Sternenklar

1.9K 56 4
                                    

Erschöpft schulterte ich meine Tasche. Für eine AG war das Ganze echt anstrengend gewesen. Hinter mir hörte ich Gelächter. Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer da lachte.
Das Lachen wir tief und rau und gehässig. Eindeutig Lucas.
Ein helles Lachen übertönte ihn. Unangenehm. Schrill. Ich wandte den Kopf und sah eine braunhaarige Schönheit neben Lucas stehen. Als ich sah, wie sie sich an ihn ranschmiss, kam mir beinahe das Mittagessen wieder hoch.
Die beiden passten perfekt zusammen. Schön, oberflächlich und überheblich. Und beide dumm.
Kopfschüttelnd wandte ich den Kopf ab. Aus den Augenwinkeln sah ich noch, wie Lucas der Brünette die Zunge in den Hals steckte, bevor ich im Gebäude verschwand.

"Und wie wars?", fragte Cat sofort, als wir zusammen beim Abendessen saßen.
"Lucas hat mich fertig gemacht, aber sonst wars echt gut."
"Na super. Jetzt fühlt er sich dir völlig überlegen."
Da war ich mir nicht so sicher. In der Sporthalle schon, aber im reellen Leben hätte ich den Überraschungsmoment auf meiner Seite.
"Mal sehen", sagte ich also nur.
"Aber Herr Mattes ist super, oder?" Jen leitete das Gespräch übergangslos weiter.
"Ähm..."
"Ja ich weiß, sein Kinn ist etwas spitz, aber sonst?"
"Ähm", machte ich wieder.
"Ich meine, er ist doch schon irgendwie schnuckelig, findest du nicht?"
"Ääh..." Hilflos sah ich zu Cat, während Su sich vor Lachen verschluckte und heftig mit Husten anfing.
"Oh schaut mal, da kommt er gerade rein!" Jens Stimme überschlug sich vor Aufregung.
Ich drehte den Kopf und sah, wie Herr Mattes auf das Essen zulief. Sein Blick schweifte über die Tische voller Schüler, blieb bei uns hängen und er nickte mir kurz zu. Dann wandte er sich nach rechts und grüßte einen anderen Schüler.
"Oh mein Gott!"
Ich drehte mich zu Jen zurück.
"Er hat dir zugelächelt!"
Jetzt musste ich auch lachen.

Die Sterne funkelten am Himmel und bildeten ein endloses Netz aus Punkten. Ich zog meinen dicken, übergroßen Pulli an und trat auf den Flur. Kurz bevor ich an der Eingangstür ankam, fiel mir ein Schatten auf.
Lucas stand da. Aber nicht allein. In seinen Armen seufzte ein Mädchen leise und genoss es, sich von Lucas auffressen zu lassen. Auffressen im wahrsten Sinn des Wortes. Er knabberte erst an ihrem Ohr, bevor er in ihre Lippen biss.
Was mich aber vorallem stutzig machte: dieses Mädchen war blond. Wie viele Mädchen hatte der denn?
Ich schüttelte mich. Sein Mund musste die reinste Tauschbörse für Mundschleimzellen sein.
Schnell flüchtete ich nach draußen. Ich war eigentlich nicht spießig, aber das fand ich doch eklig.
Das Schulgelände war völlig leer. Keine Menschenseele war jetzt noch unterwegs. Direkt ums Gebäude waren Laternen angeschaltet und verströmten orangenes Licht, aber einige Meter weiter verschmolz das Gras mit der Dunkelheit. Die Bäume ragten bedrohlich zum Himmel empor.
Ich schlich über die Wiese und legte mich ins Gras.
Ich suchte nach Sternbildern und fand den großen Wagen. Mehr kannte ich leider nicht.
Zuhause hatte ich das nie gemacht. Mitten in der Nacht -naja, sofern neun Uhr mitten in der Nacht war - in den Garten liegen und den Himmel bewundern, aber hier schien es irgendwie richtig.
Ich stellte meinen Handywecker auf 9.50 Uhr, damit ich rechtzeitig bevor die Türen abgeschlossen wurden wieder rein ging. Dann begann ich Sterne zu zählen.
Bei 156 berührte mich etwas Pelziges am Bein. Erschrocken schrie ich auf und fuhr hoch.
"Miau", machte der Fellball.
Lachend über mich selbst ließ ich mich wieder ins Gras sinken.
"Na, wer bist denn du?", murmelte ich und öffnete die Hände. Zögernd schlich die Katze auf mich zu und schnupperte an meinen Handflächen. Vertrauensvoll drückte sie den Kopf gegen meinen Unterarm. Mit ihren Pfoten drückte sie sich an meinem Oberschenkel nach oben.
Ich schob meine Hände unter den schmalen Bauch des Tieres und hob sie auf meinen Schoß.
Sie war ganz dünn und kleiner als die Katzen, die Zuhause unter den Autos saßen und durch die Straßen schlurften.
Ich begann, die Ohren des kleinen Wesens zu kraulen und wurde mit entspanntem Schnurren belohnt.
Eine ganze Weile saßen wie so da, bis mein Handy klingelte und ich wusste, es war Zeit, zurück zu gehen. Das Kätzchen heftete sich an meine Fersen und folgte mir bis zur Tür. Es tat mir richtig leid sie dort zurück zu lassen, aber ins Gebäude durfte sie nicht.

Just another BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt