➰ 1. KAPITEL ➰

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Eine Kleinigkeit verrät oft mehr über den Charakter eines Menschen

als eine große Tat.

(Friedl Betelrock)

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Meine Augen brauchen einen Moment, ehe sie sich an das Licht gewöhnen und ich Umrisse vieler Menschen erkenne. Sie werden wieder klarer und ich kann verschwommene Gesichter erkennen, die sich schaulustig in die Luft strecken, um auf mich ein Blick zu erhaschen. Da ich auf den Bode kauere, stehe ich schnell auf und wanke ein wenig Hin und Her. Mir ist schwindelig. Ich halte mich an einer Kiste fest um mein Gleichgewicht wiederzufinden, was mir nach und nach auch besser gelingt.


Die Inhaftierten kommen näher und starren mich an. Die Gesichter und Kleidung von Schmutz bedeckt und ihre Haare sind klitschnass von der Nachmittagssonne, sie scheinen viel zu arbeiten. Um mich herum hat sich ein Kreispulk gebildet und ich habe das Gefühl, von allen Seiten bedrängt zu werden. Ich spüre die scharfen Blicke auf mir, wie jeder Zentimeter von mir aufgesaugt und analysiert wird. Aus Reflex verschränke ich die Arme vor der Brust.

„Lasst dem Mädchen mal ein bisschen Luft", höre ich es von den hinteren Reihen und ein brauner Lockenkopf tritt vor. Er ist ganz in Schwarz gekleidet und hat eine ziemlich autoritäre Ausstrahlung, die einige einschüchtert und nach hinten treten lässt. Der Typ ist groß und drahtig, seine Sachen sind ebenfalls dreckig, das scheint hier normal zu sein. Das Außergewöhnlichste aber bei ihm sind die Augen! Das leuchtende Grün funkelt mich an. Unter seinem Blick verlagere ich mein Gewicht von einen, auf den anderen Fuß und runzele angespannt die Stirn.

„Willkommen in Infierno, Schätzchen", begrüßt er mich raunend und umkreist mich dann, wie ein Tiger. Bei den Wort Schätzchen, hebe ich eine Augenbraue und werfe ihn einen verächtlichen Blick zu. Ein Reflex von mir, den ich sofort bereue, ich muss mir noch mein gleichgültiges Gesicht antrainieren um Ärger zu vermeiden. Er sieht es dummerweise und grinst mich grimmig an, dann wendet er sich von mir ab. Erleichtert atme ich aus und löse meine vor Angst verkrampften Hände.

„Na los bringt die Vorräte ins Lager, was steht hier noch so blöd rum?", schreit er plötzlich und wirft beinahe empört die Arme in die Luft. Die meisten bewegen sich und die Gruppe löst sich in leisen Gemurmel auf.

Mit einem letzten Blick, geht er an mir vorbei und berührt dabei meine Schulter mit seiner leicht, ich weiß nicht ob es eine unausgesprochene Warnung ist, doch er scheint mir ziemlich distanziert und gefühllos. Klar, er ist jemand der schlimme Sachen getan hat, da kann man nur so werden. Ich bekomme eine Gänsehaut und sehe ihm hinterher. Er schaut den anderen dabei zu wie sie die Kisten aus der Schleuse holen und sagt ein paar Worte zu ihnen.

Da ich nicht weiß was ich machen soll, nehme ich auch einfach eine Kiste die voll ist mit Stoff, welcher vermutlich für neue Sachen gedacht ist. Ich laufe den anderen hinterher und sehe mich dabei ein bisschen um. Die meisten von ihnen sehen aus, wie richtige Knackis. Ihre ausdrucksstarken Augen huschen umher und werfen dem Lockenkopf abschätzende Blicke zu, andere sehen normaler aus und scheinen keinen Anteil daran zu nehmen, dass ich neu bin. Mädchen sehe ich nicht viele, vor allem nicht in meinem Alter. Es sind Frauen die etwas weiter weg, den Männern beim arbeiten zu sehen. Ich denke mir, das sie eher fürs Essen zuständig sind.

Mit nachdenklicher Mine laufe ich an dem Typ, mit den stechenden grünen Augen vorbei, der seinen Blick kurz auf mir ruhen lässt, bevor er zu den andere hinter mir schaut.

„HARRY, PASS AUF!"

Ich werde unerwartet von einen braunhaarigen Mädchen zur Seite gestoßen, das Gesicht ist vor Angst getrieben und ihr Pferdeschwanz peitscht im Wind hin und her. Sie rennt an mir vorbei und schmeißt sich auf den vermeintlichen Harry. Der Lockenkopf wird von ihr zu Boden geworfen bevor ein Schuss ertönt, der die beiden nur knapp verfehlt. Beide rappeln sich wieder auf und halten sich noch geduckt, als weitere Schüssen fielen. Nun bricht allgemeine Panik aus, viele wuseln herum und wissen nicht was sie machen sollen. Ich ducke und verstecke mich hinter einen verrosteten Auto. Alle außer das Mädchen und Harry verschwinden in den Häusern oder den Nebenstraßen und in binnen weniger Sekunden ist die Straße wie leergefegt.

„Alter man Ylvie, verpiss dich hier" beschwert er sich, klingt aber trotzdem ein wenig besorgt was mich verwirrt dreinblicken lässt. Er sieht eigentlich, allem Anschein nach, nicht wie die Art Mensch, die sich um irgendwas sorgen macht aus. Dachte ich zumindest.

„Er ist hier ... ich wusste das er kommen wird", sagt sie ihm verängstigt und klammert sich an seinen Arm. Er greift nach ihrer Taille und zieht sie schützend hinter sich. Für ein Gefängnis geht's hier aber ziemlich zur Sache. Ich schaue mich nochmal um und gehe damit sicher, das ich nicht in der Schusslinie bin. Woher haben die hier Waffen? Wenn die hier Waffen haben, dann ist es hier noch weniger sicher, als ich vorher angenommen habe. Das hier ist eine Stadt mit bösen Menschen, welche Dinge getan haben, die ich mir selbst niemals vorstellen könnte.

Kein weiterer Schuss fällt. Aus dem wohl größten Gebäude, kommt ein dunkelhaariger Mann mit einer Narbe, die quer über dessen Wange verläuft. Er geht an mir vorbei, ohne mich zu bemerken, seine Augen sind auf diesen Harry fixiert.

„Louis"


„Harry"


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Ich hoffe euch hat das erste kurze Kapitel gefallen und ich konnte euch einen minimalen Eindruck geben wie sich die Sache entwickeln wird. Im nächsten Kapitel werdet ihr mehr über den Aufbau des Gefängnis erfahren ...

Vielen Dank an euch alle, ich danke euch für die vielen Votes und Kommentare, die sind mega motivierend <3

Wie wird es wohl weitergehen? Ist euch etwas aufgefallen? ;D

Übrigens wird Louis noch eine wichtige Rolle spielen, sowie Ylvie. Es war mir wichtig, das die beiden schon im ersten Kapitel vorkommen :)

- N







Prisoner | h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt