➰ 18. KAPITEL ➰

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Wer dein Schweigen nicht versteht,

versteht deine Worte auch nicht.

(unbekannt)

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Innerhalb der nächsten Wochen lerne ich Infierno und deren Bewohner immer besser kennen. Ylvie arbeitet sozusagen als Ärztin und hilft, wo sie kann. Das Lager ist ein altes Krankenhaus, welches genügend Zimmer mit Betten hat und sich daher anbietet. Ich gehe Harry so gut es geht aus dem Weg, doch manchmal begegnen sich unsere Blicke. Er sieht mir prüfend dabei zu, wie ich Ylvie helfe und mich von der Gruppe ausgeschlossen an einen Tisch weiter weg hinsetze, um zu essen. Ich glaube er will insgeheim das ich Abstand von allen halte und das tue ich. Öfters setzt sich Ylvie zu mir und erzählt ein wenig. Aber meistens bin ich alleine.

Ich bin gerade dabei meine Hände zu waschen, da ertönt ein lautes Dröhnen, das sich anhört wie eine Alarmanlage. Die Häftlinge springen auf und wuseln herum, ehe sie alle herausstürmen. Verwirrt trockne ich schnell meine Hände und folge ihnen nach draußen. Wie schon die letzten Tage regnet es und ich bin nach wenigen Sekunden pitschnass.

Ein großer Pulk hat sich um etwas herum gebildet. Durch den dichten Regen jogge ich zu ihnen und erkenne die Ladefläche, auf der ich hier in Infierno angekommen bin. Neuer Vorrat, neue Menschen? Neugierig recke ich meinen Kopf und versuche einen Blick auf das so interessante zu erhaschen.

Vorsichtig versuche ich an ein paar vorbeizukommen, ohne jemand zu berühren. Unsicher entdecke ich Harry, der mit gerunzelter Stirn nach vorne schaut und den Kiefer anspannt. Ich folge seinen Blick und sehe einen Jungen der mit Händen in der Hosentasche ruhig und mit einen kleinen schmunzeln auf den Lippen einfach nur da steht und alle um sich herum mustert.

„Wie ist dein Name?", fragt Harry und das allgemeine Murmeln klingt ab, weil alle die Antwort hören wollen.

„Joona", antwortet der Junge und wischt sich übers Gesicht. Er wird so ungefähr ein, zwei Jahre älter sein als ich, seine Haare sind braun und stehen wild von seinen Kopf ab. Es dauert eine Weile bevor sich die meisten abwenden und sich daran machen die Sachen in das Quartier zu bringen. Ich schaue zu Boden auf eine große Pfütze und sehe dabei zu, wie sich immer mehr vergrößert.

Plötzlich spiegelt sich eine Person in dem Wasser wieder und ich blicke hinauf zu dem neuen Jungen, der mich nachdenklich und mit fragenden Blick betrachtet. Nervös wegen seiner Größe, trete ich aus Sicherheit zwei Schritte nach hinten.

„Ich kenne dich", murmelt er abwesend und legt den Kopf schief.

„Ich dich aber nicht", entgegne ich und will mich hastig von ihm abwenden, aber seine Hand schnellt vor und greift nach meinen Handgelenk.

„Tut mir Leid", sagt er schnell, „Ich habe von dir in der Zeitung gelesen, bevor ich hierhergekommen bin, das was sie über dich geschrieben haben klang so unmenschlich und abartig. Ich finde es bewundernswert, dass du das alles durchgestanden hast"

„Könntest du bitte meine Hand loslassen", zische ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor während mein Herz klopft wie wild.

„Natürlich", antwortet er und lässt sofort los. Es hat sich sehr bedrückend angefühlt, ich atme erleichtert auf und reibe die schmerzende Stelle am Handgelenk.

„Alles okay hier?"

Harry tritt zu uns und es ist das erste Mal nach Wochen, das er mit mir wieder in Kontakt gerät. Seine braunen Locken sind ganz durchnässt durch den Regen und sein weißes T-Shirt klebt an seinen Oberkörper. Es ist mir peinlich einzugestehen das es verdammt heiß aussieht. Durch diesen Gedanken laufe ich leider Gottes dunkelrot an. Eine Eigenschaft die ich von meiner Mutter geerbt habe.

Prisoner | h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt