XIV Missverständnis

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„Okay, zieh dich aus", befiehlt mir Anton, nachdem Stella geklingelt hat.

Spinnt er? Wieso muss ich mich jetzt ausziehen?

Ich trete ein paar Schritte zurück. „Das kannst du gleich vergessen, mein Lieber!"

Er rollt mit den Augen. „Weißt du eigentlich, wie verklemmt du immer bist, Ella?"

„Ich. Bin. Gar. Nicht. Verklemmt!", widerspreche ich ihn, „ich ziehe mich nur nicht vor jedem aus!"

Im Gegensatz zu Stella, die grad zum fünften Mal klingelt.

Anton seufzt. „Na schön, dann werde ich mich eben ausziehen."

Einerseits bin ich erleichtert vom Ausziehen verschont zu sein, doch andererseits verstehe ich den Sinn der Sache nicht. Wozu Ausziehen? Plötzlich geht mir ein Licht auf: Er will, dass Stella meine Anwesenheit missversteht.

„Du zwingst mich dazu, deine Freundin zu spielen?", frage ich angepisst.

„Nein. Das ist nur die Wiedergutmachung, die du mir versprochen hast", erwidert er breitgrinsend.

Gott. Ich hasse diesen Kerl.

Er schiebt mich zur Tür. „Mach einfach irgendetwas, lass sie aber nicht rein. Ich komme sofort." Dann ist er weg, bevor ich protestieren konnte.

Unbehagen durchströmt meinen Körper. Ich höre meine eigenen Herzschläge. Wieso habe ich überhaupt Angst vor Stella? Wir besuchen den gleichen Englischkurs, verdammt!

Tief hole ich Luft und mache anschließend die Tür mit einem zuckersüßen Lächeln auf. Wir beiden glotzen uns gegenseitig mit großen Augen an. Ich glotze sie an, weil sie mit ihrem Stripp-Outfit WIRKLICH nuttig aussieht. Und sie glotzt mich wahrscheinlich an, weil ich, ein Mädchen, im Haus ihres Freundes (oder eher Ex - Freundes?) bin.

„Wer bist du denn, Miststück?", zischt sie mit ihrer Barbiestimme. Ihr ganzes Gesicht ist voll mit Make-up beschmiert und ihre Lippen sind in einem ekligen Farbton bemalt. O Gott, ich glaube, mir wird schlecht...

„Ella hier, hi", murmele ich und hebe zur Begrüßung kurz meine Hand.

Sie schaut mich angewidert an und rollt genervt mit den Augen. „Aus dem Weg, Miststück!"

Wie betäubt stehe ich da. Mein Kopf ist komplett leer. Was soll ich machen? Verzweifelt versuche ich sie zurückzuhalten.

Als Antons Stimme endlich ertönt, bin ich mehr als froh gewesen. Stellas Parfüm lässt mich schwindelig werden.

„Honey, kommst du endlich ins Bett?"

Honey? Ich? Die Alarmglocken in meinem Kopf läuten durcheinander.

Dann höre ich Schritte auf der Treppe.

Oberkörperfrei und nur mit einem Handtuch bekleidet kommt Anton zu uns. Ich sehe ihn verwirrt an. Er schlingt einen Arm um meine Taille und grinst Stella an. So im Sinne von: Tut mir leid, ich hab'ne Neue! Und ich werde gleich DAS mit ihr tun, WAS du mit mir tun willst. Also hau ab!

Sofort erntet Anton eine Ohrfeige. Sein Gesicht nimmt sofort die Farbe Rot an. Ich halte die Hand vor dem Mund um nicht aufzukreischen.

„Anton, ich krieg dich noch!", brüllt Stella wie eine Löwin und zeigt uns den Mittelfinger, bevor sie geht.

Wie wir uns nicht ausstehen konntenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt