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Blaue Flecken, Nasenbluten immer dann, wenn ich mich aufrege, des Öfteren die Grippe, Knochenschmerzen, Schwächeanfälle. Wenn man ein und eins zusammenzählt und zurückdenkt, dann ergibt alles einen Sinn. Doch wenn man sich damit nicht auseinandersetzt, nicht mal im Geringsten daran denkt, dass diese simplen Symptome, von einer sehr großen Krankheit kommen können, dann scheinen sie sehr unwichtig zu sein.

Es war sehr still im Raum. Nedim hielt nur meine Hand und starrte die Wand an. Ich versuchte so ruhig wie möglich zu bleiben und keinen Mucks von mir zu geben. Es war so still im Raum, dass man sogar eine Stecknadel hätte fallen hören. Sogar den Sekundenzeiger, der Uhr, die sich im Raum befand, konnte man hören. Es schien mir alles so absurd. So sinnlos. Nie hätte ich daran gedacht, dass ich an einer Krankheit erkranke und mich im Krankenhaus vorfinde. Es war mitten in der Nacht. Doch an schlaf konnte ich nicht denken. Noch nicht mal an das Verarbeiten der Situation konnte ich denken. In diesem Moment schien mir alles irrelevant. Die Worte des Arztes hallten immer noch in meinen Ohren, sodass ich nicht einmal mitbekam, dass Nedim meine Hand losgelassen hat. „Amal.", brach er meinen Namen nur schwer über die Lippen. „Ja?", sagte ich mit zittriger Stimme und betrachtete ihn. Er lief nervös auf und ab. Ich verfolgte ihn mit meinen Augen, bis er abrupt stehen blieb. „Ich kann das nicht. Ich kann das einfach nicht.", er blickte mir in die Augen und ich riss meine Augen auf. „Es tut mir leid.", flüsterte er und verließ das Zimmer. Mit offenem Mund starrte ich die Tür an, durch die Nedim vor wenigen Sekunden verschwunden war. Was sollte das denn? Er kann doch nicht einfach gehen. Er kann mich doch nicht alleine lassen.

Meine Augen füllten sich mit Tränen und ich spürte einen Schmerz in meinem Herzen, den ich vor mehr als 4 Jahren das letzte Mal gespürt habe. Ich fing an zu schluchzen und konnte nicht mehr klar denken. Wieso geht er jetzt einfach? Wieso geht er jetzt und hinterlässt in meinem Herzen und meiner Seele den Schmerz, der mir vor mehr als 4 Jahren schon einmal zugefügt worden ist?

...

„Frau Hodzic, waren sie die Nacht über alleine?", fragte mich mein Arzt. „Ja.", beantwortete ich ihm seine Frage. „Wieso?", wollte er wissen. „Er konnte das alles einfach nicht.", der Arzt nickte nur. „Dann kläre ich sie alleine auf.", ich nickte nur und der Arzt fing an. (Diesen etwas längeren Teil könnt ihr lesen, wenn ihr darauf steht, wenn nicht einfach überspringen) „Das Blut besteht aus einer flüssigen Phase, dem Blutplasma und den Plasmaeiweißen, sowie festen Bestandteilen, den Blutkörperchen. Zu den Blutkörperchen zählen die Erythrozyten, d.h. rote Blutkörperchen, die Leukozyten d.h. weiße Blutkörperchen und die Thrombozyten auch bekannt als Blutplättchen. Die Leukozyten lassen sich in Lymphozyten, Granulozyten und Monozyten unterscheiden. Aufgabe der Granulozyten und Monozyten ist es, Erreger und Zelltrümmer in sich aufzunehmen und sie auf diese Weise zu zerstören. Von den Lymphozyten gibt es zwei verschiedene Formen: Die T-Lymphozyten und B-Lymphozyten. Beide spielen eine wichtige Rolle bei der Infektabwehr. Gebildet werden die reifen Blutkörperchen aus Stammzellen und Vorläuferzellen, die sich im Knochenmark befinden. Bei der akuten lymphatischen Leukämie bilden sich aus den Vorläuferzellen der Lymphozyten, den sogenannten lymphatischen Blasten, entartete Krebszellen, die nicht mehr in der Lage sind, eine Abwehrfunktion gegen Erreger zu übernehmen. Aus dem Knochenmark gelangen sie in den Blutstrom. Da sie sich rasch teilen und vermehren, verdrängen Leukämiezellen nicht nur die noch funktionsfähigen Lymphozyten, sondern auch alle anderen Blutzellen, die im Knochenmark gebildet werden. In der Folge kommt es zu einem Mangel an Blutplättchen sowie weißen und roten Blutkörperchen. Im weiteren Verlauf der Erkrankung wandern die Leukämiezellen auch in andere Organe, wie Lymphknoten, Leber, Milz, Niere und Hirnhaut, und können dort zu Funktionsstörungen führen. Die akute lymphatische Leukämie ist die häufigste bösartige Erkrankung im Kindesalter und tritt am häufigsten bei Ein- bis Fünfjährigen auf. Sie kann aber auch bei Erwachsenen auftreten. Da es so scheint, als ist ihr Krebs noch im Anfangsstadium, müssen wir nicht gleich die größten Maßnahmen ergreifen. Ich würde ihnen vorschlagen zu den jeweiligen Therapien hierhin zu kommen, sodass wir sie nicht ins Krankenhaus einweisen müssen. Es ist besser, wenn sie nach Hause können, denn dann bekommen sie das Gefühl des Krank seins nicht so oft vermittelt. Therapien hierbei sind die Induktionschemotherapie. Das heißt, dass die Behandlung auch mit der sogenannten Induktionschemotherapie beginnt. Mit dieser soll die Krankheit so weit zurückgedrängt werden, dass im Knochenmark und im Blut keine Leukämiezellen mehr nachweisbar sind. Dann sprechen Experten von einer kompletten Remission. Weil die Leukämiezellen bei der akuten lymphatischen Leukämie nicht selten das Gehirn befallen, erhalten alle diese Patienten vorbeugend eine Behandlung, die auch das Zentralnervensystem erreicht. Hierfür werden geringe Dosen der Chemotherapie direkt in die Rückenmarksflüssigkeit verabreicht. Diese ZNS-Prophylaxe wird in der Regel im Rahmen der Induktionstherapie durchgeführt. Danach schließt sich als zweite Phase eine Intensivierungsbehandlung an, auch Konsolidierungstherapie genannt. Ziel dieser Therapiephase ist es, die mit der Induktionstherapie erreichte Remission zu erhalten und eventuell im Körper verbliebene, unentdeckte Leukämiezellen zu zerstören. Den dritten Block der Chemotherapie stellt die Erhaltungstherapie dar, die bis zu zwei Jahre andauern kann. Darin können auch intensivere Behandlungsphasen, sogenannte Reinduktionen, eingebaut sein. Der Stellenwert einer Blutstammzelltransplantation in der Erstbehandlung der akuten Leukämien wird international unterschiedlich beurteilt und in klinischen Studien untersucht. Bei einem Rückfall oder bei einem Misslingen der drei genannten Schritte, stellt eine Knochenmark- beziehungsweise Blutstammzelltransplantation eine wichtige Behandlungsmöglichkeit dar. Dabei wird zunächst das patienteneigene Knochenmark mithilfe einer sehr intensiven Chemotherapie und einer eventuellen Strahlentherapie komplett zerstört, um nach Möglichkeit alle Leukämiezellen zu vernichten. Anschließend werden dem Betroffenen gesunde Stammzellen eines Spenders übertragen. Diese sollen die Blutbildung wiederherstellen. Zudem greifen die gesunden Blutzellen des Spenders noch vorhandene Leukämiezellen an und eliminieren diese. Weitere Behandlungsmethoden Zusätzlich zur Chemotherapie ist eine unterstützende Behandlung wichtig. Sie kann bei Bedarf helfen, Nebenwirkungen und möglichen Komplikationen der Erkrankung und Therapie vorzubeugen oder diese zu behandeln. Dazu gehören beispielsweise Transfusionen von roten Blutkörperchen und Blutplättchen sowie die Gabe von Antibiotika und Mittel gegen Pilzinfektionen. Ebenso zählt die Gabe von Wachstumsfaktoren dazu, welche die Bildung weißer Blutkörperchen nach einer intensiven Chemotherapie anregen. Vorzugsweise werden als Knochenmarkspender Geschwister des Krebskranken genommen. Die Wahrscheinlichkeit, einen geeigneten Spender in der Familie zu finden, liegt bei etwa 25 Prozent. Falls sich kein passender Spender aus der Familie findet, kann in nationalen und internationalen Knochenmarkspender-Registern nach einem Fremdspender mit nahezu identischen Gewebemerkmalen gesucht werden. Mittlerweise enthalten diese Register so viele potenzielle Spender, dass die Suche in über 80 Prozent der Fälle zum Erfolg führt. In Deutschland werden Spender in einer der regionalen oder überregionalen deutschen Spenderdateien wie beispielsweise der Deutschen Knochenmarkspenderdatei registriert. Die Spenderdaten aus ganz Deutschland laufen alle im zentralen Knochenmarkspender-Register Deutschland zusammen. Hier wird dann auch die Suche nach einem geeigneten nicht-verwandten Spender durchgeführt. Mögliche Alternativen zu einer Geschwisterspende und einem passenden Fremdspender sind darüber hinaus die Transplantation von Nabelschnurblut aus öffentlichen Nabelschnurblutbanken oder auch die Transplantation von Stammzellen eines zur Hälfte passenden Familienangehörigen. Von erwachsenen Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie kommen neun von zehn Patienten in eine komplette Remission, aber nur etwa vier von zehn Patienten können mit der zur Zeit zur Verfügung stehenden Behandlung dauerhaft geheilt werden. (QUELLE: http://www.apotheken-umschau.de/Leukaemie/Akute-Leukaemie-Therapie-18920_5.html)", ich hörte dem Arzt zwar zu, doch bei mir blieb nicht viel Hängen. Es war mir auch, wenn ich ehrlich sein soll, gar nicht wichtig, wie die Behandlung sein wird. Was momentan für mich am wichtigsten war, war die Frage, ob ich nach der Behandlung, wenn sie dann erfolgreich sein sollte, Kinder bekommen kann. Außerdem beschäftigte es mir sehr, wo sich Nedim befindet, sodass ich nicht ganz bei der Sache bleiben konnte und abschweifte. „Frau Hodzic haben sie noch Fragen bezüglich der Therapie?", wollte der Arzt von mir wissen. „Werde ich, nach dem überstehen der Krankheit, falls dies eintreten sollte, Kinder bekommen können?", der Arzt sah mich mit einem undefinierten Blick an. „Ist das wirklich die einzige Sache, die sie bei der kompletten Geschichte interessiert?", ich nickte und bejahte somit seine Frage. „Nun ja, wir können ihnen vor der Behandlung Gewebe der Eierstöcke und Eizellen entnehmen und diese dann einfrieren.", erklärte er mir. „Und dann?", hinterfragte ich. „Dann können wir das Gewebe einsetzen und darauf hoffen, dass sie ihr Eierstock regeneriert und wieder vollständig funktioniert.", ich nickte. „Und was ist mit den Eizellen, die sie entnehmen wollen?", hinterfragte ich. „Die können wir auch einfrieren und anschließend kann man dann eine In vitro Fertilisation machen, das heißt, man kann die Eizelle im Labor mit Samen befruchten, ihnen Einsetzten und hoffen, dass sie schwanger werden. Jedoch wäre es besser, wenn wir vorher die Eizellen befruchten, ehe wir sie einfrieren, weil so eine höhere Chance besteht, dass die Eizellen nicht absterben, sondern erhalten bleiben.", sofort dachte ich an Nedim. „Danke für die Information. Wann fangen wir mit der Chemo an und wann kann ich nach Hause?", fragte ich den Arzt. „Wir beginnen übermorgen mit der Chemo und sie können heute schon nach Hause.", erneut nickte ich dem Arzt zu. „Ich hätte dann gerne die Entlassungspapiere.", dieses Mal nickte der Arzt zu mir zu und ging meine Papiere vorbereiten. Ich hingegen schnappte mir mein Handy und wählte Nedims Nummer.

„Amal."

„Nedim wo bist du? Ich brauche dich."

„Ich bin zu Hause."

„Sehr schön."

„Wann kannst du aus dem Krankenhaus raus?"

„Interessiert dich das wirklich?"

„Ja, ich möchte dir alles erklären und mit dir reden."

„Ich werde gleich entlassen. Komm zu mir nach Hause."

„Ich komm dich abholen."

„Oke."

„Ich warte vor dem Krankenhaus auf dich."

„Danke."

Und schon hatte er aufgelegt. Er hörte sich traurig, aber auch sehr zurück gezogen und kalt an. Ich wusste nicht, was er hat. War er wirklich so schwach, um meine Diagnose zu verkraften. Das kann doch nicht wahr sein. Und was heißt denn bitte, dass er mit mir reden und alles klären möchte?

Eine Stunde noch wartete ich auf meine Entlassungspapiere und auf die Termine von meinem Arzt. Dann verabschiedete ich mich von ihm und begab mich aus dem Krankenhaus raus. „Endlich bist du da, ich dachte, dass du gar nicht mehr kommst.", meckerte Nedim, als ich mich ins Auto gesetzt hatte. „Ich freue mich auch dich zu sehen mein Verlobter.", ich gab ihm zu meiner ironischen Aussage einen Kuss auf die Wange und er fuhr los. „Nedim vorab möchte ich dich etwas fragen.", fing ich an, als wir dabei waren nach Hause zu fahren. „Was denn?", hinterfragte er. „Guck mal, durch die Therapie kann es sein, dass meine Eierstöcke nicht mehr funktionstüchtig sein werden. Deswegen werden die Ärzte übermorgen Gewebe von meinen Eierstöcken und Eizellen entnehmen. Damit aber die Eizellen eine höhere Überlebenschance haben, wäre es besser, wenn man sie befruchtet. Ich dachte mir, da wir irgendwann sowieso heiraten möchten und schon verlobt sind, dass ich dich frage, ob du dich dazu bereit erklärst deine Samen abzugeben, sodass man die Eizellen befruchten und dann einfrieren kann.", abrupt Bremste Nedim ab. „Was ist denn in dich gefahren? Ich möchte kein Kind aus dem Labor ich möchte ein Kind auf natürlichem Wege zeugen.", fing er an mich dumm anzumachen. „Ich habe dir lediglich eine Frage gestellt. Wieso rastest du sofort aus? Ich habe dich nicht um eine Niere gebeten, sondern um deine Samen, von denen du sowieso genug hast. Wenn wir nach der Therapie heiraten, dann kann es sein, dass meine Eierstöcke gar nicht mehr vorhanden sind und somit auch keine Eizellen produzieren können, deswegen ja die Präventivmaßnahmen. Was ist daran falsch?", er fuhr wieder los und ignorierte meine Aussage, bis wir bei mir zu Hause waren.

Immer noch schweigend begaben wir uns zu meinem Appartement und auch im Appartement schwiegen wir uns an, bis Nedim das Wort ergriff und mit dem Sprechen anfing: „Amal ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber ich will keine Kinder aus dem Labor. Ich möchte sie auf natürlichem Wege zeugen. Ich weiß, dass dies bei dir nicht möglich sein wird. Das ist aber nicht der Grund meiner Entscheidung, denn diese habe ich eigentlich schon vorher getroffen und die Diagnose gestern, hat sie mir bekräftigt. Amal ich liebe dich und wer weiß, vielleicht habe ich nie ein Mädchen so geliebt wie dich.", er machte eine Pause. „Aber?", hinterfragte ich während seiner Pause. „Aber ich bin der Meinung, dass wir unsere Verlobung auflösen sollten. Amal ich möchte die Verlobung auflösen und ich möchte diese Beziehung, die du und ich miteinander führen, beenden."


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