Es gibt keine Grenzen.
Nicht für den Gedanken,
nicht für Gefühle.
Die Angst setzt die Grenzen.
(Ingmar Bergman)
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Unentschlossen stehe ich vor Harrys Tür und hebe die Hand zum Klopfen. Ich höre Stimmen, die dumpf durch den ganzen Flur schallen. Vor fast einer Stunde hat Ylvie ihm sein Essen gebracht und sie diskutierten lautstark. Gut, das er diese Etage für sich allein hat.
Ich gehe nochmal im Kopf das durch, was ich mir gerade draußen überlegt habe. Anschließend klopfe ich. Drinnen wird es schlagartig ganz ruhig und ich höre, wie sie sich noch kurz was zuflüstern. Es ertönen Schritte und kurz danach wird die Tür aufgerissen. Ylvie lächelt mich etwas unsicher an, nickt mir zu und rauscht dann ohne weiteres an mir vorbei. Verwirrt schaue ich ihr nach.
Als ich mich wieder umdrehe, entdecke ich Harry, welcher oberkörperfrei mit den Rücken zu mir steht. Sein Rücken ist mit langen Narben überzogen. Jeder hier in Infierno hat Narben, stelle ich nachdenkend fest. Und ich? Louis hat eine Narbe auf der Wange, Ylvie am Arm und schließlich Harry auf den Rücken. Ich glaube, ich habe tief in mir drin, an meinen Herzen eine Narbe. Eine neroförmige Narbe.
Doch eine Sache weiß ich nicht. Ich weiß, woher Ylvie ihre Narben hat, wodurch Louis seine Narbe bekam, aber von wem und durch was hatte Harry seine bekommen?
In genau diesen Moment dreht sich Harry um und ich bekomme den Anblick auf seinen durchtrainierten, leicht braungebrannten Körper. Während er sich ein weißes T-Shirt über den Kopf streift, schimpft er streng unter dem Stück Stoff hindruch: „Verdammt was machst du hier?"
Seine grünen Augen leuchteten wieder, sie sind wieder voller kraft und Tatendrang. Leichte Bartstoppeln zeichnen sich auf seinen Wangen ab. Gestresst greift er nach der Wasserflasche auf dem Tisch neben ihn und trinkt alles mit einmal leer.
„Es ist auch schön dich wiederzusehen", seufze ich und verdrehe die Augen. Dabei meine ich diesen Satz wahrscheinlich auch so, irgendwie ... Aufgeregt streiche ich mir eine Strähne hinters Ohr und beiße mir auf die Unterlippe.
„Was willst du hier?", fragt Harry abermals, humpelt einmal durch den Raum zu einem Tisch in der Ecke und setzt sich. Rasch schließe ich die Tür und setzte mich gegenüber von ihm ebenfalls auf einen Stuhl.
„Ich muss mit dir reden", beginne ich und schaue überall hin, nur nicht in seine Augen.
„Schon klar", unterbricht er mich und macht dann eine ungeduldige Handbewegung damit ich weiter reden soll. Sein Blick ist desinteressiert auf die Tischplatte gerichtet, die linke Hand trommelt ruhelos auf dem Holz. Warum hat er es so eilig? Ich senke den Blick auf meine zusammengefalteten Hände. Ich zögere noch kurz, ehe der Redeschwall aus mir ausbricht.
„Es gibt noch Menschen da draußen, Harry. Der Winter kommt und sie haben nichts mehr zu essen, sie sterben nacheinander. Ich verstehe nicht, warum sie es schlechter haben sollen. Weil sie damals die falsche Seite wählten? Sie sind nicht mehr Verbrecher, als wir es sind. Was ich damit sagen will, sie brauchen unsere Hilfe!"
Vorsichtig hebe ich wieder meinen Blick und schaue in Harrys Augen. Ich habe den Eindruck seine Augen prüfen mich, diesmal weiche ich ihm nicht aus. Er schaut mich ganz genau an. Harry schließt kurz die Augen und öffnet sie wieder.
„Wie willst du sie herbringen?", harkt er nach und beugt sich ein wenig zu mir vor.
„I-Ich kann mich inzwischen in Infierno sehr gut orientieren, ich erinnere mich noch wo ihr Lager ist. Sie kennen mich außerdem. Ich würde mit Joona schon morgen früh aufbrechen", erkläre ich ihm und warte gespannt auf seine Antwort. Ich bin überrascht, dass er mir überhaupt zu hört. Ruckartig steht Harry auf und schaut von oben auf mich herab.
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Prisoner | h.s.
Fanfiction❝Du möchtest so gerne daran glauben, dass du ein schlechter Mensch bist Harry. Aber das bist du nicht, okay?❞ Nachdem sie von ihrem eigenen Vater verurteilt und ins Stadtgefängnis Infierno verbannt wird, muss sie ihre Einstellung gegenüber den Bewoh...