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Barfuß mit Schuhen in meiner Hand, zerzausten Haaren, einem zerrissenem Kleid und völlig durchnässt, stand ich an der Türschwelle unseres Hauses. Meine Schminke war verlaufen und meine Augen angeschwollen. „Oh mein Gott Amal was ist passiert?", fragte mich meine Familie. Ich trat ins Wohnzimmer und ließ mich auf meine Knie fallen. „Er hat mich verlassen. Die Beziehung beendet. Vor kurzem war noch alles in Ordnung und jetzt zerreißt er einfach so mein Herz in tausend Einzelteile.", erneut weinte ich und drohte auch durchzudrehen. „Ich muss weg. Ich muss weg.", immer und immer wieder widerholte ich mich. Völlig benebelt von meiner Wut und Trauer, begab ich mich auf mein Zimmer und fing an meine Klamotten einzupacken. Was in mich gefahren ist das weiß ich nicht, doch die Worte „Ich muss weg" wiederholend, packte ich ein Teil nach dem anderen ein.

Meine Mutter, mein Vater und mein Bruder klopften nacheinander an meine Tür. Ich jedoch reagierte nicht. Noch um fünf Uhr morgens war ich fertig mit dem Packen und öffnete endlich die Tür. „Ich gehe. Ich drehe noch am Rad Mama. Ich muss weg.", sie sahen mich alle verwirrt an und wussten nicht, was sie sagen sollten. Ich zog mich schnell um, schminkte mich ab und trug mit der Hilfe meiner Familie meine Tasche runter. „Wohin gehst du?", fragte mich mein Vater. „Hamburg.", gab ich knapp von mir, lud alles ins Taxi und setzte mich rein.

Fünf Stunden später war ich in Hamburg. Ein Hotel war schnell gefunden, doch das Geld, welches ich hatte reichte nicht für alles aus. Da ich von der Universität in Hamburg eine Zusage bekommen habe, vereinbarte ich schnell einen Termin zur Einschreibung und erkundigte mich nach einem Platz im Studentenwohnheim.

...

„Wo bist du?"

„In Hamburg."

„WAS? Spinnst du?"

„Lamija lass gut sein."

„Komm bitte zurück nach Düsseldorf. Ahmet und ich sind auch in zwei Tagen da. Du gehörst zu uns."

„Ich gehöre zu niemandem mehr Lamija. Lass es bitte."

„Was ist denn passiert? Was hält Jasin davon?"

„Frag ihn doch. Ich habe nichts mehr mit dem zu tun."

„Wieso?"

„Ich möchte und kann nicht darüber reden. Ich möchte einfach nur meine Ruhe haben."

Ich legte, ohne auch nur auf ihre Antwort zu warten, auf. Schmiss mein Telefon in eine Ecke des Zimmers und legte mich zusammengekauert auf mein Bett. Zwei Wochen war ich nun in Hamburg. Besaß schon ein eigenes Zimmer, hatte schon einen Aushilfsjob und auch mein Studium hatte schon begonnen.

Meine Lebensfreude nahm von Tag zu Tag ab, mein Leben machte mir keinen Spaß mehr. Ich wollte nicht mehr leben, nicht mehr Atmen einfach nicht mehr existieren. Ich wiege mich in der sitzenden Embryonalstellung jeden Abend in den Schlaf und wache jeden Morgen mit Kopfschmerzen auf. Das Konzentrieren fällt mir schwer und auch die alleinige Erinnerung an Jasin, ruft in mir eine Trauer und Wut aus, die mich nicht in Ruhe leben lässt.

Weinend vergrub ich meine Hände ich meine Haare und zog daran. Ich will nicht mehr. Ich kann das nicht mehr. Wieso musste es so kommen? Wir wollten immer zusammen bleiben und heiraten. Wieso konnte er sich nicht gedulden?

„Jasin bitte, wir ändern das. Schlaf mit mir, mach mit mir was du willst, aber verlasse mich nicht, denn das würde ich nicht ertragen."

Immer und immer wieder rief ich mir diesen Satz von mir in die Gedanken. Wie dumm ich bin. Wie naiv ich einfach bin. Und wie schwach ich einfach nur in diesem Moment war, dass ich allem, was er auch nur von mir verlangt hätte, nachgegangen wäre. Ich hätte auch mit ihm geschlafen und mich unter meinem Niveau verkauft, nur damit er bei mir bleibt. Ich hätte meine Ehre hergegeben für eine Person, die sich für mich nicht einmal aufsparen und möchte und die für mich nicht einmal standhaft bleiben kann.

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