Fassetten

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~~~ larissa_bam_2004 gewidmet ~~~

Erschöpft von Tränen und Selbstvorwürfen schliefen wir schließlich nebeneinander ein.
Noch vorgestern hätte ich das nicht für möglich gehalten. Ich hätte Lucas lieber ertränkt als neben ihm zu schlafen. Aber manchmal ändern ein paar Momente alles. Dann stellen ein paar Sekunden dein ganzes Leben auf den Kopf.
Genau das war geschehen. Plötzlich empfand ich Lucas' Gesellschaft als angenehmer als meine eigene. Ich wollte nicht alleine sein, aber auch nicht meine Zeit mit Su und Jen verbringen. Ich hatte das seltsame Gefühl, dass Lucas der einzige war, den ich gerade ertragen konnte.
Wir wachten erst um 10 Uhr morgens auf, beschlossen ohne Worte, nicht in den Unterricht zu gehen und verließen stattdessen das Internat um in der Stadt zu frühstücken.
Auf dem Weg begegneten wir keinem anderen Schüler und ich war froh darüber. Ich hatte Angst, dass, wenn wir einen von Lucas Freunden trafen oder wenn ich ihn für eine Weile allein lassen würde, diese Einigkeit zwischen uns wieder verschwinden würde. Dass dieses Band zwischen uns zerreißen würde und die normalen Verhältnisse uns wieder einholen würden, so als wäre alles nur ein Traum gewesen.
Wir frühstückten schweigend in einem Café und wanderten dann weiter zum Krankenhaus.
Die Frau am Empfang wies uns zurück. Cat sei gerade im OP, wir sollten morgen nochmal kommen. Ich konnte nur stumpf vor mich hinstarren, während Lucas aushandelte, dass wir zumindest bleiben durften, bis klar war, wie die OP verlaufen war.
Wir setzten uns auf eine Bank vor dem Krankenhaus. Die Sonne schien höhnisch von einen wolkenlosen, hellblauen Himmel.
Ich zog die Knie an und umarmte meine Beine. Eine ganze Weile schwiegen wir.
Mein Handy durchbrach die Stille.
Pling!
Seufzend zog ich es heraus. Der Klassenchat meiner alten Klasse informierte wieder über Hausaufgaben, Klausurstoff und Ausflälle. Ich atmete tief ein, dann ging ich in die Chatinfo und löschte die Gruppe.
Lucas sah mir über die Schulter. “Hast du gerade deine alte Klasse gelöscht?“, fragte er erstaunt.
Ich nickte bedächtig. “Ich habe das Gefühl, ich gehöre da nicht mehr hin. Das ist nicht mehr... meine Welt.“
Lucas berührte sanft mit der Hand meine Schulter, bevor er seinen Arm ganz um mich legte.
Ich steckte mein Handy wieder ein.
Wir schwiegen.
Mein Blick wanderte von Lucas Fingern über seinen Unterarm zu seinem Bizeps.
“Was hast du eigentlich für ein Tattoo?“, fragte ich schüchtern.
“Sieh nach“, erwiderte Lucas und schlüpfte aus seiner Jacke. Zögerlich schob ich seinen Ärmel nach oben.
Zum Vorschein kam ein schwarz-weißer Orka, der gerade einen Luftsprung vollführte, umgeben von einigen Wassertropfen.
“Ein Orka?“, flüsterte ich überrascht.
Lucas nickte. “Er soll mich daran erinnern, dass nicht immer alles ist wie es scheint.“
Fragend sah ich ihn an.
“Okras werden auch Killerwale, Mörderwale oder Blutwale genannt. Sie sehen groß und bedrohlich aus. Dabei haben sie ein komplexes Sozialgefüge, eine eigene Kommunikation und sind auch nicht unintelligent.“
Verwundert strich ich mit dem Finger über die filigrane Tätowierung. Je mehr Zeit ich mit Lucas verbrachte, desto mehr erstaunte er mich mit den verborgenen Fassetten seiner Persönlichkeit, die er nach und nach enthüllte.

Just another BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt