(Traurige Musik ist wieder erlaubt!)
Das ist meine allerschlimmste Ehrfahrung:
Der Schmerz macht die meisten Menschen nicht groß, sondern klein.
(Christian Morgenstern)
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Der Wasserhahn quietscht und macht komische Geräusche, bevor Wasser auf unsere Hände fließt. Ich wasche mir mit viel Seife den Dreck von den Händen und meine Augen wandern dabei zur flackernden Lampe über uns. Ylvie hat sich inzwischen etwas beruhigt und sitzt schweigend auf den kalten Fliesen. Ihre Augen sind total gerötet und ihre Wangen glänzen leicht, vermutlich Spuren von den letzten Tränen. Wortlos lasse ich mich neben ihr nieder und schaue in dieselbe Richtung wie sie. Ylvie zieht ihre Beine näher an den Körper, dabei rutscht ihr T-Shirt am Arm etwas hoch.
Am Arm bemerke ich wieder einmal die unregelmäßigen Narben auf ihrer Haut. Die Narben sind asymmetrisch: Sechs ziehen sich schräg über die Innenseite ihres linken Unterarms, drei über ihren rechten. Alle sind ungefähr drei bis vier Zentimeter lang und schnurgerade.
„Woher hast du die?", frage ich leise. Ylvie zuckt trotzdem zusammen und schaut auf die eigene Haut zu den Narben herab.
„Sie sind hässlich nicht wahr?", krächzt sie und fährt mit den Fingerspitzen darüber. Es kann kein Unfall gewesen sein. Dafür sind sie zu gerade und perfekt geschnitten. Genau so wie bei Louis Narbe auf seiner Wange.
„Nachdem wir Will begraben haben, hat Louis einen Riesen Aufstand gemacht und herumgebrüllt das es unsere Schuld gewesen ist, das sich nun unsere einzige Chance hier auszubrechen, in Luft aufgelöst hat. Alle haben es gehört, alle waren wütend. Und dann hat er gesagt, dass ich bestraft werden müsse" Ylvies Stimme versagt am Ende, aber Gesichtsausdruck ist emotionslos und beinahe wie in Trance versetzt.
„Schließlich haben sie mich zum Todesturm geschleift ..."
„Todesturm?"
„Der Turm, der in der Mitte von Infierno steht und alle Gebäude überragt. Viele sind dort schon heruntergesprungen", erklärt sie und lehnt ihren Kopf hinter sich an die Fliesen.
„Sie wollten, dass ich springe, ich habe mich gewehrt und um Gnade gefleht. Und als es schon fast zu spät war, kam Harry und hat mich vorerst in Sicherheit gebracht. Unten standen die anderen und haben geschrien und uns beide nicht durchgelassen. Sie wollten, dass ich bestraft werde. Harry konnte nichts anderes tun, wir hätten es nie geschafft. Louis kam zu mir, mit diesen langen scharfen Messer und fing an Schnitte an meinem Arm zu machen. Ich glaube, ihn hat es sogar Spaß gemacht"
Entsetzt sehe ich sie an und versuche irgendwie die Fassung zu bewahren. Wie kann ein Mensch nur so abartig krank sein? Louis hat Ylvie so viel angetan, jetzt bin ich noch mehr überrascht, dass er mich offensichtlich verschont hat.
„Es reicht, hat Harry geschrien und ihn von mir weggezogen. Sie haben gekämpft und dann hat Harry das Messer in die Hand bekommen und Louis im Gesicht getroffen"
Jetzt macht alles einen Sinn. Louis Wut auf Harry. Ihre Freundschaft, die nicht mehr existiert. Ylvies Schmerz. Wenn ich so darüber nachdenke, wäre ich wahrscheinlich schon längst an dem was sie erlebt hat zerbrochen.
Wir beide sagen nichts mehr. Die Lampe geht aus und wir bleiben im Dunkeln zurück. Ich weiß nicht genau, wie lange wir in dem tiefen nichts alleine sind und unsere Augen schwer werden. Draußen zirpen die Grillen und ich höre Ylvies gleichmäßiges ein und aus atmen. Der Tag ist ganz schön schwer und anstrengend gewesen für sie. Ich kann nicht schlafen, da ich das Gefühl habe erstmal nie wieder einschlafen zu können. Ylvies Erzählung schwirrt mir noch lange im Kopf herum. Und während ich so sitze und in der Finsternis meinen Kopf zum rauchen bringe, überlege ich, wie es nun weitergeht. Und bevor die Sonne aufgeht, habe ich einen Entschluss gefasst.
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Prisoner | h.s.
Fanfic❝Du möchtest so gerne daran glauben, dass du ein schlechter Mensch bist Harry. Aber das bist du nicht, okay?❞ Nachdem sie von ihrem eigenen Vater verurteilt und ins Stadtgefängnis Infierno verbannt wird, muss sie ihre Einstellung gegenüber den Bewoh...