Kapitel 5

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Wir huschten zwischen den Bäumen umher, wussten wir dürfen auf gar keinen Fall aufhören um unser Leben zu rennen.

Eine roboterartige Stimme ertönte:

"Lasst die Prüfung beginnen!"

Ich wollte stehen bleiben, doch Ava kam mir zuvor.

"Lauf. Weiter.", knurrte sie, als könnte sie meine Gedanken lesen.

Abwehrend hob ich meine Hände und folgte ihr weiter.

Blätter und Äste streiften mein Gesicht und ich musste aufpassen, dass ich nicht über Wurzeln stolperte.

Hinter uns waren Schüsse und darauffolgende Schreie zu hören. Der Alarm wurde immer leiser, bis er endgültig verschwand.

Ava verlangsamte ihre Schritte und gestikulierte mit ihrer Hand ich soll stehen bleiben.

"Es ist vorbei.", flüsterte sie ein wenig ausser Atem.

"Was?"

"Immer wenn der Alarm aufhört, heisst das normalerweise, dass sie jemanden gefangen haben. Den schlechtesten der Prüfung."

Wenn sie den schlechtesten nur fangen, warum hörte ich dann Schüsse? Und was war das überhaupt für eine Prüfung? Wer am schnellsten wegrennen konnte oder wie?

"Das ist komisch...normalerweise geht das nie so schnell...",murmelte Ava vor sich hin.

Wir liefen langsam weiter und je länger wir unterwegs waren, desto misstrauischer wurden wir.

"Irgendetwas stimmt hier nicht.", bestätigte Ava meinen Verdacht.

Es fing an zu dämmern und da der Wald so dicht war, wurde es bereits dunkel.
Wo sind alle anderen?, fragte ich mich selber bis ich bemerkte, dass ich gerade laut gedacht habe.
"Das ist eine gute Frage.", meinte Ava.

Wo war Jeremy?

Das viele Rennen, machte meinem Körper ziemlich zu schaffen. Nicht weil ich unsportlich war, im Gegenteil, sondern weil in den letzten paar Tagen viel passiert ist. Es wurde meinem Körper zu viel Schaden zugefügt.

Durch ein Rascheln wanderte mein Blick nach oben zu den Bäumen.

"Hast du das gehört?"

Ava nickte und meinte bloss, dass es der Wind sei.

Ja, klar.

Ich verdrehte meine Augen und blieb weiter wachsam.

Das Rascheln ertönte erneut und ich schreckte hoch, als auf einmal eine Gestalt vor uns landete.

"BOO!!", schrie sie.

Ich fasste mir ans Herz um einen weiteren Schrei zu unterdrücken.

Die Gestalt brach in schallendes Gelächter aus und als ich die Person erkannte, schlich sich ein erleichtertes Lächeln auf meine Lippen.

"Ihr hättet eure hahaha Gesichter sehen sollen, oh mein Gott hahaha.", lachte Jeremy.

"Du bist so ein Idiot!", sagte ich und schlug im spielerisch gegen die Brust, stimmte mit seinem Lachen ein.

Ava neben mir schüttelte den Kopf und fing schliesslich auch an zu lachen.

"Hast du das gehört?", äffte mich Jeremy nach und machte eine lustige, schüttelnde Bewegung mit seinen Händen, als wir weiterliefen.

"Und unglaublich Ava, das du dachtest es wäre der Wind.", kicherte er erneut.

Lachend zu dritt neben einander, Jeremy in der Mitte, konnten wir für ein paar Minuten die schreckliche Realität in der wir lebten vergessen.

Durch ein Gemurmel verstummte unser Lachen schlagartig und wir blieben abrupt stehen.
Ich spitze meine Ohren, um etwas aus dem Flüstern zu entziffern.

Es war weit und breit niemand zu sehen.

"Heeelft miiir!", ertönte eine geisterhafte Stimme.

Unsere Köpfe schossen in die Richtung aus der wir die Stimme vermuteten.

Ausser Büschen oder Bäumen konnten wir nichts erkennen.

"Da!", quiekte Ava und zeigte in die entgegengesetzte Richtung.

Jeremy und ich drehten uns blitzartig um und meine Augen weiteten sich, bei dem was ich erblickte.

Ein kleines Mädchen stand vor einem See. Sie trug ein langes, weisses Kleid und ihre Haare bildeten einen krassen Kontrast. Sie waren pechschwarz. Durch die Mitte ihrer Brust war ein Loch, aus dem schwarzes Blut floss. Ihr Spiegelbild wurde nicht normal reflektiert, denn anstatt einem Mädchen sah man direkt zwei. Aus ihren roten Augen starrte sie uns an.

"Bitte sagt mir, dass ihr das auch sehen könnt.", wisperte ich.

Beide nickten verstört.

Fieberhaft überlegte ich wie wir am besten aus dieser Situation rauskamen.

"Helft mir!", zischte das Geistermädchen erneut.

"Wie können wir dir denn helfen?", fragte ich unsicher.

Ich bekam keine brauchbare Antwort, denn alles was sie wiederholt sagte war helft mir.

Wie in Zeitlupe bewegten wir uns alle drei nach hinten. Wir hatten unsere Blicke immer auf das kleine Mädchen gerichtet während wir uns langsam von ihr entfernten.

Ein Donnern ertönte, gefolgt von einem Blitz und das Mädchen war weg.

"Oh, oh.", äusserte sich Jeremy.

Wir drehten dem See endgültig den Rücken zu und sprinteten los.

Mein Herz raste wie verrückt und ich wollte nur eins. Weg von hier.

Das Laub unter meinen Füssen raschelte und ich merkte, wie mein Körper mir mit der Zeit nicht mehr gehorchen wollte.

Das Geistermädchen tauchte etwas vor mir auf, verschwand dann aber sofort wieder. Ava und Jeremy konnte ich nicht mehr sehen.

Ich musste mich zusammenreissen nicht jeden Moment zu Boden zu fallen.

Mittlerweile rannte ich nicht mehr, sondern joggte nur noch mehr oder weniger.

Alles drehte sich und meine Beine wurden schwer. Ich stolperte über einen Stein und fiel auf den dreckigen Waldboden. Ich atmete schwer und kalter Schweiss breitete sich auf meiner Stirn aus.

Ich wollte mich aufrichten, aber konnte es nicht, denn es fühlte sich an als ob mich eine unsichtbare Kraft davon abhalten würde. Ich konnte nicht sehen was oder wer es war.

Plötzlich krallten sich lange Finger an meinen Haaren fest und schlugen meinen Kopf immer wieder auf einen Stein, der auf dem Waldboden lag.

Ich versuchte dagegen anzukämpfen, hatte aber nicht die geringste Chance.

"Bald wirst du mir gehören.", flüsterte eine männliche Stimme direkt in mein Ohr.

Ich wurde auf den Rücken gedreht und konnte das Monster zum ersten Mal sehen. Es hatte struppige Haare und kalkweisse Haut. Schwarze, verrottete Zähne blitzten hervor und es grinste mich dreckig an. Seine toten Finger wanderten zu meinem Hals und schnürten mir die Luft ab. Ich keuchte und fing an zu weinen.

"Bald ist es vorbei. Und du wirst so sein wie ich.", zischte das Monster und verfiel in ein erschauderndes Lachen.

Ich wand mich in seinem Griff, packte seine eiskalten Hände, um sie von mir zu kriegen. Der Druck auf meinem Hals wurde für eine Sekunde gemindert, also nutzte ich die Chance und schrie. Schrie so laut ich konnte.

"Hör auf!", brüllte das Monster. Er liess mich los und hielt sich die Ohren zu.

Ich schrie weiter, während er zurücktaumelte und gegen einen Baum krachte.

Er hob mir seine blutende Hand entgegen, während er durch die Luft gewirbelt wurde und sich langsam in Luft auflöste.

Verlorene Seelen

Mein Kopf dröhnte vor Schmerzen und ich sah nur noch schwarz.

Grenze 18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt