XVIII Rettung von Paul

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Bild: Sean O'Pry as Anton

Mir wird am ganzen Körper unangenehm. Die Stelle, an der mich Anton berührt, fängt an zu brennen. Meine Füße verkrampfen sich und wäre Anton nicht neben mir, wäre ich wahrscheinlich schon längst hingefallen. Dennoch gefällt es mir nicht, dass wir uns so nahe stehen. „Musst du es noch offensichtlicher machen?", zische ich.

Er grinst mich nur hämisch an und zieht mich noch näher an sich. Wütend schnappe ich nach Luft und versuche mich aus seinem festen Griff zu befreien.

„Keine Chance, baby", haucht er mir ins Ohr. Ich knirsche mit meinen Zähnen und schlage ihn mit dem Ellbogen volle Kanne in den Bauch. Vor Schmerz krümmt er sich kurz zusammen.

Gereizt flüstert er: „Kannst du bitte deine Wut erst auslassen, wenn wir alleine sind?!"

Ich verdrehe nur meine Augen und gehorche ihm anschließend. Den Rest des Weges ins Schulgebäude gehen wir schweigend. Ich ignoriere die eifersüchtigen Blicke vieler Mädels, nehme aber dafür schimpfende Gesprächsfetzen wie „Bitch", „Miststück" oder „was findet Anton nur an ihr" wahr. Na toll, das fängt ja genau so an, wie ich es mir vorgestellt habe.

Sobald wir drinnen sind, schubse ich Anton von mir weg und gehe wortlos zum Kunstunterricht. Er ruft mich noch etwas wie „sehen uns nachher" hinterher und da biege ich schon um die Ecke zum Altbau ab.

Wie immer werde ich von diesem einzigartigen Duft, eine Mischung aus Ölfarben, Altholz und Erde, empfangen. Nun befinde ich mich im Altbau, mein Lieblingsplatz in der Schule. Er wird ausschließlich für Kunstunterricht und Ausstellung benutzt. Ich liebe die mit Farben übersäten Tischen, die Bilder an der Wand und die Papierschnipsel auf dem Boden. All die Sachen spiegeln die harte Arbeit der Schüler an ihren Projekten wieder. Und natürlich die Kreativität. Meiner Meinung nach ist jeder kreativ, nur auf unterschiedliche Weise.

Heute fühle ich mich aber sowas von nicht kreativ, sondern nur erschöpft. Von der Anspannung, von der Nervosität und von den Kommentaren der einzelnen.

Beim Reingehen in den Raum gehe ich an Herr Hamsen vorbei, ohne ihn zu grüßen. Normalerweise sage ich den Lehrern immer guten Tag. Und normalerweise trenne ich mein Privatleben mit der Schule. Jedoch ist heute nicht normal.

Der Klingel gibt uns das Zeichen des Unterrichtsbeginns. Seufzend versuche ich meine Gedanken zu sortieren und mich auf den Unterricht zu konzentrieren.

Herr Hamsen: „So Leute! Letzte Wochen haben wir die Selbstporträts beendet und wie ihr bestimmt erwartet habt, geht's weiter mit Partnerporträts. Das heißt, ihr sucht euch einen Partner aus und malt ihn oder sie. Viel Spaß!"

Jemand tippt mich von hinten an. Ich drehe mich um und sehe einen Typ, der extrem helle Haut und dazu weißblonde Haare hat. Aber gut gebaut ist er eigentlich.

„Machen wir zusammen?", fragt er.

„Ähm ja klar", antworte ich ein wenig verwirrt. Ist er neu in unserem Kurs? Ich habe ihn noch nie gesehen.

Wir setzen uns gegenüber und fangen an zu zeichnen. Dabei unterhalten wir uns. Es stellt sich folgende Sache über ihn heraus: Er heiß Paul, war ein Jahr im Ausland. Zuerst war er im Musikkurs, dann ist er zum Kunstkurs gewechselt, weil ihn den Musikkurs zu schwer wurde. Er spielt Saxofon. Ist single (Frag mich nicht, warum wir uns darüber unterhalten haben, es ist einfach dazu gekommen). Hat zwei Schwester und er spielt seit sieben Jahren Hockey.

Übrigens ist Paul echt witzig. Ich musste zwischendurch so doll lachen, einfach nur wegen seine Redensart und die Bewegung, die er dazu macht. Einfach göttlich. Dazu habe ich die Vermutung, dass Paul schwul sein könnte. Weil ihm ist den Stift eben runtergefallen und er hat sich dann gebückt um ihn aufzuheben und irgendwie habe ich gesehen, dass er eine rosa Unterhose trägt. Eigentlich wollte ich ihn danach fragen, habe es aber am Ende doch nicht über die Lippen gebracht, weil es unter Umständen echt peinlich sein könnte.

So vergeht die Stunde wie im Flug. Wir geben die Bilder ab und räumen unsere Sachen zusammen.

„Was hast du jetzt für Unterricht?", fragt mich Paul.

„Ich habe erst am Nachmittag wieder Unterricht. Jetzt habe ich frei."

„Cool! Ich auch. Hängen wir noch bisschen zusammen ab?", fragt er freudestrahlend.

Abhängen? Sagen das nicht nur Mädchen? Der Typ ist um 95 Prozent schwul... Ich habe aber nichts gegen Schwule, deshalb sage ich zu.

Gemeinsam gehen wir aus dem Raum und ich will schon vorschlagen, wo wir hingehen könnten, da höre ich eine Stimme, von der ich nicht allzu begeistert bin.

„Baby?"

Wie wir uns nicht ausstehen konntenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt