Die Provokation

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Berlin, im April 2012

Äußerst zufrieden saß Benni eine gute Stunde später wieder mit den anderen Jungs in seinem Audi. Die Mädels hatten tatsächlich zugesagt, diese absolut kranke Scheiße für sie durchzuziehen. Zwar hatten sie im Endeffekt rund das Doppelte von dem verlangt, was als Budget für diese Nummer eingeplant war, aber man wurde sich schnell einig, dass es das Ganze wert war, als sie detailgetreu beschrieben, was genau sie alles bereit waren, zu tun. Man hatte sich darauf geeinigt, die Hälfte der Summe im Voraus zu zahlen und den Rest dann, wenn alles zur Zufriedenheit der Band durchgeführt worden war.

Auch, wenn Lukas und Timi nicht vorhatten, sich das beim Konzert wegen ihrer ach so empfindlichen Mädchen-Mägen aktiv mitanzusehen, waren sie am Ende doch ziemlich von der Sache angetan. Die Fans würden es hundertprozentig feiern, da gab es keinen Zweifel. Es würde sicherlich ziemlich viele Leute schockieren, aber auch das war ja schließlich so gewollt. Benni sah die ganzen Presseschlagzeilen schon vor sich. „Plan B lassen uns fassungslos zurück", oder „Plan B schocken mit Ekelshow", könnten diese vielleicht lauten. Auf jeden Fall würden sie damit ins Gespräch kommen. Mit ziemlicher Sicherheit würden zu den nächsten Konzerten sogar noch mehr Leute kommen, da die unbedingt mal sehen wollten, „ob das alles wirklich so krass ist, wie man sagt".

„So, feiern wir das jetzt noch, oder wie siehts aus?", fragte Stefan in die Runde. Lukas und Timi sagten direkt begeistert zu. Nur Benni blieb still.
„Was ist mit dir?", fragte Stefan ihn und schubste ihn leicht an der Schulter an.
„Finger weg, du Arsch", blaffte Benni und schlug Stefans Hand fest von sich weg. „Ähm...nee..."
„Krank oder so?", fragte Timi verwundert. „Seit wann willsten du nich feiern gehen?"

Benni stieß genervt die Luft aus. Gestern hatte er Eva schon wieder „versehentlich" bei einem geplanten Restaurantbesuch versetzt. Heute konnte er das nicht nochmal tun, ohne eine riesengroße Welle loszutreten. Sie wäre dann wahrscheinlich drei Tage lang beleidigt und würde nur noch herummeckern. Er war sich ziemlich sicher, dass sie bei einer erneuten Enttäuschung dieses Stadium erreichen würde, in dem er sie nur noch mit Geschenken beruhigen konnte. Er sah sich in Gedanken schon durch sämtliche Juwelier- und Klamottenläden hetzen, da die liebe Dame ja einen ziemlich eingeschränkten Geschmack hatte.
Einmal, da hatte er ihr nach einer gelungenen Party auf ein Kleid gekotzt. Als Entschädigung wollte sie dafür dann unbedingt einen verfickten, silbernen Ring mit einem Smaragd drin haben. Ein Kleid war weg, dafür musste ein Ring her. Die Logik dahinter verstand er bis heute nicht.
Jedenfalls war er bis nach scheiß Potsdam gefahren, um dieses Ding zu besorgen.
Hatte er so schnell nochmal Bock auf so eine Aktion? Sicher nicht, verdammte Kacke!

„Ich kann halt nicht", sagte er kurz und knapp.
„Warum nicht?", fragte Lukas neugierig. „Was hast du denn besseres vor?"
„Nichts", sagte Benni und verdrehte genervt die Augen.
Lukas lachte und zwickte ihm von hinten ins Ohrläppchen. „Jetzt sag doch mal!"
„Junge! Du läufst gleich nach Hause, wenn du mir weiter auf die Eier gehst!", schnaubte Benni angepisst.
„Hat es was mit deiner Freundin zu tun?", bohrte Lukas weiter. Benni gab ihm keine Antwort, woraus Lukas schloss, dass er wohl Recht hatte.
„Benni hat ein Date! Benni hat ein Date!", flötete Lukas grinsend.
„Ähm, Lukas...", flüsterte Timi. „Lass besser ma. Wenn Benni sagt, du läufst nach Hause, dann läufst du wirklich nach Hause. Das is nich nur so'n Spruch."
Lukas glaubte Timi nicht – leider. Also fuhren sie an der nächsten Ampel zu dritt weiter. Er hätte ihn eben nicht provozieren sollen.

„Toll und wie soll ich da jetzt reinkommen?", fragte Timi irritiert, als Benni dann vor der Wohnung von Lukas eine Vollbremsung hinlegte. Dort wohnte Timi nämlich meistens während seiner Aufenthalte in Berlin. „Ich hab doch gar keinen Schlüssel und Lukas braucht noch ewig bis der hier is!"
„Das ist mir so ziemlich egal. Du hast ihn in die Band geholt, dann ist es wohl auch dein Job dafür zu sorgen, dass das Küken mir nicht auf die Nüsse geht! Und jetzt raus, ich hab heut noch was vor! Stefan muss ja auch noch an den Bahnhof!"
Fluchend stieg Timi aus. Benni verstand jedoch nicht, was er genau sagte. Hätte er Timis Worte verstanden, hätte er wohl einfach zurückgesetzt und ihn überfahren.
„Ähm... ach Benni, weißt du was... ich steig hier aus und nehm die U-Bahn bis zum Bahnhof, ist schon in Ordnung", sagte Stefan und griff nach seiner Tasche.
Er hatte nicht wirklich Lust darauf und ließ sich extra lange Zeit damit, aus dem Wagen zu steigen. Er hoffte, dass Benni abwinken würde, um zu sagen, dass er ihn schon noch fahren würde.
„Jo alles klar Brudi, bis dann", sagte er aber und rollte schon ein wenig vor, obwohl Stefan noch auf dem Sitz saß. Damit dieser nicht aus dem fahrenden Auto springen musste, beeilte er sich jetzt doch mit dem Aussteigen. Als er dann nach der Tür greifen wollte, um diese zu schließen war Benni schon losgefahren und hatte sie von innen selbst zugemacht. Stefan schüttelte den Kopf und ging zur Station. Diese Frau hat den Dicken ganz schön an den Eiern, dachte er sich.

Mädchen, mach die roten Lichter aus!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt