Frau Tutleyv

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Im Büro der Direktorin erlebte ich eine weitere Überraschung.
Ich hatte eine mittelalte, energische Frau mit weisem Blick und streng zurückgebundenem Haar erwartet. Ja, ich geb's ja zu, das war jetzt ziemliches Klischee, aber trotzdem: in keinem Fall hatte ich mit dem gerechnet, was tatsächlich Realität war.
Frau Tutleyv sah mehr aus wie eine Referendarin als wie eine Direktorin. Hätte ich ihr Alter schätzen müssen, hätte ich gesagt, sie sei vielleicht 10 Jahre älter als ich. Maximal.
Auch sonst wirkte sie ganz anders als in meiner Vorstellung. Offen, sympathisch, wie eine Freundin.
Frau Tutleyv strahlte mich an und bedeutet mir, mich auf einen der großen Sessel, die an der einen Seite des Büros standen, zu setzen. Sie selbst ließ sich mir gegenüber nieder und musterte mich aus ihren ausdrucksstarken haselnussbraunen Augen, während sie ihre ebenso braunen Haare über ihre rechte Schulter legte.
"Du bist Lynn, richtig?"
Ich nickte stumm.
"Du warst vorher auf einem normalen Gymnasium, oder?"
Ich nickte wieder. Frau Tutleyv störte sich nicht daran, dass sie die Unterhaltung weitgehend alleine führen musste.
"Ich denke, es wird dir nicht schwer fallen, dich in unsere Schule einzuleben, ich möchte dir nur in paar Regeln und Ordnungen mit auf den Weg geben.
Frühstück gibt es immer vom sieben bis acht Uhr, an den Wochenenden von acht bis zwölf Uhr.
Der Unterricht beginnt regulär um 8 Uhr und endet je nach Stundenplan.
Mittagessen gibt es immer von zwölf bis vierzehn Uhr, Abendessen von achtzehn bis zwanzig Uhr.
So viel zum normalen Ablauf, jetzt noch ein paar Regeln, die du im Hinterkopf behalten solltest.
Jeder Schüler hat ein Einzelzimmer. Ich glaube einfach, dass das Zusammenleben angenehmer wird, wenn jeder seinen eigenen Bereich hat, in den er sich zurückziehen kann. Bad und Klo teilt ihr euch zu zweit, also wäre es vielleicht klug, sich mit dem Duschen abzusprechen.
Ihr müsst natürlich nicht immer alleine in euren Zimmern bleiben. Von Mittagessen bis Abendessen könnt ihr euch frei in der Stadt bewegen wie ihr wollt. Solange ihr keinen Unterricht habt." Sie zwinkerte vertrauensvoll.
"Wenn du mal in eine andere Stadt fahren möchtest, wäre es schön, wenn du kurz Bescheid gibst. Nach dem Abendessen wäre es mir recht, wenn ihr an Schultagen im Gelände bleiben würdet. Um vierundzwanzig Uhr ist Nachtruhe, die müsst ihr aber nicht jeden Tag bis zum Anschlag ausreizen." Sie lachte.
"Wenn am nächsten Tag kein Unterricht ist, ist es erlaubt, dass ihr bis vierundzwanzig Uhr in der Stadt bleibt, dann wäre ich über eine Abmeldung sehr froh. Und wenn ich es auch nur einmal erlebe, dass du von der Polizei heimgebracht wirst, weil du nach vierundzwanzig Uhr noch draußen warst, weil du besoffen warst und sonst einen Unsinn getrieben hast, dann ist das ganze gestrichen. Solche Zugeständnisse kann ich nur machen wenn ich mich voll auf euch verlassen kann." Sie sah mich ernst an.
Ich nickte langsam. Alles klar.
"Übernachtungen in anderen Zimmern sind auch erlaubt, vorausgesetzt, am nächsten Tag ist kein Unterricht und", jetzt lächelte sie wieder, "ihr seid alle vom selben Geschlecht!
Wenn du an Wochenenden oder in den Ferien zu deiner Familie fahren möchtest, musst du das auch spätestens zwei Tage früher anmelden.
Das wars dann auch schon." Sie sah mich eindringlich an.
"Wenn du Fragen haben solltest, wenn es Probleme gibt oder dir sonst irgendetwas auf dem Herzen liegt, dann ist es mir sehr wichtig, dass du weißt, dass wir hier alle eine Art große Familie sind. Und was immer auch ist, du kannst immer zu mir kommen und mit mir sprechen. Ich möchte hier eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der man sich wohlfühlen kann, und wann immer etwas für dich dieses Gefühl stört, kannst du dich an mich wenden und ich werde dir zuhören und versuchen, dir zu helfen." Ihr Blick hielt mich gefangen. Wie in Trance nickte ich.
"Gut", sie lächelte. "Hier, das ist dein Stundenplan, hier dein Zimmerschlüssel und das ein Gebäudeplan damit du dich zurecht findest. Falls du keine Fragen mehr hast, kannst du jetzt dein Zimmer beziehen." Sie drückte mir alles in die Hand und sah mich erwartungsvoll an.
Ich bedankte und verabschiedete mich und verließ den Raum.

Just another BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt