Nachdem wir ein wenig in der Stadt rumgelaufen waren war mir aufgefallen, dass das hier eigentlich gar nicht so gruselig war, wie es rüber kam. Ja natürlich, die Häuser waren herunter gekommen, doch eigentlich war es ganz spannend, die Leben von Leuten anzusehen. Denn auch in den Häusern war alles so gelassen worden, wahrscheinlich, weil sich niemand hier her traute. Nachdem wir also entweder eine Tür eingeschlagen oder einfach eingetreten waren, weil jemand sie zuvor eingeschlagen hatte, gingen wir hinein und traten in das Leben von Fremden ein. Im ersten Haus waren alle Wände voller Bilder behängt, von einer jungen Frau und einem jungen Mann, die frisch verheiratet gewesen waren. Das Haus war ziemlich groß für zwei, doch es dauerte nicht lange, da fand ich ein Zimmer, das definitiv als Kinderzimmer fungiert hätte sollen, doch anscheinend hatten die zwei noch kein Kind gehabt. Ich hatte den Anschein, dass mir das viel mehr Spaß machte, wie den anderen, denn die hatten eher etwas, naja, mystisches erhofft.
"Sehr mal was ich gefunden habe", Chace kam aus der Küche heraus und wedelte mit einer Flasche herum.
"Sweet!", sagte Liam sofort und nahm ihm die Flasche aus der Hand, "Old Rip Van Winkle" las er vor.
"Das ist ein ziemlich teurer Bourbon!"
"Na dann testen wir ihn doch gleich.", mein Bruder schraubte den Deckel ab und roch erst einmal daran. Dann nahm er einen großen Schluck und gab die Flasche an Liam weiter.
"Der ist sogar richtig gut. Ich bin dafür wir stoßen an.", er ging in die Küche und kam gleich darauf mit sechs Gläser wieder, die sogar alle noch zu gebrauchen waren. Jeder von uns bekam eins und Liam ging in der Runde herum, um uns alle etwas einzuschenken. Als er bei mir angekommen war, setzte er nicht gleich an, sondern sah mich an. Ich wusste nicht wirklich, was ich tun sollte, also tat ich einfach das gleiche, nur fing ich an schüchtern zu grinsen.
"Du bist süß.", sagte er plötzlich, ließ den Bourbon in mein Glas fließen und ging zu Laura. Hat er gerade gesagt, dass ich süß wäre?
"Also, auf uns würde ich sagen!", die Stimme meines Bruders riss mich aus meinen Gedanken.
"Auf die super Woche. Mit den besten Leuten, die es gibt.", Laura hob ihr Glas und wir taten es ihr alle gleich.
"Prost.", sagten wir alle fast gleichzeitig.
Langsam setzte ich das Glas an. Um ehrlich zu sein, hatte ich noch nie zuvor Bourbon getrunken. Vorsichtig nahm ich einen Schluck und verzog sofort das Gesicht. Was soll daran gut sein? Es brennt einfach nur.Nachdem wir alle fertig ausgetrunken hatten (Ich hatte es eher runtergewürgt, wollte aber nicht als Weichei da stehen) , verließen wir das Haus wieder und standen nun auf der Straße.
"Irgendwie dachte ich, dass das spannender sein würde.", sagte Laura und die Jungs stimmten zu.
"Ich will etwas zu trinken. Also richtiges trinken, also werde ich mal in den Supermarkt da vorne schauen, ob es da noch Wasser gibt.", Liam setzte sich in Bewegung und die anderen schienen nicht irgendwelche Anstalten zu machen mit zu gehen. Und genau in diesem Moment fiel mein Hirn aus.
"Warte, ich habe auch ziemlichen Durst.", rief ich ihm hinterher und rannte zu ihm.
Es war nicht weit zu dem früheren Supermarkt und die Tür stand zum Glück auch offen, deshalb konnten wir gleich eintreten. Es sah ziemlich wüst aus, viele Sachen lagen auf dem Boden, Chipstüten, Gummibärchen oder irgendwelche Fertiggerichte.
"Dort hinten ist glaub ich die Getränke Abteilung.", sagte er und ging sofort vor raus. Er hatte Recht und es waren sogar noch ein paar geschlossene Flaschen da, jedoch waren viele davon Cola oder Spezi und das würde ich nach der langen Zeit vielleicht nicht mehr trinken.
"Also", fing er plötzlich an, während er die vorderen Flaschen weg räumte, um vielleicht noch etwas dahinter zu entdecken, "Du und Collin hm." Er sagte es ziemlich trocken und ich wusste nicht, was ich antworten sollte.
"Nicht wirklich, nein.", antwortete ich dann wahrheitsgemäß, nachdem mir unser Gespräch im Auto wieder eingefallen war.
"Sah nicht so aus."
Ich antwortete darauf nicht mehr und warum sollte ich auch? Ich hatte mich nicht recht zu fertigen. Vor allem nicht vor ihm.
"Du solltest vorsichtig sein.", fing er wieder an.
"Ach ja? Warum das denn?", ich drehte mich in seine Richtung, doch er starrte nur auf die Flaschen.
"Hab ich dir doch schon mal gesagt."
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich ihm widersprechen sollte, das Collin nicht so war, wie er mir gesagt hatte. Doch eigentlich hat er noch nichts getan, dass das Gegenteil bewiesen hätte. Vor allem nach unserem Gespräch heute. Irgendwie hat mir das gezeigt, dass er sich doch nicht interessiert und was noch viel schlimmer ist, mich eben nicht mag, mich also nur ausnützt. Also sagte ich mal wieder nichts.
"Hör zu Jess", er wollte also anscheinend wirklich darüber reden, "Ich möchte nicht, dass du verletzt wirst." Liam drehte sich in meine Richtung und stand jetzt ganz nah vor mir.
"Du könntest nichts daran ändern."
"Deshalb möchte ich ja schon von Anfang an nicht, dass es passiert, hörst du? Collin bedeutet Ärger, es ist vorausgesetzt, dass er dir irgendwann dein Herz bricht."
"Und du nicht?", sagte ich leise und hoffte sofort, dass ich es nicht getan hätte, oder er was wenigstens nicht gehört hat.
"Jess.", seine Stimmt war ruhig und er sah mir tief in die Augen. Langsam strich er eine Strähne aus meinem Gesicht und wie immer fühlte ich mich wie verloren. Verloren in seinen Augen.
"Es tut mir leid, wie die Sachen verlaufen sind. Aber ich bitte dich, fang nichts mit Collin an."
"Aber mit dir auch nicht.", ich stellte fest, dass es jetzt sowieso schon egal war, was ich sagte, also konnte ich auch ehrlich sein.
"Jetzt im Moment nicht. So sehr ich es wollte, es geht nicht." Er griff nach einer Wasserflasche im hinteren Eck und drehte sich um, "Wir sollten wieder zurück gehen."
"Wahrscheinlich, ja.", erwiderte ich nur und wir gingen zusammen wieder hinaus.
"Ja da seit ihr ja endlich!", sagte Dylan sofort als wir wieder da waren und Laura sah mich nur seltsam an. Sie deutete mir kurz und naja wahrscheinlich nicht so ganz unauffällig, wie sie es erhofft hatte, mit ihr mit zu kommen, da sie anscheinend kurz mit mir reden wollte. Die Jungs ließen wir also einfach stehen und gingen ein Stückchen weg.
"Also.", fing die an und drehte sich zu mir, "erstens was hast du dir eigentlich dabei gedacht, mit Liam mit zu gehen? Nicht cool. Zweitens hat das Collin so nervös gemacht, das war so lustig!", sie klatschte aufgeregt in die Hände und ich sah sie nur verwirrt an.
"Na er hat die ganze Zeit vor sich hin gemurmelt, wann ihr endlich wieder kommen würdet und den Supermarkt nicht aus den Augen gelassen.", erklärte sie mir.
"Er hat mir heute etwas ganz anderes gesagt." Jetzt sah sie mich verwirrt an und ich erzählte ihr von der Situation im Auto.
Laura sah mich nachdenklich an und sagte dann: "Er hat gelogen. Wahrscheinlich war er verletzt, weil du ihn abgewiesen hast."
"Aber deshalb hätte er doch nicht so etwas sagen müssen?", ich seufzte laut. Und da sagt man immer, das Mädchen kompliziert waren.
"Das wird schon, aber die Aktion mit Liam war trotzdem dämlich. Wenn du bei Collin landen willst, darfst du das nicht mehr tun."
Verzweifelt warf ich meine Hände in die Luft. "Ich hab keine Lust mehr. Ich will gar keinen."
"Was? Jetzt mach mal halb lang."
"Nein, ich will nicht mehr. Das ist mir einfach alles zu viel Drama. Der eine will mich, aber kann nicht mit mir zusammen sein und der anderen kann und will es irgendwie nicht, also bin ich raus.", ich drehte mich um und ging wieder zu den anderen, Laura folgte mir ohne noch ein Wort zu sagen.
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Verbesserungsvorschläge?:) Danke für's lesen :*