II Nicht meine Art

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Da heute draußen die Sonne so schön scheint, beschließe ich, mit dem Fahrrad zur Schule zu fahren. Leider hab ich noch keinen Führerschein, da ich gerade erst 17 geworden bin. Aber bald fange ich mit der Fahrschule an.

Ich fahre durch den vertrauten Weg und stelle fest, dass ich die Schule sogar ein bisschen vermisst habe. Und obwohl ich erst seit einem Jahr das Anne-Sophie-Gymnasium besuche.

Die Zeiten davor lebten ich und meine Familie in Frankfurt. Dann mussten wir nach Berlin ziehen, weil Papa den Verlag gewechselt hat. Er ist nämlich Lektor.

Zehn Minuten später erreiche ich die Schule und sehe gleich meine beste Freundin Lena. Wir rennen aufeinander zu und drücken uns. Lena kreischt: "Aaahhhhh, Ella-Maus! Hab dich ja so vermisst!!!!"

Ich erwidere lachend: "Ich dich auch, Lena-Mausi! A..a..ber, l..a...ss er..st ma..l lo..s, ich kr..ie.g k..au..m no..ch L..u..f..t.."

Vor einem Jahr, als ich auf diese Schule gekommen bin, machte ich mir schon ein wenig Sorgen, ob ich Freunde finden werde. Und seht, ich bin gleich am ersten Tag Lena begegnet. Seitdem sind wir unzertrennlich, obwohl wir nicht unterschiedlicher sein können. Lena ist verrückt und aufgedreht, kann aber auch einfühlsam sein. Ich bin eher die stille Maus. Aber genau deswegen ergänzen wir uns auch so toll.

"Oh ja tschuldige. Wie waren deine Ferien?", fragt Lena zupft dabei an ihrem roten T-Shirt rum.

"Sehr schön! Hatte dir eine Karte aus Portugal geschickt. Hast du sie bekommen? Wie war's bei dir?"

"Ich hab's bekommen, danke, Süße. Meine Ferien waren auch super! Wir waren in Toskana und stell dir vor, ich hab so'n heißen Typ ken-"

Unsere Unterhaltung wurde von der Schulglocke abgebrochen. Wir machen uns auf dem Weg zum Sekretariat, da wir zuerst unseren Kursplan abholen müssen.

Im Sekretariat ist es viel voller als sonst. Kein Wunder, erster Schultag. Alle wollen irgendetwas. Wir quetschen uns durch die Menge.

Als wir zehn Minuten später endlich unseren Kursplan zur Hand bekommen haben, vergleichen wir ihn und stellen fest, dass wir ziemlich viele Kurse zusammen haben.

„Treffen wir uns gleich in Deutsch?", frage ich Lena.

„Klar, bis dann, Ella. Ich muss jetzt zu Mathe", erwidert Lena, drückt mich kurz und geht. Ich schaue ihr für einen Moment nach und laufe dann in die entgegengesetzte Richtung.

Mein Blick bleibt an der unteren Ecke des Kursplanes hängen: 7. Stunde - Sport. Schlagartig kommt mir den Zettel für die Wahl der Sportarten in den Sinn. Ich habe ihn zu Hause liegen lassen. Mist!

Wie spät ist es? 08:10. 45 Minuten, bis meine Freistunde endet. Ich beschließe, schnell nach Hause zu fahren und den Zettel zu holen. Schließlich will ich am ersten Tag einen guten Eindruck machen.

Ich hetze durch die Gänge zum Schulhof und stoße prompt gegen jemanden.

"Hey, pass doch mal auf!", höre ich eine männliche Stimme protestieren.

"Sorry, tut mir echt leid! Ich hab grad an etwas gedacht und-", meine Stimme versagt, als ich hoch zu ihm schaue. ähm, träume ich gerade oder wieso sieht der Typ mit seinen grünen Augen so verdammt gut aus? Seine dunkelblonden Haare stehen ihm verwuschelt auf dem Kopf und unter seinem Shirt zeichnen sich Muskeln ab. Einzig und allein sein genervter Ausdruck gefällt mir nicht.

"Und- was?", fragt er mit gerunzelter Stirn.

Soso, der Typ ist ziemlich schlecht gelaunt, wie's mir scheint. Im Hintergrund läutet eine Glocke, vermutlich von der Kirche. 08:15. Scheiße. Ich muss wirklich los.

Mit ein wenig zu kalter Stimme entschuldige ich mich nochmal. Im Nachhinein bereue ich es, das war unfreundlich von mir. Komisch, das ist eigentlich so gar nicht meine Art!

Zur Verabschiedung lächele ich ihn leicht an und gehe anschließend zu den Fahrradständern.

Wie wir uns nicht ausstehen konntenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt