Vergangenheit

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Gemeinsam stolperten wir in mein Zimmer und brachen auf meinem Bett zusammen. Ich, weil die Weinkrämpfe mich immer noch durchschüttelten, Lucas, weil er mein Gewicht wohl mehr getragen hatte als ich selbst.
“Mein Bruder war abends immer gerne Feiern“, begann Lucas zu sprechen. Überrascht hörte ich zu. Er hatte mir noch nie von sich erzählt. Er hatte mir eigentlich gar nichts erzählt bisher. “So auch an einem Abend vor ein paar Jahren. Wie immer sind meine Eltern ins Bett gegangen. Ich wollte wach bleiben bis mein Bruder heim kommt. Ich war immer wach geblieben, weil ich Angst hatte, dass er nicht kommt oder dass er es vielleicht nicht die Treppe in sein Zimmer hoch schafft, weil er so betrunken ist. Ich habe ihn vor meinen Eltern immer gedeckt. Sie bekamen nie mit, wie zugedröhnt mein Bruder immer war, weil ich ihn schnell in seinem Zimmer versteckte und dafür sorgte, dass er morgens wieder einigermaßen Nüchtern wirkte. Ich hatte immer Angst, dass es unsere Familie zerreißen könnte, wenn meine Eltern herausbekamen, was mein Bruder abends so trieb.“ Lucas Stimme stockte. Erstaunt stellt ich fest, dass meine Tränen versiegt waren. “An diesem einen Abend bin ich auf dem Sofa eingeschlafen. Am frühen Morgen weckte uns das Telefon. Mein Bruder war von einem Passanten betrunken und völlig unterkühlt im Straßengraben gefunden worden. Die Frau von der Klinik erzählte meinen Eltern am Telefon, dass mein Bruder jetzt bei ihnen war und wohl noch eine Weile wird bleiben müssen, da er von ganz schön vielen Drogen abhängig ist. Danach gab es ganz schön viel Stress Zuhause: die Polizei ermittelte bei meinen Eltern, wie es dazu hatte kommen können, auch mich traf ein Teil der Schuld und ich fühlte mich, als wäre NUR ich Schuld. Als Konsequenz schickten meine Eltern mich hier her aufs Internat. Seither habe ich das Gefühl, nicht mehr richtig zur Familie zu gehören.“
Langsam richtete ich mich auf und sah Lucas an. “Wie alt warst du damals?“
Lucas schluckte. “Zwölf.“
Erstaunt stellte ich fest, dass er weinte. Der geheimnisvolle, herablassende Lucas weinte. Nicht so wie ich, unkontrolliert schluchzend, stattdessen fanden stille Tränen ihren Weg von Lucas Wimpern bis zu seinen Kinn und tropften auf seine Hände. Vorsichtig lehnte ich mich gegen Lucas und spürte, wie er den Druck erwiederte. Woher kam plötzlich diese Einigkeit zwischen uns? War das Waffenstillstand oder schon Frieden?
Lucas drehte das Gesicht zu mir, sah mir in die Augen und lächelte. Seine Augen glänzten dunkel und ganz leicht zeichneten sich Grüppchen in seinen Wangen ab. Vorsichtig erwiderte ich das Lächeln. Sah nach Frieden aus.
Ganz langsam neigte Lucas den Kopf immer näher zu mir, bis sein Atem auf meinen Lippen spürbar wurde. Gerade als ich meinen Mund öffnen und ihm entgegen kommen wollte, fiel mir die Mundschleinzellentauschbörse ein. Was tat ich hier eigentlich? Rumknutschen, während Cat im Krankenhaus lag? Schnell drehte ich meinen Kopf zur Seite.

Just another BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt