Erinnerung

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Selbst am Abend spürte ich noch Lucas' Hände an meinen Oberarmen, wie seine Finger in meine Haut drückten. Ich sah vor meinem inneren Auge, wie sich seine Muskeln spannten.
Es war abstoßend und anziehend zugleich. Die Erinnerung fesselte mich mehr, als es seine Hände in der Realität getan hatten.
Ich hasste es, so berührt zu werden. Ich hasste es, wie er mich ansah. Aber aufgeben? Nie!

Ganz automatisch schweiften meine Gedanken zu einem anderen. Marco. Sein Name schmeckte auf meiner Zunge wie bittere Galle.
Er war der Grund, warum ich hier war. Wegen ihm hatte ich es in meiner Heimatstadt nicht mehr ausgehalten.
Die Erinnerung an diesen einen, schrecklichen Moment war immer präsent, sie fühlte sich immernoch lebendig an.
Ich war zu ihm gegangen. Ich war schon einmal bei ihm gewesen, doch dieses Mal war sein Mitbewohner nicht da und wir wollten es uns so richtig gemütlich machen. Wir sahen Film und aßen Chips, ich lag in seinen Armen und er hielt mich fest.
Nach dem Film ging ich in sein Zimmer. Marco sagte, er käme gleich nach, ich könne mich schonmal hinlegen und schlafen, falls ich müde wäre.
Ich ging in sein Zimmer, aber schlafen konnte ich noch nicht.
Nach zehn Minuten kam Marco. Als er das Zimmer betrat, roch ich sofort, dass er getrunken hatte. Ich wusste nicht wie viel, aber auf jeden Fall mehr, als man in der kurzen Zeit trinken sollte.
"Du schläfst ja noch gar nicht", lachte er.
Instinktiv kroch ich ans andere Ende des Bettes und zog die Decke über mich.
"Du brauchst keine Angst zu haben, Süße." Er lachte. "Wir sind doch zusammen. Ich tu dir schon nix." Das sagte er, aber gleichzeitig sprang er aufs Bett und riss die Decke weg. "Und jetzt sei eine gute Freundin und gib mir was ich brauche."
Er brauchte keine halbe Minute, um mir die Kleidung vom Körper zu reisen. Eine weitere halbe Minute später lagen auch seine Klamotten auf dem Boden.
Er presste seinen nackten Körper auf meinen.
Danach erinnere ich mich nicht mehr an viel. Nur an seinen ekligen Geruch, seinen vom Alkohol beißenden Atem, seine verschwitzte Haut und an Schmerz und Scham.
Dann stand ich plötzlich vor der Tür. Ich weiß nicht, ob er mich rausgeschmissen hatte oder ich weggelaufen war.
Nur in Unterwäsche schlich ich mich nach Hause. Dort verkroch ich mich in meinem Bett und weinte die ganze Nacht durch. Am nächsten Morgen sprach ich mit meiner Mutter.
Im Nachhinein erkannte ich, dass Marco und ich uns nie geliebt hatten. Ich hatte nur einen Freund haben wollen und er...naja. Aber damals war ich unerfahren und naiv gewesen und es hatte sich echt angefühlt.
    Danach hatte ich mit Selbstverteidigung angefangen. Ich wollte so etwas nie wieder erleben müssen. Ich wollte mich wehren können.
Ich hatte Marco nie wieder gesehen, trotzdem war er immer gegenwärtig. Ich glaubte, seinen Haarschopf in Menschenmengen zu sehen, erwartete ihn hinter Hausecken, hörte seine Stimme nach mir rufen und roch seinen Atem in Restaurants.
Ich fühlte mich verfolgt.
Natürlich fiel auch anderen auf, dass irgendetwas anders war. Sie behandelten mich wie ein scheues Tier oder eine Verrückte. Die wenigen, die die Wahrheit kannten, sahen mich mitleidig von der Seite an. Nichts davon war in irgendeiner Weise hilfreich.
Ich brauchte einen Neuanfang. Dringend. Und meine Eltern erkannten das auch.
Ich bekam meinen Neuanfang. Dieser Neuanfang nannte sich Kafka-Internat. Das hier war meine Chance, wieder ins normale Leben zurück zu finden.
Ein unkontrollierbares Zittern ergriff mich.
Ich hatte nicht einmal zwei Tage gebraucht, um mir Feinde zu machen.
Aber ich hatte auch Freundinnen, die mich wie eine von ihnen behandelten, nicht wie ein Opfer. Den Rest würde ich da bestimmt auch noch hin bekommen.
An diese Hoffnung klammerte ich mich, während ich in meine Traumwelten hinüber glitt.

Just another BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt