Angriff

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Dieses Kapitel widme ich Lea. Ich war mit dem Kapitel nicht zufrieden, aber sie hat es so bearbeitet, sodass es jetzt veröffentlicht werden kann. Danke ;-)

Wenn ich die Gebäude verließ, dann dauerte es nicht lange, bis Fellball mich fand. Ich hatte noch immer keinen Namen für sie gefunden, also hieß sie vorübergehend Fellball.
Wenn ich raus kam, dann heftete sie sich an meine Fersen und folgte mir auf Schritt und Tritt. Es brauchte einen halben Tag und die Mädels waren hin und weg von ihr. Ich gewöhnte mir in kürzester Zeit an, immer ein, zwei Leckerlis in der Tasche zu haben.
So war es auch diesen Abend, als ich das erste Mal den Weg zur Schwimmhalle einschlug. Da ich ein Silber-Abzeichen vorweisen konnte, hatte ich die Erlaubnis, nach dem Schulbetrieb die schuleigene Schwimmhalle ohne Aufsicht zu nutzen. Ab Bronze-Abzeichen ging das, wer das noch nicht hatte, durfte nur zu den offiziellen Zeiten hinein.
Fellball verfolgte mich bis zur Eingangstür. Ich überlegte gerade, wie ich sie jetzt loswerden könnte, aber sie mied das Hallenbad automatisch. Auf die Wasserscheue von Katzen war einfach verlass, auch wenn ich nicht wusste, woher sie wusste, das in diesem Gebäude Wasser lauerte.
Ich steckte der Kleinen noch ein letztes Leckerli zu, dann betrat ich die Schwimmhalle.
Es war seltsam, so ganz allein in einem, zugegeben nicht ganz so großen,  Hallenbad. Die Umkleiden beschränkten sich auf Standard-Schülerumkleiden, aber um diese Zeit hatte ich sie ganz für mich alleine.
Irgendwie war das lustig. In der Dusche veranstaltete ich einen kurzen Wasser-Tanz, ließ Tropfen und Schaum um mich fliegen und drehte mich, bis ich auf dem feuchten Boden fast ausgerutscht wäre. So etwas würde ich nie tun, wenn mich irgendwer sehen könnte.
Das Wasser im einzigen Becken lag völlig glatt vor mir. Ich streckte meine Zehen hinein und kleine Ringe zogen Kreise über die Spiegelfläche.
Brrrr, war das kalt.
Seltsam, dass ich die Einzige hier war. Ja, Schwimmen war nicht super beliebt, aber bei so einem großen Internat hätte ich schon gedacht, dass es doch ein paar Wasserratten oder Sportfanatiker gäbe. Ausgerechnet heute schien aber niemand Lust auf Schwimmen zu haben.
Auch gut, dann hatte ich das ganze Becken für mich alleine und konnte richtig trainieren.
Bevor ich länger über Kälte und Einsamkeit nachdenken konnte, ließ ich mich flach ins Wasser gleiten, stieß mich kräftig an der Wand ab und schwamm mich ein.
Die ersten zehn Bahnen waren immer die schlimmsten, erst danach hatte ich meinen Rhythmus und das Gefühl fürs Wasser gefunden.
Zwanzig Bahnen. Mir war endlich richtig warm.
Dreißig Bahnen. Ich fühlte mich immer schwereloser.
Vierzig Bahnen. Ich startete meine Technikübungen.
Fünfzig Bahnen. Ein paar Sprints zum Auspowern.
Sechzig Bahnen. Die Tür zur Halle ging auf, aber ich konnte jetzt nicht nachsehen, wer kam, denn ich begann mit 30-Meter- Streckentauchen.
63,4 Bahnen. Etwas  packte meinen Fuß und zog mich unter Wasser. Es zog mich immer tiefer nach unten, und hätte ich nicht gewusst, dass bald der Boden kommen müsste, wäre ich in Panik ausgebrochen.
Gerade als mir die Luft aus ging, stieß mich Was-Auch-Immer zurück zur Oberfläche.
Ich hatte gerade genug Zeit um nach Luft zu schnappen, als ich auch schon wieder gepackt und hinunter gezerrt wurde. Warme Finger umschlossen meinen Knöchel. Kräftige Finger und jetzt kam doch Panik in mir auf, denn die Finger fühlten sich unverkennbar männlich an.
Aber diesmal konnte ich einen Blick auf meinen Angreifer erhaschen.
Dunkles Haar. Gebräunter Teint. Groß. Muskeln. Unverkennbar Lucas.
Ich begann heftig um mich zu treten und mich aus seinem Griff zu winden. Ganz kurz schaffte ich es, mich loszureißen und Luft zu holen, aber dann umklammerten seine Hände meine Hüfte und zogen mich wieder mit. Anstatt gegen seinen Griff zu kämpfen, drehte ich mich herum und packte mit meinen Händen seine Schultern. Ich drückte mich nach unten und zog ihn mit mir. Mit den Beinen umschlang ich seine Taille und klammerte mich an ihm fest. Mit Schwung drehte ich uns beide um und jetzt war plötzlich ich oben und saß auf ihm drauf.
Als ich zu seinem Gesicht hinunter sah, stutzte ich.
Er grinste, lachte fast. Es machte ihm Spaß!
Und da passierte etwas wirklich sehr Seltsames: plötzlich machte es auch mir Spaß! Zuvor hatte ich mich ehrlich bedroht gefühlt, doch jetzt entwickelte sich das Ganze zu einer Art Wettkampf .
Mit aller Macht versuchten wir, einander unterzutunken, ohne selbst unterzugehen.
Nach kurzer Zeit waren wir beide völlig k.o. und tauchten gemeinsam auf. Immer noch hielten wir uns eng umschlungen. Vor Erschöpfung nahm keiner von uns beiden die Nähe des Anderen so richtig war. Gemeinsam schwammen wir auf der Stelle, hielten uns umarmt, meine Beine noch um seinen Oberkörper geschlungen.
Plötzlich wurde mir schlagartig bewusst, was wir hier taten.
Seine Haut auf meiner Haut.
Sein Herzschlag neben meinem.
Unsere Gesichter nebeneinander.
Nur Badekleidung, die uns trennte.

Er hasste mich.
Ich hasste ihn.

Vorsichtig löste ich mich von ihm und beeilte mich, Abstand zwischen uns zu bringen. Erst jetzt sah ich ihn richtig an, seine nassen Haare, die ihm in die Stirn fielen und die Wassertropfen, die über sein Gesicht rannen. Es brauchte einiges an Konzentration, bis ich meinen Blick von seinen feuchten Lippen abwenden konnte, auf denen das Wasser sich in kleinen Perlen sammelte.
"Das war gut." Er rang immer noch nach Atem.
Hoffentlich hatte er die ganze Situation nicht falsch verstanden. So gut es ging schlang ich die Arme um mich umd versuchte mich vor seinen Blicken zu schützen.
Ich wagte ein schüchternes Lächeln. "Ja. Irgendwie hat es Spaß gemacht."
"Nächste Woche wieder?"
Ehe ich wusste, was ich tat, nickte ich.
Wahnsinn. Jetzt hatte ich ein Date mit dem Jungen im Internat, den ich am meisten hasste. Und der mich hasste.  Und vor allem: wie verrückt war das denn bitte, sich im Hallenbad zum Gegenseitig-Tunken zu verabreden? Aber andererseits, wie verrückt war es, dass er ins Schwimmbad kam und einfach so anfing, mich zu tunken?
Als hätte er meine Gedanken gelesen, grinste er, dann schwamm er zum Beckenrand, kletterte hinaus und erreichte im nächsten Moment die Ausgangstür.
Das letzte was ich sah, war ein Tattoo, das seinen linken Bizeps zierte und das mir bisher noch nie aufgefallen war.
Unbändige Neugier packte mich. Ich wollte unbedingt wissen, was es mit diesem Tattoo auf sich hatte.

Just another BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt