. Es ist doch erst die vierte Schulwoche! Seufzend nehme ich meinen Kalender und trage den Termin ein. Dabei murmele ich: „Auf Wiedersehen, liebe Freizeit, in den nächsten zwei Wochen werde ich dich leider nicht besuchen können..."

►Nach der Stunde◄

Auf dem Weg zu meinem Spind sehe ich mich nach Lena um, kann sie aber nirgendswo entdecken. Dafür sehe ich Anton, der auf mich zu kommt.

Was will er denn? Nach der ganzen Sache am ersten Schultag haben wir nicht mehr viel miteinander geredet. Er hängte mit seinen Freunden ab und ich mit meinen. Nur ab und zu im Unterricht sprachen wir miteinander, aber auch nur, wenn es wirklich notwendig war.

Am Anfang war ich noch misstrauisch, weil er mich einfach so in Ruhe ließ. Ich dachte, er würde mich in die Hölle jagen, weil ich ihn vor allen beschimpft habe. Doch anscheinend lag ich falsch. Somit war mein Misstrauen nach spätestens einer Woche weg.

Normalerweise würde ich mich umdrehen und schnell verschwinden. Doch diesmal ist meine Neugierde zu groß und ich bleibe mitten im Weg stehen. Er kommt immer näher und zieht mich anschließend in einen leeren Raum.

Ich lehne mich an einen Tisch und warte, bis er anfängt zu reden.

„Ähm... Es ist wegen Isabel. Sie fragt, ob du nicht heute bei uns vorbeikommen willst", fragt Anton mit gesenktem Blick.

Okay, bin ich so unansehnlich oder warum sieht er mich nicht an?

„Weshalb denn?", entgegne ich vorsichtig.

„Keine Ahnung. Einfach mal abhängen, denke ich", antwortet er schulterzuckend. Ein Hauch von Belustigung schwingt in seiner Stimme mit.

Einfach mal abhängen. Hm. Klingt gut. In meinem Kopf gehe ich kurz den Kalender durch. Dann sage ich zu. Niemals könnte ich Isabels Einladung ablehnen, dafür ist sie einfach zu lieb und nett.