Kapitel 35 - Das Geständnis

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Der schmuddelige Pub, der zwischen der großen Buchhandlung und dem Musikladen völlig unterging, erstreckte sich vor Arias Nase. Sie atmete tief ein bevor sie durch die morsche Tür in den Pub hineintrat. Dort schwappte ihr ein Geruch entgegen, der aus Butterbier, Kürbissaft und Feuerwhiskey zusammengesetzt war. Dunkel gekleidete Hexen und Zauberer unterhielten sich an der Bar mit dem Wirt. Mit einem mulmigen Gefühl ließ sich Aria an einem kleinen Tisch in der hintersten Ecke des Gasthauses nieder. Ungeduldig schweifte ihr Blick über die Inneneinrichtung und somit auch über die Anwesenden, doch einen weißblonden Haarschopf konnte sie nicht entdecken. Sie hoffte so sehr, dass Draco hier auftauchen würde. Ihre Augen wanderten zum Wirt, der sie schon längere Zeit beobachtete. „Was zu trinken?", rief er ihr entgegen, über die Köpfe der anderen Gäste hinweg. Aria war dies ein wenig peinlich, doch sie antwortete trotzdem: „Einen Kürbissaft, bitte."

Wenige Minuten später stand die Limo vor Aria auf ihrem Tisch. Ein paar Mal nippte sie an dem Getränk, doch ihre Aufmerksamkeit wurde vielmehr der Tür schräg gegenüber von ihr gewidmet. Auf einmal stürmte jemand durch den Eingang. Er war in einen schwarzen Pullover gehüllt, die blonden Haare standen zerzaust in alle Richtungen. Schweratmend lief Draco auf Aria zu. „Du kannst von Glück reden, dass ich hier aufgetaucht bin. Ich wollte den Brief erst nicht entgegen nehmen, weil es Potters dämliche Eule war, die an mein Fenster geklopft hat.", raunte der Malfoyerbe streng und setzte sich auf den Stuhl neben der Slytherin. Hastig sog er Luft ein. Er hatte sich offensichtlich beeilt. „Und was hat dich dazu verleitet, den Brief dann doch anzunehmen?", fragte Aria, die spürte, dass Draco schlecht gelaunt war. Aber sie nahm es ihn nicht übel, schließlich war sie es, die ihn mitten in der Nacht um den Schlaf gebracht hatte. „Hab gesehen, dass der Brief von dir ist und als ich ihn gelesen habe, da konnte ich schlecht Zuhause in meinem gemütlichen Bett liegen bleiben.", schnaubte Draco mit ironischem Unterton und zog die Augenbrauen nach oben. Doch ein Grinsen konnte er sich nicht verkneifen. Auch Aria lächelte ihn an: „Dann liebsten Dank für dein Erscheinen, Draco."

Draco winkte ab: „Schon in Ordnung. Aber jetzt erzähl mal. Du meintest, es sei wichtig." Aria seufzte. Jetzt kam der unangenehme Teil für sie. Wo sollte sie bloß anfangen? Wie sollte sie ihm das erklären? Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, während ihr Mund begann auszutrocknen. Schnell nahm sie einen Schluck ihres Kürbissaftes. Doch sie spürte, wie die Tränen nahe hinter ihren Augen standen. Zwanghaft versuchte sie diese zurückzuhalten, obwohl sie so sehr das Bedürfnis hatte einfach loszulassen. Zitternd stieß Aria Luft aus. Sie war kein Schlammblut.

„Aria? Geht es dir gut?", besorgt blinzelte Draco sie mit seinen stürmischen Augen an. Die Slytherin schüttelte den Kopf. „Salazar Slytherin pflegte den Stolz, den man auf seine magische Abstammung haben sollte, richtig?", fragend musterte Aria ihren Gegenüber. Draco nickte bloß verwirrt: „Ja, aber was hat das mit dir zu tun?" Nervös leckte Aria sich über die Lippen, den Tränen immer näher. „Eine ganze Menge sogar, Draco.", hauchte die Slytherin ängstlich. „Erinnerst du dich damals im dritten Schuljahr, wie du mich vor der peitschenden Weide gerettet hast?"

Draco nickte zaghaft: „Ja... du hast geweint." Über Arias Lippen glitt ein sarkastisches Lachen. „Das habe ich wohl." Eine unangenehme Stille überkam die Beiden, in der niemand etwas zu sagen vermochte. Aria fühlte sich so befangen, sie wusste nichts mit sich anzufangen in diesem Moment. „Versuch es, mir zu erklären.", flüsterte Draco und schaute Aria dabei intensiv in ihre dunklen Augen. „Jahrelang habe ich geglaubt, ich sei...", Aria stockte kurz. „Ich sei ein Schlammblut." Dracos Augen wurden schlagartig größer. Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Sein Gesicht lag nun im fahlen Licht der Laterne, die über ihren Köpfen baumelte. „Bist du eins?", spuckte er zwischen seinen Zähnen hervor. Genau davor hatte Aria so eine Angst. Sie wusste, wie Draco zu einem solchen Blutsstatus steht. Doch die Slytherin schüttelte ihre schwarze Lockenpracht. „Ich dachte ich sei eins, Draco... ich dachte ich sei ein Schlammblut.", schluchzte Aria und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Sie weinte. Tränen überkamen Aria und überfluteten sie unerbittlich. Gnadenlos strömten sie über ihre blassen Wangen.

Draco merkte augenblicklich, was er falsch gemacht hatte. Wie konnte er nur so unsensibel sein? Er verdammte sich selber dafür, wie grob er zu Aria gewesen war in einem Moment, wo sie ihn am meisten brauchte. Schnell griff er nach ihren Händen und zog sie von ihrem Gesicht weg. Glasige, dunkle Augen starrten ihn an. „Du dachtest, du seist eins, aber bist es nicht?", hakte er behutsam nach. Noch immer hatte er ihre Hände mit seinen umfasst. Wieder schüttelte Aria ihren Kopf: „Nein, Draco. Mein Vater ist ein Zauberer."

Dracos Mundwinkel zuckten kurz nach oben: „Aber das ist doch gut, oder nicht?" Traurig zog Aria ihre Augenbrauen zusammen, doch sie zwang sich ein Lächeln auf ihre Lippen: „Besser ein Halbblut, als Schlammblut oder?" Auch Draco entfuhr ein leises Lachen als Antwort. „Warum hast du mir nie eher erzählt, dass deine Eltern Muggle sind?", fragte Draco sie.

Mit verweinten Augen betrachtete die Slytherin den jungen Malfoy. „Du und deine Familie legen unheimlich viel Wert auf einen reinen Blutsstatus, Draco. Ich... ich hatte Angst es dir zu erzählen, weil ich weiß, wie du reagiert hättest. Aber nun weiß ich selber, dass ich nicht muggleabstämmig bin. Ich brauche mich nicht länger für etwas schämen, was ich gar nicht bin.", erleichtert lächelte Aria ihn an. „Ich habe magische Wurzeln."

So Recht verstand Draco das Ganze noch nicht, aber als er die Erleichterung in Arias Augen aufblitzen sah, bemerkte er, dass auch ihm ein Stein vom Herzen fiel. Er konnte nicht verstehen, wie Aria sich als Schlammblut gefühlt haben muss, aber er war froh gewesen, dass sie nun wirklich einen Zauberer als Vater hatte. Es war wirklich besser, dass sie ein Halbblut als ein Schlammblut war.

Draco seufzte und betrachtete Aria im kühlen Licht der Laterne: „Du hast dich mir gegenüber geschämt?" Die Slytherin drückte Dracos Hände fester und musterte die markanten Gesichtskonturen des Malfoys. Er hatte sich vom dritten Jahr her noch einmal deutlich verändert. „Draco, ich habe mich allen gegenüber geschämt. Pansy hat es bereits im zweiten Jahr herausbekommen. Ich dachte es dauert nicht mehr lange, da weißt du es auch. Vor allem, weil dein Vater mit meiner Mutter sprach. Ich hatte innig gehofft, dass ich selber dazu komme, es dir irgendwann zu erzählen."

„Ich habe nichts davon gewusst, Aria.", entgegnete Draco ernst. „Aber eines sei dir sicher, du brauchst dich mir gegenüber für nichts schämen. Du bist eine der stärksten Hexen, die ich kenne. Wenn nicht sogar die Stärkste!" Die Slytherin gab ein mädchenhaftes Kichern von sich und erschrak sich selbst im Inneren, welches Verhalten Draco bei ihr hervorrief. „So viel Lob von einem Malfoy bin ich ja gar nicht gewöhnt.", scherzte sie und lächelte Draco verstohlen an. Er lächelte zurück.

„Nun", sagte der Slytherin langsam. „Was hast du jetzt vor?" Erwartungsvoll und gleichzeitig besorgniserregend blickte er Aria an. „Ich werde mir die letzten Wochen der Ferien ein Zimmer, hier im tropfenden Kessel, nehmen.", antwortete diese und nahm einen Schluck des Kürbissaftes. Draco gab nur ein knappes Nicken von sich. Sie unterhielten sich noch ein wenig, aber dann verabschiedete Draco sich und Aria döste noch einige Minuten alleine in dem dunklen Eck des Gasthauses, nippend an ihrem Kürbissaft.

Sie hatte keine Ahnung, dass dies die letzten, entspannten Wochen ihres anstehenden Jahres waren.

Nun.. also hat Aria es Draco letztendlich doch erzählt, dass sie glaubte, dass sie ein "Schlammblut" war? Denkt ihr, es war gut, dass die beiden sich ausgesprochen haben? Und was meint ihr, wird in Arias nächstem Schuljahr passieren? Wird vielleicht ein weiteres Geheimnis gelüftet? 

Liebe Grüße eure Alina :-) 

Secrets - Who am I?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt