➰ 11. KAPITEL ➰

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Das Blut

Wie ein Kranker, den das Fieber

Heiß gemacht und aufgeregt,

Sich herüber und hinüber,

Auf die andere Seite legt -

So die Welt. Vor Hass und Hader

Hat sie niemals noch geruht.

Immerfort durch jede Ader

Tobt das alte Sünderblut.

(Wilhelm Busch)

-

Es ist ein bedrückendes Gefühl in einer Menge voller schwer bewaffneter Gefangener mitzumarschieren. Außerdem sind sie leise und reden kaum. Sie geben mir das Gefühl, das sie in einen Art Krieg laufen. Dem Tod nah. Ich weiß ja leider nicht was mich erwartet, deshalb macht mich diese Stille mit jeder Minute verrückter.

Nachdem wir das Haus verlassen haben, gehen wir als großer Pulk die Straßen lang. Es ist schon ziemlich dunkel und die kaputten Straßenlampen flackern uns den Weg. Mir wird jetzt erst bewusst, wie verkommen und einsam diese Stadt ist. Überall stehen Autos mit geöffneten Türen, Sachen liegen auf den Boden. Trümmerteile wurden von der Straße geschoben und liegen an dem Rand. Man könnte glauben, das Infierno ganz schnell verlassen werden musste.

Nachdenklich laufe ich mit dem Blick gesenkt ziemlich dicht hinter Louis, keine Ahnung warum. Bei ihm fühlt es sich so an, als ob ich ihn ein wenig kenne. Wenn auch nicht viel, aber er gibt mir etwas Vertrautes.

„Ebony"

Ich blinzel ein paar mal, ehe ich reagiere und verwirrt aufschaue. Ein Mädchen mit kurzen feuerroten Haaren grient mich von der Seite an.

„So heißt du doch, oder?" harkt sie nochmal nach und ich nicke hastig „Okay ich bin Phiebie"

Sie reicht mir ihre Hand und ich ergreife sie wortlos, mein Blick rutscht von ihrem Gesicht runter auf ihr Sturmgewehr, welches sie lässig auf den Rücken trägt. Ihre blauen Augen funkeln mich beinahe erfreut an.

Wir biegen gerade in eine Nebenstraße ab und müssen sehr eng nebeneinander gequetscht gehen. Ich kann den Atem von derjenigen, die hinter mir gehen spüren und halte selber automatisch die Luft an.

Phiebie neben mir wischt sich den Schweiß von der Stirn und schenkt mir ein nettes Lächeln, als ihr auffällt, dass ich sie beobachtete. Peinlich berührt schaue ich angestrengt weg und zähle die Sekunden, bis die Straße und das Gedränge endet.

Nach längerem Gehen bemerke ich, wie ich langsam etwas schlapp mache und von einigen einfach überholt werde. Mein Kopf tut ziemlich weh und meine Beine wollen nicht mehr so richtig. Muss wohl noch ein bisschen daran liegen, das Louis mir auf den Kopf geschlagen hat. Vielleicht habe ich wirklich eine Gehirnerschütterung.

Unsicher auf den Beinen, halte ich trotz meiner Bedenken durch. Ich trinke ein Schluck Wasser, atme tief durch und schon bin die letzte in der Truppe.

„Nimm das zurück"

Ein Schrei durchfährt die Stille, dieser klingt voller Zorn. Ich beeile mich obwohl ich Schmerzen habe und drängle mich durch die Reihen um etwas zu sehen. Ich bleibe ruckartig stehen, da zwei Männer vor meine Füße stürzen. Sie prügeln sich. Bis dahin habe ich noch nie gesehen, wie sich Männer prügeln. Nur Jungs in der Schule. Mir war nie wohl dabei. Die beiden Männer boxen aufeinander ein, und man kann hören, wie ihre Stiefel über den Asphalt schlürfen und ihr Kleingeld auf die Straße klimpert, das ihnen aus der Tasche fällt. Dieses Geld ist hier doch völlig wertlos, mir ist es ein Rätsel, warum sie es dennoch besitzen.

Prisoner | h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt