Das durfte nicht wahr sein. Das konnte einfach nicht. Ich träumte nur, ich bildete es mir ein, ich hatte Halluzinationen! Irgendwas, aber das konnte nicht echt sein.
“Nein“, sagte ich. Und dann nochmal mit Nachdruck: “Nein! Das ist nicht wahr. Sie verarschen mich!“
Frau Tutleyv sah mich aus müden Augen traurig an. “Leider nein.“
Wie ein Stock saß ich da, konnte nicht glauben, was ich gehört hatte. Ich konnte mich nicht bewegen, nur still dasitzen, gefangen in diesem schrecklichen Gedanken.
Frau Tutleyv stand auf, setzte sich neben mich. Und dann tat sie etwas, was ich von einer Direktorin nie erwartet hätte: sie nahm mich in den Arm. Ganz zögerlich nur, aber ich ließ mich mit meinem ganzen Entsetzen gegen sie fallen. Und sie hielt mich fest, wartete, dass ich mich wieder selbst halten könnte.
“Ssssccchhht“, murmelte sie beruhigend in mein Ohr. “Cat ist ja nicht tot.“
Ich sah nicht auf, blieb an sie gelehnt sitzen. “Aber im Koma! Ich hätte sie nicht alleine gehen lassen dürfen. Ich hätte bei ihr bleiben müssen, mitkommen müssen oder sie dazu bringen müssen, hier zu bleiben“, blubberte es aus mir raus.
“Du hättest gar nichts müssen. Es war ihre Entscheidung, in die Stadt zu gehen, und keiner hatte ahnen können, dass so etwas passiert“, versuchte Frau Tutleyv mich sanft zu beruhigen. “Und die Ärzte haben alle Hoffnung, dass sie bald aufwacht.“
Ich schluchzte auf und sah endlich zu ihr auf. “Toll. Mit zertrümmerten Knien!“
“Lynn, ein zertrümmertes Knie ist besser als tot zu sein.“
“Aber es ist schlimmer als davor. Als sie gar keine Probleme hatte.
Ich wünschte nur, ich hätte irgendwas getan um es zu verhindern.“
“Du kannst jetzt etwas tun.“ Sie richtete mich vorsichtig in ihren Armen auf. “Ihre Eltern können noch nicht kommen. Lass sie nicht allein! Geh zu ihr. Rede mit ihr. Pass auf, dass sie keine Alpträume bekommt.“
Mein Atem zitterte. “Meinen Sie wirklich, das hilft?“
Meine Direktorin nickte. “Ich glaube, die Nähe von Menschen, denen man wichtig ist, hilft immer.
Ich befreie dich für den Unterricht heute. Und vielleicht auch die restliche Woche. Mal sehen.
Du machst dir darum auf jeden Fall jetzt mal keinen Kopf. Du hast schon genug Sorgen.“
Langsam nahmen meine Muskeln wieder ihre Funktion auf. Eine Aufgabe zu haben, helfen zu können, gebraucht zu werden, gab mir eine Kraft, die nicht nur von innen, sondern viel mehr von außen zu kommen schien.Alles fühlte sich so furchtbar unecht an. Ich wusste genau, dass das alles Wirklich war, dass Cat wirklich von einem Auto angefahren war, dass sie wirklich hier zwischen all den weißen Wänden, weißen Decken, weißen Betten und Weißen Schränken lag, das wir wirklich in der Intensivstation waren. Mein Kopf wusste es, erzählte es mir jeden Herzschlag neu, aber es fühlte sich nicht so an.
Es fühlte sich an, als wären das alles nur Träume, als wäre alles nur in meinem Kopf entstanden. Und wenn ich die Augen schloss und wieder öffnete, dann wäre alles weg, alles wieder normal. Wir wären im Internat und würden gemütlich am Esstisch sitzen und essen.
Selbst als ich zu Cat hinunter sah, wie sie da beinahe so weiß wie ihre Umgebung zwischen Käbelchen und Schläuchen lag, kam die Wirklichkeit doch nicht in meinem Herzen an.
“Cat, es ... es tut mir leid! Hörst du? Ich wollte das nicht. Und ich weiß, dass ich es hätte verhindern können. Ich hätte dich fragen sollen, ob du mit mir schwimmen gehst.“
Wie seltsam, dass so eine kleine Sache wie eine einfache Frage alles verändern konnte.
Ich stellte mir vor, wie ich richtig handelte. Wie ich Cat fragte, ob sie mit mir schwimmen gehen würde. Wie sie sich zuerst weigern würde, aber mit ein paar guten Worten und etwas Argumentationskunst würde ich sie überreden. Wir würden schwimmen und keiner käme auf die Idee, dass die an diesem Abend hätte ins Koma fallen können.
Es fühlte sich so an, als könnte ich das immer noch machen. In meiner Erinnerung konnte ich es, es war so einfach. Und das machte alles noch so viel schlimmer. Denn in Echt konnte ich es nicht.
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Just another Badboy
RomanceAls Lynn auf das Internat kommt, hat sie von Männern und Jungs absolut die Nase voll. So sehr sie auch die Zeit mit ihren neuen Freundinnen genießt, so sehr hält sie alle männlichen Wesen auf Abstand. Doch einer erregt ihre Aufmerksamkeit und lässt...